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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Mit heißer Nadel gestrickt
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Mit heißer Nadel gestrickt

Trotz der im Februar beschlossenen Verschiebung der Mako 2022 von April auf Oktober, waren die Marktteilnehmer und ihre Dienstleister seither alles andere als entspannt.
Für viele in der Energiewirtschaft überraschend hat die Bundesnetzagentur im März den Stichtag für die Umsetzung der Marktkommunikation (Mako) 2022 vom 1. April auf den 1. Oktober verschoben. Die Netzbetreiber, Messstellenbetreiber, Versorger und deren IT-Dienstleister hatten dementsprechend mehr Zeit, die Anwendung bestimmter Datenformate, den Austausch der Daten beispielsweise beim Anbieterwechsel oder bei Sperrungen sowie die Umsetzung der entsprechenden Prozesse vorzubereiten.

„Wir waren froh, dass wir nach dem Cyberangriff etwas mehr Zeit hatten, sodass wir nun auch alle erforderlichen Systeme bereitstellen konnten“, sagt Markus Rahe. Er ist Leiter der Entwicklung für die Marktrolle Lieferant beim Softwarehersteller Kisters, der Ende 2021 Opfer eines Hackerangriffs wurde. Wie aus dem Stadtwerkeumfeld zu hören ist, hatte sich eine ganze Reihe kommunaler Versorger − Kunden von Kisters − an die Bundesnetzagentur gewandt und für eine Verschiebung stark gemacht, damit ihr IT-Lieferant die benötigte Software fertigstellen konnte. Letztlich hatte die Behörde tatsächlich ihren Schritt unter anderem mit einem Hackerangriff auf einen namentlich nicht näher genannten IT-Dienstleister und dessen temporären Ausfall begründet.

Bei den Kunden schlugen sich jedoch auch noch andere Belastungen nieder, die sie eine Verschiebung des Stichtags herbeisehnen ließ, wie Rahe berichtet. Etwa die Umsetzung des Redispatch 2.0 oder ganz einfach personelle Engpässe durch Covid-Erkrankungen.

Doch nicht alle Mako-Anforderungen hatten den 1. April als Deadline. Einige waren von vorneherein bis zum 1. Oktober umzusetzen. „Dazu gehört auch das Datenformat ‚PRICAT‘“, erläutert Rahe. Damit werden künftig Preisblätter verschickt. „Wir liefern das Format und betreuen die Kunden bei der Implementierung der Prozesse“, so der IT-Experte, „aber die Marktteilnehmer müssen die entsprechenden Prozesse auch leben.“ Bei rund 400 Stadtwerken, die Kisters als Kunden hat, sei das eine Mammutaufgabe. Denn viele von ihnen greifen auf die Beratung zurück, vor allem bei sehr umfangreichen und komplexen Vorgaben. „Und die sind ja fast schon die Regel. Da fehlt im Alltag oft die Zeit, sich intensiv mit neuen Prozessen und Formaten auseinanderzusetzen“, berichtet Rahe und nennt als Beispiel die neu eingeführten Zählzeiten: Dabei geht es um Informationen, zu welcher Zeit welches Register in einem Smart Meter die geflossene Energie erfasst. Dahinter steht das Ziel, zeit- oder lastvariable Tarife anbieten zu können und Anreize für netzdienliches Verhalten zu schaffen. Zudem müssen die Netzbetreiber die Hochlastzeitfenster damit versenden. Auch für die Kisters-Entwickler ist das Verschicken von Zählzeiten ein neuer Prozess, den sie in neuer Technologie umgesetzt haben − ein nicht unerheblicher Aufwand.
 
