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Energie & Management > Studien - Klimaneutralität bis 2045 technisch und wirtschaftlich machbar
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Studien

Klimaneutralität bis 2045 technisch und wirtschaftlich machbar

Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Ob sie technisch und ökonomisch überhaupt erreichbar sind, hat das Forschungszentrum Jülich berechnet. Die Antwort lautet: Ja, aber.
In dem im August dieses Jahres in Kraft getretenen verschärften Klimaschutzgesetz verpflichtet sich Deutschland, bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral zu werden. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um 65 % gegenüber 1990 sinken. Ist das noch machbar? Und was wird es kosten? Jülicher Systemforscher haben analysiert, was nötig ist, um diese ambitionierten Ziele zu erreichen – und zwar so kostengünstig wie möglich.

Die Analysen der Jülicher Systemforscher zeigen, dass es in der Tat möglich ist, Treibhausgasneutralität bis 2045 in Deutschland zu realisieren, sowohl technisch als auch ökonomisch. Leicht wird es aber nicht: „Gegenüber den bisherigen Minderungszielen stellen die neuen Ziele des Klimaschutzgesetzes eine Zäsur dar“, erklärt Prof. Detlef Stolten, Direktor des Jülicher Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse. „Sie erfordern eine Veränderungsdynamik, die sich grundlegend von der Entwicklung der vergangenen Jahre unterscheidet. Notwendig ist das unverzügliche Einleiten von Maßnahmen in allen Sektoren.“

Wie die Wege zur Treibhausgasneutralität konkret aussehen könnten, haben die Jülicher Systemforscher in monatelangen Berechnungen mit speziell für diesen Zweck erstellten Computermodellen herausgefunden. In ihrer Studie legen sie eine fundierte Analyse der nötigen Maßnahmen vor – bis ins Detail: von regionalen Windkraft- und Photovoltaik-Ausbaumöglichkeiten bis hin zu zukünftigen internationalen Import- und Exportvernetzungen.

Das sind zentrale Erkenntnisse der Studie:
  • Die Ablösung fossiler Energieträger führt zu einer zunehmenden Elektrifizierung in allen Sektoren und bedeutet einen zukünftig deutlich höheren Stromverbrauch. Dieser werde sich von etwa 546 Mrd. kWh 2020 auf etwa 1216 Mrd. kWh im Jahr 2045 mehr als verdoppeln.
  • Dafür erforderlich ist eine Vervierfachung der heutigen Onshore-Windkapazitäten, wofür über den gesamten Betrachtungszeitraum jährliche Zubauraten von etwa 6.300 MW erforderlich sind. Stolten: „Im Vergleich zu heute werden zukünftige Anlagen größer sein, daher muss dafür die insgesamt benötigte Anzahl nur leicht erhöht werden.“
  • Um eine CO2-freie Stromerzeugung zu erreichen, ist darüber hinaus über den gesamten Zeitraum im Durchschnitt eine jährliche Zubaurate von ca. 15.800 MW bei Photovoltaik erforderlich. Das stellt mehr als eine Verdreifachung des Zubaus von 2020 in Höhe von 4.900 MW dar.
  • In einigen Sektoren wie der Industrie ist der Einsatz von Wasserstoff alternativlos. Die Analysen zeigen, dass bereits 2030 etwa 3,1 Mio. t Wasserstoff benötigt werden. Dieser Bedarf steigt bis 2045 auf rund 12 Mio. t. Knapp die Hälfte davon wird importiert werden müssen. 
  • Einsparung von Energie in allen Sektoren ist ein weiterer Baustein. Die Modelle der Jülicher Wissenschaftler zeigen, dass sich der Endenergieverbrauch allein durch Maßnahmen wie Dämmung, Wärmepumpen oder auch effizientere Haushaltsgeräte um knapp ein Drittel vermindern lässt.
  • Die im Jahr 2045 verbleibenden Treibhausgasemissionen sind im Wesentlichen durch Restemissionen der Landwirtschaft und der Industrie geprägt. Um Treibhausgasneutralität zu erreichen, müssen sie durch den Entzug von Kohlenstoff aus der Atmosphäre mit anschließender Speicherung kompensiert werden. Der jährliche CO2-Speicherbedarf liegt in einer Bandbreite von 50 bis 90 Mio. t.
  • Der Umbau des gesamten Energiesystems bedeutet enorme Herausforderungen in nahezu allen Bereichen. Die Mehrkosten bis zum Jahr 2045 liegen bei etwa 1014 Milliarden Euro oder einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von etwa 1,2 %.
„Dies sind offensichtlich nennenswerte Mehrkosten“, so Detlef Stolten, „sie sind jedoch sowohl planbar als auch überschaubar sowie finanziell tragbar." Zum Vergleich: die Kosten für importe fossile Energieträger lagen im deutlich kürzeren Zeitraum 2003 bis 2018 etwa in der gleichen Höhe. Die Summe entspricht CO2-Vermeidungskosten von durchschnittlich 132 Euro pro Tonne. Nachträgliche Anpassungskosten an den Klimawandel dürften um ein Vielfaches höher ausfallen, so der Forscher. 

