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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe - Klein, fein und ostfriesisch
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Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe

Klein, fein und ostfriesisch

Dank der Kontakte seines mittlerweile zweiten niederländischen Eigentümers hofft der Kleinwindhersteller Bestwatt auf vermehrte Aufträge für die eigenen 10- und 30-kW-Anlagen.
Wer an Ostfriesland und Windenergie denkt, der kommt an Enercon nicht vorbei. Jahrzehntelang hat der Windturbinenhersteller den deutschen Windmarkt dominiert. Sichtbar ist diese langjährige Erfolgsgeschichte auch am Stammsitz in Aurich: Entstanden mehr oder weniger in einer Garage hat sich die Produktionsfläche, verteilt über die gesamte Stadt, um Zigtausende Quadratmeter vergrößert.

Enercon ist mit deutlichem Abstand der größte, aber nicht der einzige Windturbinenhersteller in Ostfriesland. In einem Gewerbegebiet im Westen der Kreisstadt Leer hat die Bestwatt B.V. ihr Domizil. Bestwatt ist im Vergleich zu Enercon in einer ganz anderen Liga unterwegs, nicht nur gemessen an den Produktionskapazitäten: Der kleine Hersteller produziert getriebelose, drehzahlvariable Windturbinen mit gut 10 und 30 kW Leistung.

Genau für diese 10-kW-Anlagen wird an diesem Vormittag bei Bestwatt gewerkelt. Und zwar an gleich sechs Schaltschränken: „Wenn die Anlagen komplett fertig sind, liefern wir sie in die Niederlande“, sagt Betriebsleiter Michael Rindsland, „dort spüren wir eine gestiegene Nachfrage nach diesem Modell.“

Der erste Verkauf datiert aus dem Jahr 2012

Mit dem Nachbarland hat der Kleinwindhersteller seit Jahren eine besondere Beziehung. Als Aircon GmbH ist das Unternehmen Anfang der 2000er-Jahre gegründet worden. 2012 übernahm der niederländische Landtechnikhersteller Lely die kleine ostfriesische Windschmiede. Kein ungeschickter Schachzug: Denn Lely zählt weltweit zu den führenden Herstellern beim Melkroboterbau, weshalb die kleinen Anlagen aus Leer in den vergangenen Jahren vor allem gut bei Milchviehhaltern ankamen. Allerdings beschränkte sich Lelys Vertrieb allzu sehr auf die Milchviehwirtschaft, was die Wachstumschancen schmälerte.
 
Michael Rindsland: „Die Ãœbernahme durch Bettink hat uns gutgetan“
Foto: Ralf Köpke

Der Agrartechnikhersteller hat sich in den zurückliegenden Jahren neu aufgestellt und sich von einigen Aktivitäten getrennt, unter anderem von der Kleinwindsparte. Dieses Geschäftsfeld blieb allerdings in niederländischer Hand, und zwar beim Bettink Service Team (mittlerweile umbenannt in Rengineers B.V.).

Dessen Gründer Joop Bettink ist in der Oranje-Windbranche kein Unbekannter: 1996 begann er in Barneveld, Heimatstadt des bekanntesten niederländischen Windturbinenherstellers Lagerwey (Ende 2017 von Enercon übernommen), mit dem Service kleinerer Windturbinen. Heute ist Bettink mit seinen Serviceteams europaweit für die ganz großen Anlagen unterwegs und entsprechend gut vernetzt.

Mit dem Kauf von Lely Aircon (so der offizielle Markenname für einige Jahre) gehört Joop Bettink seit dem Frühjahr 2019 auch zur Garde der Windturbinenhersteller. Das Fertigungswerk seines neuen Tochterunternehmens, das er in Bestwatt umbenannte, beließ er in Leer. Dort umfasst die Belegschaft heute gut zehn Mitarbeiter, die Hälfte davon ist in der Produktion tätig.

