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Lützerath muss weg, andere Orte bleiben. So die Aussage des Bundeswirtschaftsministers am 4. Oktober. In einer Einigung mit RWE soll bis 2024 mehr Kohle gefördert und verstromt werden.
In einer Erklärung am Morgen des 4. Oktober informierten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), NRW-Landesenergieministerin Mona Neubaur (Grüne) und RWE-Chef Markus Krebber über eine vorläufige Steigerung der Braunkohleförderung und -verstromung bis 2024 in Nordrhein-Westfalen. Damit sollen die Brennstoffausfälle durch Russlands Angriff auf die Ukraine und ausbleibende Erdgaslieferungen abgefangen werden.
Dafür müsse der Ort Lützerath weichen, um an die darunter liegenden Kohlevorkommen zu gelangen. Im Austausch dürften alle anderen Ortschaften bleiben, weil RWE schon bis 2030 statt 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen werde. Um die Versorgungssicherheit in der aktuellen Energiekrise zu stärken, gehen vorläufig zwei Kraftwerksblöcke der RWE, Kraftwerksblöcke Neurath D und E, die Ende 2022 abgeschaltet werden sollten, bis zum 31. März 2024 wieder ans Netz.
Früherer Kohleausstieg bis 2030 in NRWZudem darf die Bundesregierung bis Ende 2023 entscheiden, ob die Anlagen bei Bedarf noch ein Jahr länger im Strommarkt bleiben oder in eine Reserve überführt werden. Dafür werde der Braunkohleausstieg im Rheinischen Revier auf 2030 vorgezogen und komme damit acht Jahre schneller als bislang geplant. Mit der Vereinbarung blieben rund 280
Mio.
Tonnen Braunkohle im Boden, warb Habeck. So würden die Klimaschutzziele dennoch erfüllt, weil rund 280
Mio.
Tonnen CO2 nicht mehr emittiert würden.
„Putins Angriffskrieg und der Ausfall französischer Kernkraftwerke zwingen uns, vorübergehend stärker Braunkohle zu nutzen, damit wir in der Stromerzeugung Gas sparen“, erläuterte Habeck. Die entsprechende Vereinbarung enthalte auch Unterstützung der vom Kohleausstieg betroffenen Beschäftigten. Die Versorgungssicherheit soll langfristig nach 2030 durch neue wasserstofffähige Gaskraftwerke gestärkt werden. „Das Entscheidende ist, die erneuerbaren Energien schnell und in großen Mengen auszubauen“, erinnerte Habeck.
Keine weiteren UmsiedlungenMit dem Vorziehen des Braunkohleausstiegs auf 2030 soll die noch zu verstromende Kohlemenge so weit reduziert werden, dass im Tagebau Garzweiler der 3. Umsiedlungsabschnitt mit den Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath sowie die Holzweiler Höfe (Eggeratherhof, Roitzerhof, Weyerhof) erhalten bleiben. „Entsprechend werden dort ab sofort keine Umsiedlungen mehr gegen den Willen der Betroffenen erfolgen“, verkündete Neubaur.
Für das Vorziehen des Kohleausstiegs sei mit RWE keine zusätzliche Kompensationszahlung vereinbart, hieß es. Die Umsetzung der Verständigung soll durch die Anpassung des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes („KVBG“) sowie weiterer gesetzlicher Regelungen und Verordnungen gesetzlich und vertraglich verankert werden.
Ministerin Neubaur sagte, Gutachten im Auftrag der Landesregierung hätten bestätigt, dass ein Erhalt der von der Ursprungseinwohnerschaft komplett verlassenen Siedlung Lützerath nicht möglich sei. Sonst könne die notwendige Fördermenge an Braunkohle nicht erreicht, die Stabilität des Tagebaus nicht gewährleistet und die notwendigen Rekultivierungen nicht durchgeführt werden, bedauerte Neubaur.
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v.li. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, NRW-Energieministerin Mona Neubaur und RWE-CEO Markus Krebber bei der Erläuterung der Vereinbarung zum Kohleausstieg in NRW bis 2030. Quelle: BMWK |
RWE baut Gas- statt KohlekraftwerkeRWE-Chef Markus Krebber kündigte an, neue Gaskraftwerke zu bauen, die „um 2035“ Wasserstoff in einem Mix von 50:50 mit Erdgas verstromen können. „Die Gaskraftwerke werden nur als Backup laufen, in Zeiten, wenn nicht genug Strom aus Sonne und Wind zur Verfügung steht und andere Speicher wie Batterien nicht genügen“, erläuterte Krebber. Die Vereinbarung sei gut für RWE: „Wir bekommen Klarheit für die Beschäftigten und das Unternehmen“, begründete er.
RWE werde sich an den Ausschreibungen für den Bau moderner Gaskraftwerke beteiligen. „Unsere Anteilseigner wollen so schnell wie möglich, dass RWE ein grünes Unternehmen wird“, sagte Krebber. „Der Engpass ist nicht das Kapital in der Energiewende, der Engpass sind Flächen, schnellere Genehmigungen für Solar und Windkraft und Klarheit über den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft“, sagte Krebber. Er verlangte, den Strom aus den Gaskraftwerken über Differenzverträge (CfD) zu finanzieren, da sie wegen der kurzen Einsatzzeiten nicht wirtschaftlich arbeiten könnten. Den Bau der Anlagen werde RWE privatwirtschaftlich finanzieren, versprach der Konzernchef.
Gespaltene Reaktion bei KlimaschützernDie Grünen Co-Vorsitzende Ricarda Lang hat die Verständigung des Bundes und des Landes NRW mit dem Energiekonzern RWE als „großen Erfolg“ für den
Klimaschutz bezeichnet, weil der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werde. Die Union hat den geplanten Weiterbetrieb von Braunkohlekraftwerken in NRW als notwendigen Schritt bezeichnet - dem aber weitere folgen müssten, um eine Notlage abzuwenden und Preise zu begrenzen, sagte Andreas Jung, klima- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Auch Antje von Broock, Geschäftsführerin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte den früheren Kohleausstieg. Zugleich sagte sie: „Dass es aber nicht gelingen soll, alle vom Kohleabbau bedrohten Siedlungen zu retten ist eine Katastrophe. Lützerath muss erhalten bleiben und das ist auch möglich.“ Ein Gesetz solle die Vereinbarung absichern, forderte von Broock.
Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW begrüßte die Verständigung. „Die NRW-Landesregierung ist jetzt umso mehr gefordert für einen beschleunigten Ausbau aller Erneuerbaren Energien zu sorgen“, resümierte Reiner Priggen, der Vorsitzende des LEE NRW.
Der Wortlaut der
Verständigung mit RWE steht im Internet bereit.
Dienstag, 4.10.2022, 12:42 Uhr
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