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Energie & Management > Strom - Nord-süddeutscher Strompreiskrach eskaliert
Quelle: Shutterstock / lovelyday12
Strom

Nord-süddeutscher Strompreiskrach eskaliert

Die norddeutschen Länder produzieren den Großteil des deutschen Windstroms − und wollen deshalb niedrigere Stromkosten für sich durchsetzen. Bayern ist empört.
(dpa) − Die norddeutschen Flächenländer fordern eine Aufteilung Deutschlands in unterschiedliche Strompreiszonen zu Lasten Süddeutschlands. Nach einem Bericht der Welt am Sonntag wollen die norddeutschen Länder günstigere Strompreise für ihre Bürger und Unternehmen durchsetzen. Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) sagte der Zeitung: "Wenn ich da lebe oder produziere, wo auch die Energie produziert oder angelandet wird, muss diese Energie dort auch günstiger sein." Der Norden trage seit Jahren die Hauptlast der Energiewende.

Die bayerische Staatsregierung reagierte entrüstet und stellte eine Gegenrechnung mit dem Länderfinanzausgleich an. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezifferte die aktuellen Zahlungen Bayerns auf über neun Milliarden Euro, deren Gesamtsumme in den vergangenen Jahrzehnten auf bislang über 100 Milliarden. "Wir zahlen circa zehn Prozent der norddeutschen Haushalte", sagte Söder am Sonntag. Es könne deshalb nicht sein, dass Bayern ständig angegriffen werde. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) kritisierte die norddeutschen Forderungen als "schlicht unverschämt".

Damit ist in der Politik offener Streit um ein Thema ausgebrochen, über das in der Energiebranche schon seit Jahren diskutiert wird.

In Norddeutschland ist die Windstromproduktion in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden. Doch größer ist die Stromnachfrage im Süden mit seinen vielen energieintensiven Industrieunternehmen. Um die Stromleitungen nicht zu überlasten, sind teure Maßnahmen zur Sicherung und Stabilisierung des Netzes notwendig.

Das beinhaltet den sogenannten Redispatch: Zeitweise müssen teure Kraftwerke im Süden laufen, weil billiger Windstrom aus dem Norden mangels Kapazität nicht in den Süden transportiert werden kann. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) beziffert die Gesamtkosten des Engpassmanagements im deutschen Stromnetz für das Jahr 2021 auf knapp 2,3 Milliarden Euro, davon 590 Millionen für den Redispatch. Der Großteil dieser Redispatch-Kosten entfiel laut auf das Gebiet des Netzbetreibers Tennet in Bayern.

"Ausbau von Stromnetzen und Windkraft sabotiert"

Anlass der norddeutschen Kritik ist, dass die CSU den Ausbau der Windkraft in Bayern faktisch zum Erliegen gebracht hatte, seit 2016 sind im Freistaat kaum noch neue Windräder ans Netz gegangen. Einen Kurswechsel gab es erst in diesem Jahr. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wiederum hatte ehedem in der Opposition jahrelang Widerstand gegen den Bau der großen Stromtrassen geleistet, die den norddeutschen Windstrom in den Süden leiten sollen.

"Die Höhe der Stromnetzentgelte belastet die Letztverbraucher und benachteiligt den norddeutschen Wirtschaftsstandort", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Energieminister Reinhard Meyer (SPD).

Gleich vier bayerische Regierungsmitglieder legten empörten Protest ein: Neben Söder und seinem Staatskanzleichef Herrmann auch Aiwanger und Finanzminister Albert Füracker (CSU), der die Abschaffung des Finanzausgleichs ins Gespräch brachte.

Momentan gibt es nur eine Strompreiszone für ganz Deutschland, obwohl Produktions- und Verteilkosten regional unterschiedlich sind. Bis 2018 gab es eine gemeinsame deutsch-österreichische Strompreiszone. Nach der Aufspaltung in zwei getrennte Zonen war der Strom in Österreich teurer als in Deutschland. Im Süden wird befürchtet, dass der gleiche Effekt wieder eintreten könnte, wenn es eine eigene süddeutsche Strompreiszone gäbe.

Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) hingegen nannte eine Aufteilung in Preiszonen "die logische Konsequenz des energiepolitischen Irrweges" bayerischer Landesregierungen. Mehr als 15 Jahre lang hätten diese den Ausbau von Stromnetzen und Windkraft sabotiert, sagte Goldschmidt. Es sei den Menschen im Norden schlicht nicht mehr zu vermitteln, warum sie die Zeche dafür zahlen müssen.

