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Energie & Management > Wärme - Mehr dämmen - weniger heizen
Quelle: Pixabay / Michael Gaida
Wärme

Mehr dämmen - weniger heizen

Bis 2050 soll der Gebäudesektor in der EU klimaneutral sein. Auf Hausbesitzer kommen kostspielige Investitionen zu.
Das EU-Parlament hat sich am 14. März dafür ausgesprochen, dass Neubauten ab 2028 keine Treibhausgase mehr ausstoßen dürfen. Bei neuen Gebäuden für die öffentliche Verwaltung soll das sogar schon ab 2026 gelten. Wo technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar, sollen alle neuen Gebäude ab 2028 mit Solaranlagen ausgestattet werden.

Altbauen im Wohnungsbestand müssen bis 2030 die Energieeffizienzklasse E, bis 2033 die Klasse D erreichen, öffentliche Gebäude bereits 2027 bzw. 2030. Die Klassifizierung reicht von A bis G, wobei die 15 Prozent des Gebäudeparks mit den schlechtesten Werten in jedem Mitgliedsstaat die Kategorie G ausmachen.

Verbindlich sind die notwendigen Dämmmaßnahmen oder eine Verbesserung der Heizung aber nur, wenn Gebäude verkauft oder in größerem Umfang renoviert werden oder wenn ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wird. Für einkommensschwache Hauseigentümer, die das nicht bezahlen können, sollen die Mitgliedsstaaten Förderprogramme auflegen. Außerdem müssen sie kostenlose Informationsstellen einrichten und nationale Renovierungspläne aufstellen.

Ausgenommen vom Renovierungszwang sind Gebäude unter Denkmalschutz und Ferienhäuser. Die Mitgliedsstaaten können zusätzliche Ausnahmen für Kirchen und technische Gebäude vorsehen oder für Sozialwohnungen, wenn die Renovierung zu Mieterhöhungen führen würde, die durch die geringeren Energiekosten nicht ausgeglichen werden.

Auf Gebäudesektor entfallen 40 Prozent des Energieverbrauchs

40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgase in der EU fallen nach Berechnungen der Kommission im Gebäudesektor an. Deshalb machen Umweltverbände schon lange Druck, hier strengere Einsparziele vorzugeben. Das scheiterte bislang am Widerstand vieler Mitgliedsstaaten. Sie scheuen zum einen die immensen Kosten, die für die öffentliche Hand anfallen, wenn Verwaltungsgebäude nachgerüstet und Neubauten klimaneutral gebaut werden müssen. Auch der Widerstand der Hausbesitzer, die sich mit Lieferengpässen und dem Handwerkermangel herumschlagen müssen und der Mieter, auf die ein großer Teil der Kosten abgewälzt wird, ist vorprogrammiert.

Entsprechend heftig fallen die Reaktionen auf die Entscheidung aus, die von 343 Abgeordneten unterstützt wurde, 216 waren dagegen, 78 enthielten sich. Den FDP-Abgeordneten Andreas Glück veranlasst das, von einer knappen Mehrheit für die Reform der Richtlinie zu sprechen. Er verweist darauf, dass erst 2022 der Emissionshandel auf den Gebäudebereich ausgeweitet worden sei. Wie man wisse, funktioniere dieses Anreizsystem bestens. „Dass die Kommission jetzt zusätzlich die ordnungspolitische Keule schwingt, ist deshalb der völlig falsche Ansatz.“ Bis 2033 müssten nach den neuen Kriterien 45 Prozent des Gebäudebestandes „zwangssaniert“ werden. Wer die enormen Kosten tragen solle und wie der Mangel an Fachkräften und Baustoffen ausgeglichen werden solle, sei aber überhaupt nicht klar.

Ähnlich argumentiert der CDU-Abgeordnete Dennis Radtke. Schließlich sei Bauen und Wohnen in Deutschland schon jetzt vielerorts unbezahlbar. „Ein pauschaler Renovierungszwang, wie in der Gebäuderichtlinie vorgesehen“, sagt die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler, wird der Lebenswirklichkeit vieler Menschen nicht gerecht.“ Gerade in ländlichen Regionen rechne sich die energetische Sanierung in vielen Fällen nicht. Nach Berechnungen der Immobilienbranche müssten in Deutschland 6 Millionen Gebäude nachgerüstet werden, um bis 2033 mindestens die Energieeffizienzklasse D zu erreichen.