Zumal die Transformation neben der Klimaneutralität auch noch andere positive Effekte mitbringt: Durch den Umbau der Energieversorgung sinkt der Energieverbrauch bis 2045 um etwa 40 %. Damit verringern sich auch die Energieimporte, von ungefähr 74 % heute auf etwa 22 % im Jahr 2045. Neben dem wirtschaftlichen Vorteil ergibt sich daraus ein geopolitischer Pluspunkt: Die Abhängigkeit von zukünftigen Energieimportländern verringert sich, ebenso wie die Preisrisiken internationaler Energiemärkte.

Die Studie Neue Ziele auf alten Wegen? kann in einer Kurzfassung von der Webseite des Forschungszentrums Jülich heruntergeladen werden.

Mittwoch, 3.11.2021, 14:28 Uhr
Peter Koller
Energie & Management > Studien - Klimaneutralität bis 2045 technisch und wirtschaftlich machbar
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Studien
Klimaneutralität bis 2045 technisch und wirtschaftlich machbar
Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Ob sie technisch und ökonomisch überhaupt erreichbar sind, hat das Forschungszentrum Jülich berechnet. Die Antwort lautet: Ja, aber.
In dem im August dieses Jahres in Kraft getretenen verschärften Klimaschutzgesetz verpflichtet sich Deutschland, bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral zu werden. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um 65 % gegenüber 1990 sinken. Ist das noch machbar? Und was wird es kosten? Jülicher Systemforscher haben analysiert, was nötig ist, um diese ambitionierten Ziele zu erreichen – und zwar so kostengünstig wie möglich.

Die Analysen der Jülicher Systemforscher zeigen, dass es in der Tat möglich ist, Treibhausgasneutralität bis 2045 in Deutschland zu realisieren, sowohl technisch als auch ökonomisch. Leicht wird es aber nicht: „Gegenüber den bisherigen Minderungszielen stellen die neuen Ziele des Klimaschutzgesetzes eine Zäsur dar“, erklärt Prof. Detlef Stolten, Direktor des Jülicher Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse. „Sie erfordern eine Veränderungsdynamik, die sich grundlegend von der Entwicklung der vergangenen Jahre unterscheidet. Notwendig ist das unverzügliche Einleiten von Maßnahmen in allen Sektoren.“

Wie die Wege zur Treibhausgasneutralität konkret aussehen könnten, haben die Jülicher Systemforscher in monatelangen Berechnungen mit speziell für diesen Zweck erstellten Computermodellen herausgefunden. In ihrer Studie legen sie eine fundierte Analyse der nötigen Maßnahmen vor – bis ins Detail: von regionalen Windkraft- und Photovoltaik-Ausbaumöglichkeiten bis hin zu zukünftigen internationalen Import- und Exportvernetzungen.