„Wir können nun professionelle Service- und Wartungsangebote machen“

„Die Ãœbernahme durch Bettink hat uns gutgetan“, resümiert Betriebsleiter Rindsland, seit 2018 im Unternehmen, „wir haben dadurch unser Absatzgebiet vergrößern und neue Kunden gewinnen können.“ Maximilian Schäfer, der bereits seit 2014 als Vertriebsleiter ständig auf Kundensuche für die ostfriesischen Kleinwindanlagen ist, sieht noch ein weiteres Plus: „Dank des langjährigen Know-hows von Rengineers können wir unseren Betreibern mittlerweile professionelle Service- und Wartungsangebote machen.“
 
Seltenheit: Zwei Bestwatt-Anlagen wie am Stadtrand von Leer an einem Standort
Foto: Ralf Köpke

Zufrieden ist Schäfer mit der technischen Optimierung der 10-kW-Anlage, die mit der Rengineers-Übernahme eingeleitet worden ist. Dieses Modell hat die ostfriesische Kleinwindschmiede seit Gründung weltweit mehr als 300-mal verkauft, 2015 kam dann die Variante mit 30 kW Leistung dazu. Dabei soll es nicht bleiben, aktuell ist eine leistungsstärkere Anlage mit einem größeren Rotordurchmesser in Planung. Wohin die Reise geht, darüber schweigt sich Schaefer aber noch aus.

Für dieses Jahr erwartet der Bestwatt-Vertriebsleiter einen Absatz von gut 60 Anlagen. Viele davon werden wieder an Kunden in den Niederlanden geliefert: „Dort gibt es zwar auch keine besseren Vergütungen als in Deutschland, aber mit den Genehmigungen tun sich die Niederländer wesentlich leichter.“ Hierzulande haben willige Kleinwindbetreiber „nach wie vor mit erheblichem Widerstand vonseiten vieler Bauämter zu kämpfen“. Ernüchternder Kommentar von Schaefer: „Das alles hat wenig mit Energiewende zu tun, da werden Antragstellern oft viele Knüppel zwischen die Beine geworfen.“

Nicht nur den aufwendigen Genehmigungsprozess sieht Schaefers Kollege Michael Rindsland als große Hürde für den Ausbau der Kleinwindtechnologie hierzulande. Er verweist auch auf die VDE-Einspeiserichtlinien 4105 und 4110: „In Sachen Netzverträglichkeit, bei Ãœber- und Unterspannung haben wir zum Teil die gleichen Kriterien zu erfüllen wie die Großwindturbinen.“ Für ihn ein Unding: „Bei der überschaubaren Zahl von kleineren Windturbinen ist mir kein Fall bekannt, bei dem die Stromeinspeisung einer Kleinwindanlage zu einer Netzinstabilität geführt hat.“
Nicht das einzige Ärgernis: Bauämter verlangen für die Genehmigung mitunter umfangreiche Vogel- und Fledermausschutzgutachten, was viel Geld kostet.

Auch Ingo Schild musste vor dem Start seiner Bestwatt-Maschine ein Vogelschutzgutachten erstellen lassen. Der Landwirt aus der friesischen Gemeinde Wangerland dürfte unter allen Bestwatt-Betreibern über den windreichsten Standort verfügen: Seine BW30, so die Typenbezeichnung für die 30-kW-Anlage, steht nur rund 600 Meter von der Nordseeküste entfernt: „Das ist schon ein Starkwindstandort.“

Wenn der Wind mitspielt, dürfte Ingo Schild für jedes Betriebsjahr mit rund 80.000 bis 85.000 kWh rechnen. Seit dem Start der Kleinwindmühle auf einem 42 Meter hohen Gittermast hatte er bis Ende April rund 42.000 kWh auf dem Zähler stehen: „Bis jetzt läuft alles wirklich gut.“
 
In Sichtweite der Nordseeküste steht die Bestwatt-Anlage von Ingo Schild
Foto: Bestwatt B.V.

