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Energie & Management > Stromnetz - Netze BW mahnt großen Ausbaubedarf an
Quelle: Fotolia / Miredi
Stromnetz

Netze BW mahnt großen Ausbaubedarf an

Engpässe bei Netzanschlüssen und Hochspannungsleitungen beklagt der Chef der Netze BW. Allein im Hochspannungsnetz müssten 2.600 Trassenkilometer verstärkt werden.

Der Chef des Verteilnetzbetreibers Netze BW, Christoph Müller, nannte in einem Interview mit den BNN (Badische Neueste Nachrichten) die Stromnetze das „Nadelöhr der Energiewende“. Nicht nur die Übertragungsnetze der Höchstspannung, sondern auch die Hochspannungstrassen müssten zur Einbindung von immer mehr erneuerbaren Anlagen ausgebaut werden. So seien bei den Photovoltaik-Anlagen mit Beginn des Ukraine-Kriegs sprunghafte Anstiege zu verzeichnen.

Stieg die Zahl der neu angemeldeten PV-Anlagen von monatlich 1.000 im Jahr 2019 auf 2.000 im Jahr 2021, habe sich diese Zahl 2022 noch einmal verdoppelt. „Die Anschlusszahlen haben sich verdoppelt – die Mannschaft aber nicht“, umriss Müller die Herausforderungen für den Netzbetreiber. Die Netze BW habe rund 300 Kolleginnen und Kollegen, die in dem Bereich arbeiten, und neue Leute seien kaum zu bekommen. „Parallel digitalisieren wir unsere Prozesse und Lösungen ganz massiv, denn das lässt sich nicht einfach mit mehr Personal lösen“, sagte er.
 

110-kV-Hochspannung nicht genug im Fokus

Überdies seien die Netze an ihren Leistungsgrenzen. „Vieles, was wir bisher in der Energiewende umgesetzt haben, funktionierte quasi noch mit den Reservekapazitäten der Vergangenheit“, konstatierte Müller. Diese seien jedoch zunehmend ausgereizt. „Deutschland kann seine Ziele bei der Energiewende nur noch mit einem zeitnahen Ausbau der Netze realisieren“, so sein Appell. Vor allem bei der Hochspannung, also den 110-kV-Netzen, sei der Bedarf groß.

Wegen der anspruchsvollen Genehmigungsverfahren hinkten auch die Überlandleitungen, die Höchstspannungsprojekte, hinter ihrem Zeitplan hinterher. „Bei der Nieder- und Mittelspannung, also in den lokalen Ortsnetzen, klappt es vergleichsweise gut“, resümierte Müller. Dies liege daran, dass die Verkabelung wirtschaftlich nicht so teuer sei und die Genehmigungen im Gebiet der Gemeinden einfacher. „Das ist bei der Hochspannung nicht der Fall“, so der Chef der EnBW-Tochter.

Unterirdische Kabel zu teuer

Überregionale Kabel seien gerade in der bergigen Topologie von Baden-Württemberg sehr viel teurer als Freileitungen. Zudem seien sie angesichts des Effizienzgebots wirtschaftlich eigentlich nicht umsetzbar. Daher gebe es Probleme, größere Photovoltaik- oder Windkraftanlagen anzuschließen. „Es stößt bei vielen Menschen natürlich auf Unverständnis, wenn wir als Netzbetreiber den Netzanschluss wegen fehlender Kapazitäten ablehnen müssen“, sagte Müller. Wenn Einspeisepunkte zugewiesen werden müssten, die mehr als 10 Kilometer entfernt liegen, würden sich dagegen viele Projekte wirtschaftlich nicht mehr tragen.

Gerade bei der Hochspannung müsse die Kapazität von fast jeder Leitung erhöht werden, mahnte Müller: „Wir reden bei unserem Netz in Baden-Württemberg von rund 3.400 Trassenkilometern, wovon 2.600 Kilometer verstärkt werden müssten.“ Das bedeute, 10.000 Stahlmasten auszutauschen, mehr als 300 Umspannwerke anzupassen und noch einmal rund 150 neue zu bauen.

Zehn Jahre im Genehmigungsverfahren

Dafür müssten sowohl Baukapazitäten geschaffen wie Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, mahnte der Netzchef. „Ich befürchte, wir werden aufgrund der aufwendigen Verfahren das erforderliche Tempo, das für die Umsetzung der Energiewende nötig ist, auf der Netzseite kaum erreichen können“, sagte er. Ein konkretes Beispiel sei die Leitung Kupferzell – Roth am See, für die das Genehmigungsverfahren bereits zehn Jahre dauere.

„Ich denke, alle Beteiligten – also Kommunen, Landratsämter, Regierungspräsidien, Landesregierung und Netzbetreiber – sollten sich an einen Tisch setzen, um die Prozesse gemeinsam zu analysieren“, schlug Müller vor. Ein realistisches Ziel solle sein, dass man ein Verfahren inklusive Bürgerbeteiligung in drei bis fünf Jahren durchführen kann. Dafür müssten alle Beteiligten, auch die Netzbetreiber, anpacken. „Anders werden wir die Energiewende nicht schaffen“, schloss Müller.