Zustimmung von SPD und Grünen

Abgeordnete von SPD, Grünen und Liberalen (mit Ausnahme der deutschen FDP) loben hingegen das Ergebnis der Abstimmung. Das Einsparen von Energie sei der wirksamste Weg, um Putins Kriegsmaschine auszutrocknen, sagt der dänische Abgeordnete Morten Helveg Petersen. Zu begrüßen sei auch, dass Ölheizungen verboten und steuerliche Anreize für Gasheizungen in den Mitgliedsstaaten schrittweise abgebaut würden.

Die grüne Abgeordnete Jutta Paulus, verweist darauf, dass den Kosten für die Wärmedämmung Einsparungen bei den Heizkosten gegenüberstehen: „Die günstigste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen. Investitionen in Wärmedämmung und Heizungsmodernisierung schützen vor explodierenden Energierechnungen. Der Gebäudesektor ist der Schlüssel zur Klimaneutralität.“ Bei Neubauten und neuen Parkplätzen für Pkw und Fahrräder müssten die Anschlüsse für Ladestationen künftig stets mit eingeplant werden, heißt es bei der SPD. Ein so tiefgreifender Umbau könne nur gelingen, wenn Genehmigungsverfahren drastisch vereinfacht und verkürzt würden.

Der SPD-Abgeordnete Jens Geier freut sich darüber, dass das „Bottroper Modell“ bei der Reform berücksichtigt wurde. In der Ruhrgebietsstadt würden seit zehn Jahren für Straßenzüge, Siedlungen oder ganze Wohnviertel energetische Gesamtkonzepte erstellt. Dadurch rechneten sich Leitungen für Fernwärme oder Blockheizwerke, die für ein einzelnes Haus als Lösung nicht infrage kämen.

Mit dem Votum hat das Parlament seine Position für die Verhandlungen mit dem Ministerrat festgelegt, die in den nächsten Wochen beginnen. Viele Vorschriften, die im Parlament eine Mehrheit gefunden haben und auch über die Vorschläge der Kommission hinausgehen, dürften dann wieder abgeschwächt werden.

Dienstag, 14.03.2023, 17:31 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Wärme - Mehr dämmen - weniger heizen
Quelle: Pixabay / Michael Gaida
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Mehr dämmen - weniger heizen
Bis 2050 soll der Gebäudesektor in der EU klimaneutral sein. Auf Hausbesitzer kommen kostspielige Investitionen zu.
Das EU-Parlament hat sich am 14. März dafür ausgesprochen, dass Neubauten ab 2028 keine Treibhausgase mehr ausstoßen dürfen. Bei neuen Gebäuden für die öffentliche Verwaltung soll das sogar schon ab 2026 gelten. Wo technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar, sollen alle neuen Gebäude ab 2028 mit Solaranlagen ausgestattet werden.

Altbauen im Wohnungsbestand müssen bis 2030 die Energieeffizienzklasse E, bis 2033 die Klasse D erreichen, öffentliche Gebäude bereits 2027 bzw. 2030. Die Klassifizierung reicht von A bis G, wobei die 15 Prozent des Gebäudeparks mit den schlechtesten Werten in jedem Mitgliedsstaat die Kategorie G ausmachen.

Verbindlich sind die notwendigen Dämmmaßnahmen oder eine Verbesserung der Heizung aber nur, wenn Gebäude verkauft oder in größerem Umfang renoviert werden oder wenn ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wird. Für einkommensschwache Hauseigentümer, die das nicht bezahlen können, sollen die Mitgliedsstaaten Förderprogramme auflegen. Außerdem müssen sie kostenlose Informationsstellen einrichten und nationale Renovierungspläne aufstellen.

Ausgenommen vom Renovierungszwang sind Gebäude unter Denkmalschutz und Ferienhäuser. Die Mitgliedsstaaten können zusätzliche Ausnahmen für Kirchen und technische Gebäude vorsehen oder für Sozialwohnungen, wenn die Renovierung zu Mieterhöhungen führen würde, die durch die geringeren Energiekosten nicht ausgeglichen werden.