Was Michael Rindsland im Bestwatt-Werk in Leer gern hört. Zufriedene Kunden sind immer noch die „besten Testimonials“. Angst, neue Kunden im Regen stehen lassen zu müssen, hat Rindsland nicht im Geringsten: „Unsere Halle gibt es her, dass wir die Jahresproduktion mindestens verdoppeln können.“
 

Donnerstag, 8.07.2021, 09:31 Uhr
Ralf Köpke
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe - Klein, fein und ostfriesisch
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Klein, fein und ostfriesisch
Dank der Kontakte seines mittlerweile zweiten niederländischen Eigentümers hofft der Kleinwindhersteller Bestwatt auf vermehrte Aufträge für die eigenen 10- und 30-kW-Anlagen.
Wer an Ostfriesland und Windenergie denkt, der kommt an Enercon nicht vorbei. Jahrzehntelang hat der Windturbinenhersteller den deutschen Windmarkt dominiert. Sichtbar ist diese langjährige Erfolgsgeschichte auch am Stammsitz in Aurich: Entstanden mehr oder weniger in einer Garage hat sich die Produktionsfläche, verteilt über die gesamte Stadt, um Zigtausende Quadratmeter vergrößert.

Enercon ist mit deutlichem Abstand der größte, aber nicht der einzige Windturbinenhersteller in Ostfriesland. In einem Gewerbegebiet im Westen der Kreisstadt Leer hat die Bestwatt B.V. ihr Domizil. Bestwatt ist im Vergleich zu Enercon in einer ganz anderen Liga unterwegs, nicht nur gemessen an den Produktionskapazitäten: Der kleine Hersteller produziert getriebelose, drehzahlvariable Windturbinen mit gut 10 und 30 kW Leistung.

Genau für diese 10-kW-Anlagen wird an diesem Vormittag bei Bestwatt gewerkelt. Und zwar an gleich sechs Schaltschränken: „Wenn die Anlagen komplett fertig sind, liefern wir sie in die Niederlande“, sagt Betriebsleiter Michael Rindsland, „dort spüren wir eine gestiegene Nachfrage nach diesem Modell.“

Der erste Verkauf datiert aus dem Jahr 2012

Mit dem Nachbarland hat der Kleinwindhersteller seit Jahren eine besondere Beziehung. Als Aircon GmbH ist das Unternehmen Anfang der 2000er-Jahre gegründet worden. 2012 übernahm der niederländische Landtechnikhersteller Lely die kleine ostfriesische Windschmiede. Kein ungeschickter Schachzug: Denn Lely zählt weltweit zu den führenden Herstellern beim Melkroboterbau, weshalb die kleinen Anlagen aus Leer in den vergangenen Jahren vor allem gut bei Milchviehhaltern ankamen. Allerdings beschränkte sich Lelys Vertrieb allzu sehr auf die Milchviehwirtschaft, was die Wachstumschancen schmälerte.
 
Michael Rindsland: „Die Ãœbernahme durch Bettink hat uns gutgetan“
Foto: Ralf Köpke

Der Agrartechnikhersteller hat sich in den zurückliegenden Jahren neu aufgestellt und sich von einigen Aktivitäten getrennt, unter anderem von der Kleinwindsparte. Dieses Geschäftsfeld blieb allerdings in niederländischer Hand, und zwar beim Bettink Service Team (mittlerweile umbenannt in Rengineers B.V.).

Dessen Gründer Joop Bettink ist in der Oranje-Windbranche kein Unbekannter: 1996 begann er in Barneveld, Heimatstadt des bekanntesten niederländischen Windturbinenherstellers Lagerwey (Ende 2017 von Enercon übernommen), mit dem Service kleinerer Windturbinen. Heute ist Bettink mit seinen Serviceteams europaweit für die ganz großen Anlagen unterwegs und entsprechend gut vernetzt.

Mit dem Kauf von Lely Aircon (so der offizielle Markenname für einige Jahre) gehört Joop Bettink seit dem Frühjahr 2019 auch zur Garde der Windturbinenhersteller. Das Fertigungswerk seines neuen Tochterunternehmens, das er in Bestwatt umbenannte, beließ er in Leer. Dort umfasst die Belegschaft heute gut zehn Mitarbeiter, die Hälfte davon ist in der Produktion tätig.