Noch Änderungen am 29. August
 
Die Einführung der neuen Marktrolle des Energieserviceanbieters (ESA) war nach Rahes Erfahrung dagegen weniger komplex als zunächst angenommen. Hier konnten die Softwareentwickler auf die Erfahrungen mit anderen Marktrollen, etwa mit der des Lieferanten, zurückgreifen. Wenn die neue Rolle ESA gelebt wird, werden jedoch sicherlich noch weitere funktionale Anforderungen hinzukommen. Dagegen sei die Umsetzung der Vorgaben zur Rechnungseingangsprüfung, für die der Entscheidungsbaum erst Ende Juli definiert worden war, deutlich aufwendiger als ursprünglich von Rahe und seinen Kollegen erwartet.

Auch die Gisa hat alle vertraglich vereinbarten Vorarbeiten für ihre Kunden rechtzeitig abgeschlossen. Frank Ehrhoff, der beim IT-Dienstleister als Director Enterprise Utilities für die Abrechnungssysteme der Kunden verantwortlich ist, fürchtet allerdings, dass niemand im Markt derzeit entspannt ist. „Denn die Vorgaben der Bundesnetzagentur greifen in fast alle Prozesse ein“, sagt er. Die besondere Herausforderung in der gegenwärtigen Situation sei, die Software und alle Prozesse noch vor dem Pflichtstart ausreichend zu testen.

Bei SAP, für deren Software die Gisa als Outsourcing-Partner Kundensysteme betreibt und anpasst, ist es üblich, dass neue Funktionen vier bis acht Wochen, bevor sie verpflichtend werden, in den Acceptance-Test gehen. „Was bis zum 29. August getestet werden konnte, waren allerdings keine fertigen Systeme“, erläutert Ehrhoff. Denn an diesem Tage seien nach zahlreichen Detailänderungen der Mako in den Wochen zuvor noch weitere Änderungen an den Präzisierungen des BDEW veröffentlicht worden. Auch diese mussten von den Softwareentwicklern berücksichtigt werden. Kein Wunder, dass Marktteilnehmer angesichts der Fülle von Anpassungen und kurzen Fristen von einer „mit heißer Nadel gestrickten“ Mako sprechen. „Wir sind jedenfalls für den Fall gerüstet“, sagt Ehrhoff, „dass das Ticket-Aufkommen im IT-Support im Oktober stark ansteigt.“
 
Stufenweise Umsetzung bis 1. Januar
 
Und die nächsten Anpassungen stehen schon ins Haus, gibt der Gisa-Manager Ehrhoff zu bedenken, denn die Umsetzung der Mako erfolgt in Stufen. So müssen zum Beispiel die elektronischen Preisblätter für die Netznutzungsabrechnung bis zum 15. Oktober versandt sein, während die Ergänzung der abrechnungsnotwendigen Stammdaten bis zum 1. November zu erfolgen hat. In anderen Bereichen gibt es eine stufenweise Umsetzung bis zum 1. Januar 2023. „Es ist nur zu hoffen, dass alle Unternehmen ihre Daten rechtzeitig im System haben“, so Ehrhoff, der sich noch an Zeiten erinnert, in denen sich Lieferanten mit Netz- und Messstellenbetreibern vor einem solchen Stichtag ausgiebig über potenzielle Probleme austauschen konnten. Dies ist aktuell jedoch nicht mehr möglich.

Nicht alle Anforderungen sind kurzfristig. Denn schon heute ist bekannt, was am 1. Oktober 2023 auf die Branche zukommt. Die Regelungen zum sicheren Austausch von EDIFACT-Übertragungsdateien werden dann auf den Übertragungsweg AS4 umgestellt.

Auf den ersten Blick scheint noch viel Zeit bis dahin zu sein. Doch zum einen weiß niemand, wie sich die Situation am Gasmarkt entwickeln wird, zum anderen werden weitere Anforderungen wie die kurzfristige Änderung von Mehrwertsteuersätzen, das Hickhack um den Rollout intelligenter Messsysteme oder das Thema Cybersicherheit die IT-Spezialisten zusätzlich in Atem halten. Auf ruhige Zeiten zu hoffen, haben sie längst aufgegeben.
 