Das sind zentrale Erkenntnisse der Studie:
  • Die Ablösung fossiler Energieträger führt zu einer zunehmenden Elektrifizierung in allen Sektoren und bedeutet einen zukünftig deutlich höheren Stromverbrauch. Dieser werde sich von etwa 546 Mrd. kWh 2020 auf etwa 1216 Mrd. kWh im Jahr 2045 mehr als verdoppeln.
  • Dafür erforderlich ist eine Vervierfachung der heutigen Onshore-Windkapazitäten, wofür über den gesamten Betrachtungszeitraum jährliche Zubauraten von etwa 6.300 MW erforderlich sind. Stolten: „Im Vergleich zu heute werden zukünftige Anlagen größer sein, daher muss dafür die insgesamt benötigte Anzahl nur leicht erhöht werden.“
  • Um eine CO2-freie Stromerzeugung zu erreichen, ist darüber hinaus über den gesamten Zeitraum im Durchschnitt eine jährliche Zubaurate von ca. 15.800 MW bei Photovoltaik erforderlich. Das stellt mehr als eine Verdreifachung des Zubaus von 2020 in Höhe von 4.900 MW dar.
  • In einigen Sektoren wie der Industrie ist der Einsatz von Wasserstoff alternativlos. Die Analysen zeigen, dass bereits 2030 etwa 3,1 Mio. t Wasserstoff benötigt werden. Dieser Bedarf steigt bis 2045 auf rund 12 Mio. t. Knapp die Hälfte davon wird importiert werden müssen. 
  • Einsparung von Energie in allen Sektoren ist ein weiterer Baustein. Die Modelle der Jülicher Wissenschaftler zeigen, dass sich der Endenergieverbrauch allein durch Maßnahmen wie Dämmung, Wärmepumpen oder auch effizientere Haushaltsgeräte um knapp ein Drittel vermindern lässt.
  • Die im Jahr 2045 verbleibenden Treibhausgasemissionen sind im Wesentlichen durch Restemissionen der Landwirtschaft und der Industrie geprägt. Um Treibhausgasneutralität zu erreichen, müssen sie durch den Entzug von Kohlenstoff aus der Atmosphäre mit anschließender Speicherung kompensiert werden. Der jährliche CO2-Speicherbedarf liegt in einer Bandbreite von 50 bis 90 Mio. t.
  • Der Umbau des gesamten Energiesystems bedeutet enorme Herausforderungen in nahezu allen Bereichen. Die Mehrkosten bis zum Jahr 2045 liegen bei etwa 1014 Milliarden Euro oder einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von etwa 1,2 %.
„Dies sind offensichtlich nennenswerte Mehrkosten“, so Detlef Stolten, „sie sind jedoch sowohl planbar als auch überschaubar sowie finanziell tragbar." Zum Vergleich: die Kosten für importe fossile Energieträger lagen im deutlich kürzeren Zeitraum 2003 bis 2018 etwa in der gleichen Höhe. Die Summe entspricht CO2-Vermeidungskosten von durchschnittlich 132 Euro pro Tonne. Nachträgliche Anpassungskosten an den Klimawandel dürften um ein Vielfaches höher ausfallen, so der Forscher. 

Zumal die Transformation neben der Klimaneutralität auch noch andere positive Effekte mitbringt: Durch den Umbau der Energieversorgung sinkt der Energieverbrauch bis 2045 um etwa 40 %. Damit verringern sich auch die Energieimporte, von ungefähr 74 % heute auf etwa 22 % im Jahr 2045. Neben dem wirtschaftlichen Vorteil ergibt sich daraus ein geopolitischer Pluspunkt: Die Abhängigkeit von zukünftigen Energieimportländern verringert sich, ebenso wie die Preisrisiken internationaler Energiemärkte.

Die Studie Neue Ziele auf alten Wegen? kann in einer Kurzfassung von der Webseite des Forschungszentrums Jülich heruntergeladen werden.

Mittwoch, 3.11.2021, 14:28 Uhr
Peter Koller

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