Montag, 26.09.2022, 11:30 Uhr
dpa
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Nord-süddeutscher Strompreiskrach eskaliert
Die norddeutschen Länder produzieren den Großteil des deutschen Windstroms − und wollen deshalb niedrigere Stromkosten für sich durchsetzen. Bayern ist empört.
(dpa) − Die norddeutschen Flächenländer fordern eine Aufteilung Deutschlands in unterschiedliche Strompreiszonen zu Lasten Süddeutschlands. Nach einem Bericht der Welt am Sonntag wollen die norddeutschen Länder günstigere Strompreise für ihre Bürger und Unternehmen durchsetzen. Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) sagte der Zeitung: "Wenn ich da lebe oder produziere, wo auch die Energie produziert oder angelandet wird, muss diese Energie dort auch günstiger sein." Der Norden trage seit Jahren die Hauptlast der Energiewende.

Die bayerische Staatsregierung reagierte entrüstet und stellte eine Gegenrechnung mit dem Länderfinanzausgleich an. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezifferte die aktuellen Zahlungen Bayerns auf über neun Milliarden Euro, deren Gesamtsumme in den vergangenen Jahrzehnten auf bislang über 100 Milliarden. "Wir zahlen circa zehn Prozent der norddeutschen Haushalte", sagte Söder am Sonntag. Es könne deshalb nicht sein, dass Bayern ständig angegriffen werde. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) kritisierte die norddeutschen Forderungen als "schlicht unverschämt".

Damit ist in der Politik offener Streit um ein Thema ausgebrochen, über das in der Energiebranche schon seit Jahren diskutiert wird.

In Norddeutschland ist die Windstromproduktion in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden. Doch größer ist die Stromnachfrage im Süden mit seinen vielen energieintensiven Industrieunternehmen. Um die Stromleitungen nicht zu überlasten, sind teure Maßnahmen zur Sicherung und Stabilisierung des Netzes notwendig.

Das beinhaltet den sogenannten Redispatch: Zeitweise müssen teure Kraftwerke im Süden laufen, weil billiger Windstrom aus dem Norden mangels Kapazität nicht in den Süden transportiert werden kann. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) beziffert die Gesamtkosten des Engpassmanagements im deutschen Stromnetz für das Jahr 2021 auf knapp 2,3 Milliarden Euro, davon 590 Millionen für den Redispatch. Der Großteil dieser Redispatch-Kosten entfiel laut auf das Gebiet des Netzbetreibers Tennet in Bayern.

"Ausbau von Stromnetzen und Windkraft sabotiert"

Anlass der norddeutschen Kritik ist, dass die CSU den Ausbau der Windkraft in Bayern faktisch zum Erliegen gebracht hatte, seit 2016 sind im Freistaat kaum noch neue Windräder ans Netz gegangen. Einen Kurswechsel gab es erst in diesem Jahr. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wiederum hatte ehedem in der Opposition jahrelang Widerstand gegen den Bau der großen Stromtrassen geleistet, die den norddeutschen Windstrom in den Süden leiten sollen.

"Die Höhe der Stromnetzentgelte belastet die Letztverbraucher und benachteiligt den norddeutschen Wirtschaftsstandort", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Energieminister Reinhard Meyer (SPD).

Gleich vier bayerische Regierungsmitglieder legten empörten Protest ein: Neben Söder und seinem Staatskanzleichef Herrmann auch Aiwanger und Finanzminister Albert Füracker (CSU), der die Abschaffung des Finanzausgleichs ins Gespräch brachte.

Momentan gibt es nur eine Strompreiszone für ganz Deutschland, obwohl Produktions- und Verteilkosten regional unterschiedlich sind. Bis 2018 gab es eine gemeinsame deutsch-österreichische Strompreiszone. Nach der Aufspaltung in zwei getrennte Zonen war der Strom in Österreich teurer als in Deutschland. Im Süden wird befürchtet, dass der gleiche Effekt wieder eintreten könnte, wenn es eine eigene süddeutsche Strompreiszone gäbe.

Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) hingegen nannte eine Aufteilung in Preiszonen "die logische Konsequenz des energiepolitischen Irrweges" bayerischer Landesregierungen. Mehr als 15 Jahre lang hätten diese den Ausbau von Stromnetzen und Windkraft sabotiert, sagte Goldschmidt. Es sei den Menschen im Norden schlicht nicht mehr zu vermitteln, warum sie die Zeche dafür zahlen müssen.

Montag, 26.09.2022, 11:30 Uhr
dpa

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