Auf Gebäudesektor entfallen 40 Prozent des Energieverbrauchs

40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgase in der EU fallen nach Berechnungen der Kommission im Gebäudesektor an. Deshalb machen Umweltverbände schon lange Druck, hier strengere Einsparziele vorzugeben. Das scheiterte bislang am Widerstand vieler Mitgliedsstaaten. Sie scheuen zum einen die immensen Kosten, die für die öffentliche Hand anfallen, wenn Verwaltungsgebäude nachgerüstet und Neubauten klimaneutral gebaut werden müssen. Auch der Widerstand der Hausbesitzer, die sich mit Lieferengpässen und dem Handwerkermangel herumschlagen müssen und der Mieter, auf die ein großer Teil der Kosten abgewälzt wird, ist vorprogrammiert.

Entsprechend heftig fallen die Reaktionen auf die Entscheidung aus, die von 343 Abgeordneten unterstützt wurde, 216 waren dagegen, 78 enthielten sich. Den FDP-Abgeordneten Andreas Glück veranlasst das, von einer knappen Mehrheit für die Reform der Richtlinie zu sprechen. Er verweist darauf, dass erst 2022 der Emissionshandel auf den Gebäudebereich ausgeweitet worden sei. Wie man wisse, funktioniere dieses Anreizsystem bestens. „Dass die Kommission jetzt zusätzlich die ordnungspolitische Keule schwingt, ist deshalb der völlig falsche Ansatz.“ Bis 2033 müssten nach den neuen Kriterien 45 Prozent des Gebäudebestandes „zwangssaniert“ werden. Wer die enormen Kosten tragen solle und wie der Mangel an Fachkräften und Baustoffen ausgeglichen werden solle, sei aber überhaupt nicht klar.

Ähnlich argumentiert der CDU-Abgeordnete Dennis Radtke. Schließlich sei Bauen und Wohnen in Deutschland schon jetzt vielerorts unbezahlbar. „Ein pauschaler Renovierungszwang, wie in der Gebäuderichtlinie vorgesehen“, sagt die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler, wird der Lebenswirklichkeit vieler Menschen nicht gerecht.“ Gerade in ländlichen Regionen rechne sich die energetische Sanierung in vielen Fällen nicht. Nach Berechnungen der Immobilienbranche müssten in Deutschland 6 Millionen Gebäude nachgerüstet werden, um bis 2033 mindestens die Energieeffizienzklasse D zu erreichen.

Zustimmung von SPD und Grünen

Abgeordnete von SPD, Grünen und Liberalen (mit Ausnahme der deutschen FDP) loben hingegen das Ergebnis der Abstimmung. Das Einsparen von Energie sei der wirksamste Weg, um Putins Kriegsmaschine auszutrocknen, sagt der dänische Abgeordnete Morten Helveg Petersen. Zu begrüßen sei auch, dass Ölheizungen verboten und steuerliche Anreize für Gasheizungen in den Mitgliedsstaaten schrittweise abgebaut würden.

Die grüne Abgeordnete Jutta Paulus, verweist darauf, dass den Kosten für die Wärmedämmung Einsparungen bei den Heizkosten gegenüberstehen: „Die günstigste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen. Investitionen in Wärmedämmung und Heizungsmodernisierung schützen vor explodierenden Energierechnungen. Der Gebäudesektor ist der Schlüssel zur Klimaneutralität.“ Bei Neubauten und neuen Parkplätzen für Pkw und Fahrräder müssten die Anschlüsse für Ladestationen künftig stets mit eingeplant werden, heißt es bei der SPD. Ein so tiefgreifender Umbau könne nur gelingen, wenn Genehmigungsverfahren drastisch vereinfacht und verkürzt würden.

Der SPD-Abgeordnete Jens Geier freut sich darüber, dass das „Bottroper Modell“ bei der Reform berücksichtigt wurde. In der Ruhrgebietsstadt würden seit zehn Jahren für Straßenzüge, Siedlungen oder ganze Wohnviertel energetische Gesamtkonzepte erstellt. Dadurch rechneten sich Leitungen für Fernwärme oder Blockheizwerke, die für ein einzelnes Haus als Lösung nicht infrage kämen.

Mit dem Votum hat das Parlament seine Position für die Verhandlungen mit dem Ministerrat festgelegt, die in den nächsten Wochen beginnen. Viele Vorschriften, die im Parlament eine Mehrheit gefunden haben und auch über die Vorschläge der Kommission hinausgehen, dürften dann wieder abgeschwächt werden.

Dienstag, 14.03.2023, 17:31 Uhr
Tom Weingärtner

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