„Wir können nun professionelle Service- und Wartungsangebote machen“

„Die Ãœbernahme durch Bettink hat uns gutgetan“, resümiert Betriebsleiter Rindsland, seit 2018 im Unternehmen, „wir haben dadurch unser Absatzgebiet vergrößern und neue Kunden gewinnen können.“ Maximilian Schäfer, der bereits seit 2014 als Vertriebsleiter ständig auf Kundensuche für die ostfriesischen Kleinwindanlagen ist, sieht noch ein weiteres Plus: „Dank des langjährigen Know-hows von Rengineers können wir unseren Betreibern mittlerweile professionelle Service- und Wartungsangebote machen.“
 
Seltenheit: Zwei Bestwatt-Anlagen wie am Stadtrand von Leer an einem Standort
Foto: Ralf Köpke

Zufrieden ist Schäfer mit der technischen Optimierung der 10-kW-Anlage, die mit der Rengineers-Übernahme eingeleitet worden ist. Dieses Modell hat die ostfriesische Kleinwindschmiede seit Gründung weltweit mehr als 300-mal verkauft, 2015 kam dann die Variante mit 30 kW Leistung dazu. Dabei soll es nicht bleiben, aktuell ist eine leistungsstärkere Anlage mit einem größeren Rotordurchmesser in Planung. Wohin die Reise geht, darüber schweigt sich Schaefer aber noch aus.

Für dieses Jahr erwartet der Bestwatt-Vertriebsleiter einen Absatz von gut 60 Anlagen. Viele davon werden wieder an Kunden in den Niederlanden geliefert: „Dort gibt es zwar auch keine besseren Vergütungen als in Deutschland, aber mit den Genehmigungen tun sich die Niederländer wesentlich leichter.“ Hierzulande haben willige Kleinwindbetreiber „nach wie vor mit erheblichem Widerstand vonseiten vieler Bauämter zu kämpfen“. Ernüchternder Kommentar von Schaefer: „Das alles hat wenig mit Energiewende zu tun, da werden Antragstellern oft viele Knüppel zwischen die Beine geworfen.“

Nicht nur den aufwendigen Genehmigungsprozess sieht Schaefers Kollege Michael Rindsland als große Hürde für den Ausbau der Kleinwindtechnologie hierzulande. Er verweist auch auf die VDE-Einspeiserichtlinien 4105 und 4110: „In Sachen Netzverträglichkeit, bei Ãœber- und Unterspannung haben wir zum Teil die gleichen Kriterien zu erfüllen wie die Großwindturbinen.“ Für ihn ein Unding: „Bei der überschaubaren Zahl von kleineren Windturbinen ist mir kein Fall bekannt, bei dem die Stromeinspeisung einer Kleinwindanlage zu einer Netzinstabilität geführt hat.“
Nicht das einzige Ärgernis: Bauämter verlangen für die Genehmigung mitunter umfangreiche Vogel- und Fledermausschutzgutachten, was viel Geld kostet.

Auch Ingo Schild musste vor dem Start seiner Bestwatt-Maschine ein Vogelschutzgutachten erstellen lassen. Der Landwirt aus der friesischen Gemeinde Wangerland dürfte unter allen Bestwatt-Betreibern über den windreichsten Standort verfügen: Seine BW30, so die Typenbezeichnung für die 30-kW-Anlage, steht nur rund 600 Meter von der Nordseeküste entfernt: „Das ist schon ein Starkwindstandort.“

Wenn der Wind mitspielt, dürfte Ingo Schild für jedes Betriebsjahr mit rund 80.000 bis 85.000 kWh rechnen. Seit dem Start der Kleinwindmühle auf einem 42 Meter hohen Gittermast hatte er bis Ende April rund 42.000 kWh auf dem Zähler stehen: „Bis jetzt läuft alles wirklich gut.“
 
In Sichtweite der Nordseeküste steht die Bestwatt-Anlage von Ingo Schild
Foto: Bestwatt B.V.

Was Michael Rindsland im Bestwatt-Werk in Leer gern hört. Zufriedene Kunden sind immer noch die „besten Testimonials“. Angst, neue Kunden im Regen stehen lassen zu müssen, hat Rindsland nicht im Geringsten: „Unsere Halle gibt es her, dass wir die Jahresproduktion mindestens verdoppeln können.“
 

Donnerstag, 8.07.2021, 09:31 Uhr
Ralf Köpke

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