Donnerstag, 6.10.2022, 14:41 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Mit heißer Nadel gestrickt
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
Mit heißer Nadel gestrickt
Trotz der im Februar beschlossenen Verschiebung der Mako 2022 von April auf Oktober, waren die Marktteilnehmer und ihre Dienstleister seither alles andere als entspannt.
Für viele in der Energiewirtschaft überraschend hat die Bundesnetzagentur im März den Stichtag für die Umsetzung der Marktkommunikation (Mako) 2022 vom 1. April auf den 1. Oktober verschoben. Die Netzbetreiber, Messstellenbetreiber, Versorger und deren IT-Dienstleister hatten dementsprechend mehr Zeit, die Anwendung bestimmter Datenformate, den Austausch der Daten beispielsweise beim Anbieterwechsel oder bei Sperrungen sowie die Umsetzung der entsprechenden Prozesse vorzubereiten.

„Wir waren froh, dass wir nach dem Cyberangriff etwas mehr Zeit hatten, sodass wir nun auch alle erforderlichen Systeme bereitstellen konnten“, sagt Markus Rahe. Er ist Leiter der Entwicklung für die Marktrolle Lieferant beim Softwarehersteller Kisters, der Ende 2021 Opfer eines Hackerangriffs wurde. Wie aus dem Stadtwerkeumfeld zu hören ist, hatte sich eine ganze Reihe kommunaler Versorger − Kunden von Kisters − an die Bundesnetzagentur gewandt und für eine Verschiebung stark gemacht, damit ihr IT-Lieferant die benötigte Software fertigstellen konnte. Letztlich hatte die Behörde tatsächlich ihren Schritt unter anderem mit einem Hackerangriff auf einen namentlich nicht näher genannten IT-Dienstleister und dessen temporären Ausfall begründet.

Bei den Kunden schlugen sich jedoch auch noch andere Belastungen nieder, die sie eine Verschiebung des Stichtags herbeisehnen ließ, wie Rahe berichtet. Etwa die Umsetzung des Redispatch 2.0 oder ganz einfach personelle Engpässe durch Covid-Erkrankungen.

Doch nicht alle Mako-Anforderungen hatten den 1. April als Deadline. Einige waren von vorneherein bis zum 1. Oktober umzusetzen. „Dazu gehört auch das Datenformat ‚PRICAT‘“, erläutert Rahe. Damit werden künftig Preisblätter verschickt. „Wir liefern das Format und betreuen die Kunden bei der Implementierung der Prozesse“, so der IT-Experte, „aber die Marktteilnehmer müssen die entsprechenden Prozesse auch leben.“ Bei rund 400 Stadtwerken, die Kisters als Kunden hat, sei das eine Mammutaufgabe. Denn viele von ihnen greifen auf die Beratung zurück, vor allem bei sehr umfangreichen und komplexen Vorgaben. „Und die sind ja fast schon die Regel. Da fehlt im Alltag oft die Zeit, sich intensiv mit neuen Prozessen und Formaten auseinanderzusetzen“, berichtet Rahe und nennt als Beispiel die neu eingeführten Zählzeiten: Dabei geht es um Informationen, zu welcher Zeit welches Register in einem Smart Meter die geflossene Energie erfasst. Dahinter steht das Ziel, zeit- oder lastvariable Tarife anbieten zu können und Anreize für netzdienliches Verhalten zu schaffen. Zudem müssen die Netzbetreiber die Hochlastzeitfenster damit versenden. Auch für die Kisters-Entwickler ist das Verschicken von Zählzeiten ein neuer Prozess, den sie in neuer Technologie umgesetzt haben − ein nicht unerheblicher Aufwand.
 