Montag, 30.01.2023, 16:38 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Stromnetz - Netze BW mahnt großen Ausbaubedarf an
Quelle: Fotolia / Miredi
Stromnetz
Netze BW mahnt großen Ausbaubedarf an

Engpässe bei Netzanschlüssen und Hochspannungsleitungen beklagt der Chef der Netze BW. Allein im Hochspannungsnetz müssten 2.600 Trassenkilometer verstärkt werden.

Der Chef des Verteilnetzbetreibers Netze BW, Christoph Müller, nannte in einem Interview mit den BNN (Badische Neueste Nachrichten) die Stromnetze das „Nadelöhr der Energiewende“. Nicht nur die Übertragungsnetze der Höchstspannung, sondern auch die Hochspannungstrassen müssten zur Einbindung von immer mehr erneuerbaren Anlagen ausgebaut werden. So seien bei den Photovoltaik-Anlagen mit Beginn des Ukraine-Kriegs sprunghafte Anstiege zu verzeichnen.

Stieg die Zahl der neu angemeldeten PV-Anlagen von monatlich 1.000 im Jahr 2019 auf 2.000 im Jahr 2021, habe sich diese Zahl 2022 noch einmal verdoppelt. „Die Anschlusszahlen haben sich verdoppelt – die Mannschaft aber nicht“, umriss Müller die Herausforderungen für den Netzbetreiber. Die Netze BW habe rund 300 Kolleginnen und Kollegen, die in dem Bereich arbeiten, und neue Leute seien kaum zu bekommen. „Parallel digitalisieren wir unsere Prozesse und Lösungen ganz massiv, denn das lässt sich nicht einfach mit mehr Personal lösen“, sagte er.
 

110-kV-Hochspannung nicht genug im Fokus

Überdies seien die Netze an ihren Leistungsgrenzen. „Vieles, was wir bisher in der Energiewende umgesetzt haben, funktionierte quasi noch mit den Reservekapazitäten der Vergangenheit“, konstatierte Müller. Diese seien jedoch zunehmend ausgereizt. „Deutschland kann seine Ziele bei der Energiewende nur noch mit einem zeitnahen Ausbau der Netze realisieren“, so sein Appell. Vor allem bei der Hochspannung, also den 110-kV-Netzen, sei der Bedarf groß.

Wegen der anspruchsvollen Genehmigungsverfahren hinkten auch die Überlandleitungen, die Höchstspannungsprojekte, hinter ihrem Zeitplan hinterher. „Bei der Nieder- und Mittelspannung, also in den lokalen Ortsnetzen, klappt es vergleichsweise gut“, resümierte Müller. Dies liege daran, dass die Verkabelung wirtschaftlich nicht so teuer sei und die Genehmigungen im Gebiet der Gemeinden einfacher. „Das ist bei der Hochspannung nicht der Fall“, so der Chef der EnBW-Tochter.

Unterirdische Kabel zu teuer

Überregionale Kabel seien gerade in der bergigen Topologie von Baden-Württemberg sehr viel teurer als Freileitungen. Zudem seien sie angesichts des Effizienzgebots wirtschaftlich eigentlich nicht umsetzbar. Daher gebe es Probleme, größere Photovoltaik- oder Windkraftanlagen anzuschließen. „Es stößt bei vielen Menschen natürlich auf Unverständnis, wenn wir als Netzbetreiber den Netzanschluss wegen fehlender Kapazitäten ablehnen müssen“, sagte Müller. Wenn Einspeisepunkte zugewiesen werden müssten, die mehr als 10 Kilometer entfernt liegen, würden sich dagegen viele Projekte wirtschaftlich nicht mehr tragen.

Gerade bei der Hochspannung müsse die Kapazität von fast jeder Leitung erhöht werden, mahnte Müller: „Wir reden bei unserem Netz in Baden-Württemberg von rund 3.400 Trassenkilometern, wovon 2.600 Kilometer verstärkt werden müssten.“ Das bedeute, 10.000 Stahlmasten auszutauschen, mehr als 300 Umspannwerke anzupassen und noch einmal rund 150 neue zu bauen.

Zehn Jahre im Genehmigungsverfahren

Dafür müssten sowohl Baukapazitäten geschaffen wie Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, mahnte der Netzchef. „Ich befürchte, wir werden aufgrund der aufwendigen Verfahren das erforderliche Tempo, das für die Umsetzung der Energiewende nötig ist, auf der Netzseite kaum erreichen können“, sagte er. Ein konkretes Beispiel sei die Leitung Kupferzell – Roth am See, für die das Genehmigungsverfahren bereits zehn Jahre dauere.

„Ich denke, alle Beteiligten – also Kommunen, Landratsämter, Regierungspräsidien, Landesregierung und Netzbetreiber – sollten sich an einen Tisch setzen, um die Prozesse gemeinsam zu analysieren“, schlug Müller vor. Ein realistisches Ziel solle sein, dass man ein Verfahren inklusive Bürgerbeteiligung in drei bis fünf Jahren durchführen kann. Dafür müssten alle Beteiligten, auch die Netzbetreiber, anpacken. „Anders werden wir die Energiewende nicht schaffen“, schloss Müller.

Montag, 30.01.2023, 16:38 Uhr
Susanne Harmsen

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