Noch Änderungen am 29. August
 
Die Einführung der neuen Marktrolle des Energieserviceanbieters (ESA) war nach Rahes Erfahrung dagegen weniger komplex als zunächst angenommen. Hier konnten die Softwareentwickler auf die Erfahrungen mit anderen Marktrollen, etwa mit der des Lieferanten, zurückgreifen. Wenn die neue Rolle ESA gelebt wird, werden jedoch sicherlich noch weitere funktionale Anforderungen hinzukommen. Dagegen sei die Umsetzung der Vorgaben zur Rechnungseingangsprüfung, für die der Entscheidungsbaum erst Ende Juli definiert worden war, deutlich aufwendiger als ursprünglich von Rahe und seinen Kollegen erwartet.

Auch die Gisa hat alle vertraglich vereinbarten Vorarbeiten für ihre Kunden rechtzeitig abgeschlossen. Frank Ehrhoff, der beim IT-Dienstleister als Director Enterprise Utilities für die Abrechnungssysteme der Kunden verantwortlich ist, fürchtet allerdings, dass niemand im Markt derzeit entspannt ist. „Denn die Vorgaben der Bundesnetzagentur greifen in fast alle Prozesse ein“, sagt er. Die besondere Herausforderung in der gegenwärtigen Situation sei, die Software und alle Prozesse noch vor dem Pflichtstart ausreichend zu testen.

Bei SAP, für deren Software die Gisa als Outsourcing-Partner Kundensysteme betreibt und anpasst, ist es üblich, dass neue Funktionen vier bis acht Wochen, bevor sie verpflichtend werden, in den Acceptance-Test gehen. „Was bis zum 29. August getestet werden konnte, waren allerdings keine fertigen Systeme“, erläutert Ehrhoff. Denn an diesem Tage seien nach zahlreichen Detailänderungen der Mako in den Wochen zuvor noch weitere Änderungen an den Präzisierungen des BDEW veröffentlicht worden. Auch diese mussten von den Softwareentwicklern berücksichtigt werden. Kein Wunder, dass Marktteilnehmer angesichts der Fülle von Anpassungen und kurzen Fristen von einer „mit heißer Nadel gestrickten“ Mako sprechen. „Wir sind jedenfalls für den Fall gerüstet“, sagt Ehrhoff, „dass das Ticket-Aufkommen im IT-Support im Oktober stark ansteigt.“
 
Stufenweise Umsetzung bis 1. Januar
 
Und die nächsten Anpassungen stehen schon ins Haus, gibt der Gisa-Manager Ehrhoff zu bedenken, denn die Umsetzung der Mako erfolgt in Stufen. So müssen zum Beispiel die elektronischen Preisblätter für die Netznutzungsabrechnung bis zum 15. Oktober versandt sein, während die Ergänzung der abrechnungsnotwendigen Stammdaten bis zum 1. November zu erfolgen hat. In anderen Bereichen gibt es eine stufenweise Umsetzung bis zum 1. Januar 2023. „Es ist nur zu hoffen, dass alle Unternehmen ihre Daten rechtzeitig im System haben“, so Ehrhoff, der sich noch an Zeiten erinnert, in denen sich Lieferanten mit Netz- und Messstellenbetreibern vor einem solchen Stichtag ausgiebig über potenzielle Probleme austauschen konnten. Dies ist aktuell jedoch nicht mehr möglich.

Nicht alle Anforderungen sind kurzfristig. Denn schon heute ist bekannt, was am 1. Oktober 2023 auf die Branche zukommt. Die Regelungen zum sicheren Austausch von EDIFACT-Übertragungsdateien werden dann auf den Übertragungsweg AS4 umgestellt.

Auf den ersten Blick scheint noch viel Zeit bis dahin zu sein. Doch zum einen weiß niemand, wie sich die Situation am Gasmarkt entwickeln wird, zum anderen werden weitere Anforderungen wie die kurzfristige Änderung von Mehrwertsteuersätzen, das Hickhack um den Rollout intelligenter Messsysteme oder das Thema Cybersicherheit die IT-Spezialisten zusätzlich in Atem halten. Auf ruhige Zeiten zu hoffen, haben sie längst aufgegeben.
 

Donnerstag, 6.10.2022, 14:41 Uhr
Fritz Wilhelm

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