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Energie & Management > Stromnetz - KIT-Forscher entwickeln Tool zur Vermeidung von Braess-Paradoxon
Quelle: Pixabay / Gerd Altmann
Stromnetz

KIT-Forscher entwickeln Tool zur Vermeidung von Braess-Paradoxon

Der Auf- und Ausbau von Leitungen kann das Stromnetz destabilisieren. Mit einem neuen Vorhersageinstrument soll das verhindert werden.
Rüsten Netzbetreiber ihre Leitungen auf oder bauen neue Leitungen, tun sie das, um die Stromnetze stabiler machen und die Stromversorgung zu sichern. Doch nicht immer gelingt das, denn manchmal greift das Braess-Paradoxon: Tatsächlich kann es passieren, dass das Netz durch den Ausbau nicht stabiler, sondern instabiler wird und es zu Stromausfällen kommt. Das Phänomen hat nun ein internationales Team, an dem auch Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beteiligt waren, erstmals im Detail für Stromnetze untersucht.

Dabei simulierten sie das deutsche Stromnetz einschließlich geplanter Verstärkungen und Ausbauten. Bei einem Versuchsaufbau im Labor, der das Braess-Paradoxon in einem Wechselstromnetz zeigt, beobachteten die Forschenden das Phänomen in der Simulation sowie im Experiment.

Wesentlich dabei war eine Betrachtung von Kreisflüssen. Denn diese sind entscheidend, um das Braess-Paradoxon zu verstehen: Eine Leitung wird verbessert, indem beispielsweise der Widerstand verringert wird, und kann daraufhin mehr Strom transportieren. „Aufgrund von Erhaltungssätzen gibt es dadurch effektiv einen neuen Kreisfluss, und in manchen Leitungen fließt mehr, in anderen weniger Strom“, so Benjamin Schäfer, Leiter der Forschungsgruppe Datengetriebene Analyse komplexer Systeme (DRACOS) am Institut für Automation und angewandte Informatik des KIT. „Zum Problem wird dies, wenn die schon am meisten belastete Leitung nun noch mehr Strom führen muss, die Leitung damit überlastet wird und stillgelegt werden muss. Dadurch wird das Netz instabiler und bricht schlimmstenfalls zusammen.“

Leitlinien für die Netzplanung

Die meisten Stromnetze verfügten über ausreichende Reservekapazitäten, um dem Braess-Paradoxon standzuhalten. Seien allerdings kurzfristig Entscheidungen zu treffen, beispielsweise um Leitungen stillzulegen oder Kraftwerksleistungen zu verschieben, genüge die Zeit nicht immer, um alle Szenarien durchzurechnen. „Dann bedarf es eines intuitiven Verständnisses von Kreisflüssen, um einschätzen zu können, wann das Braess-Paradoxons auftritt und so schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen“, sagt Schäfer.

Zusammen mit einem internationalen und interdisziplinären Team hat der Wissenschaftler deshalb ein Vorhersageinstrument entwickelt, das Netzbetreiber dabei unterstützt, das Braess-Paradoxon bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Forschung lieferten praktische Leitlinien, um Netzerweiterungen sinnvoll zu planen und die Stabilität des Netzes zu unterstützen, so Schäfer.

Benannt ist das Phänomen nach dem deutschen Mathematiker Dietrich Braess, der es 1968 im Straßenverkehrsnetz beobachtete: Unter bestimmten Bedingungen kann der Neubau einer Straße, also eine Erweiterung der Kapazität des Netzes, den Verkehrsfluss bei gleichem Verkehrsaufkommen verschlechtern. Dann nämlich, wenn die neue Strecke eine Abkürzung für viele Fahrer bietet, gleichzeitig aber so ungünstig gewählt ist, dass sie Engstellen miteinander verbindet, die zuvor von vielen umfahren wurden.

Für Stromnetze wurde der Effekt ebenfalls bereits beschrieben und als Herausforderung für den Ausbau insbesondere dezentraler Netze identifiziert, bislang aber nur in kleinem Maßstab dargestellt.

Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift Nature Communications unter dem Titel "Understanding Braess' Paradox in power grids". veröffentlicht.

Donnerstag, 29.09.2022, 12:33 Uhr
Katia Meyer-Tien
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Der Auf- und Ausbau von Leitungen kann das Stromnetz destabilisieren. Mit einem neuen Vorhersageinstrument soll das verhindert werden.
Rüsten Netzbetreiber ihre Leitungen auf oder bauen neue Leitungen, tun sie das, um die Stromnetze stabiler machen und die Stromversorgung zu sichern. Doch nicht immer gelingt das, denn manchmal greift das Braess-Paradoxon: Tatsächlich kann es passieren, dass das Netz durch den Ausbau nicht stabiler, sondern instabiler wird und es zu Stromausfällen kommt. Das Phänomen hat nun ein internationales Team, an dem auch Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beteiligt waren, erstmals im Detail für Stromnetze untersucht.

Dabei simulierten sie das deutsche Stromnetz einschließlich geplanter Verstärkungen und Ausbauten. Bei einem Versuchsaufbau im Labor, der das Braess-Paradoxon in einem Wechselstromnetz zeigt, beobachteten die Forschenden das Phänomen in der Simulation sowie im Experiment.

Wesentlich dabei war eine Betrachtung von Kreisflüssen. Denn diese sind entscheidend, um das Braess-Paradoxon zu verstehen: Eine Leitung wird verbessert, indem beispielsweise der Widerstand verringert wird, und kann daraufhin mehr Strom transportieren. „Aufgrund von Erhaltungssätzen gibt es dadurch effektiv einen neuen Kreisfluss, und in manchen Leitungen fließt mehr, in anderen weniger Strom“, so Benjamin Schäfer, Leiter der Forschungsgruppe Datengetriebene Analyse komplexer Systeme (DRACOS) am Institut für Automation und angewandte Informatik des KIT. „Zum Problem wird dies, wenn die schon am meisten belastete Leitung nun noch mehr Strom führen muss, die Leitung damit überlastet wird und stillgelegt werden muss. Dadurch wird das Netz instabiler und bricht schlimmstenfalls zusammen.“

Leitlinien für die Netzplanung

Die meisten Stromnetze verfügten über ausreichende Reservekapazitäten, um dem Braess-Paradoxon standzuhalten. Seien allerdings kurzfristig Entscheidungen zu treffen, beispielsweise um Leitungen stillzulegen oder Kraftwerksleistungen zu verschieben, genüge die Zeit nicht immer, um alle Szenarien durchzurechnen. „Dann bedarf es eines intuitiven Verständnisses von Kreisflüssen, um einschätzen zu können, wann das Braess-Paradoxons auftritt und so schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen“, sagt Schäfer.

Zusammen mit einem internationalen und interdisziplinären Team hat der Wissenschaftler deshalb ein Vorhersageinstrument entwickelt, das Netzbetreiber dabei unterstützt, das Braess-Paradoxon bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Forschung lieferten praktische Leitlinien, um Netzerweiterungen sinnvoll zu planen und die Stabilität des Netzes zu unterstützen, so Schäfer.

Benannt ist das Phänomen nach dem deutschen Mathematiker Dietrich Braess, der es 1968 im Straßenverkehrsnetz beobachtete: Unter bestimmten Bedingungen kann der Neubau einer Straße, also eine Erweiterung der Kapazität des Netzes, den Verkehrsfluss bei gleichem Verkehrsaufkommen verschlechtern. Dann nämlich, wenn die neue Strecke eine Abkürzung für viele Fahrer bietet, gleichzeitig aber so ungünstig gewählt ist, dass sie Engstellen miteinander verbindet, die zuvor von vielen umfahren wurden.

Für Stromnetze wurde der Effekt ebenfalls bereits beschrieben und als Herausforderung für den Ausbau insbesondere dezentraler Netze identifiziert, bislang aber nur in kleinem Maßstab dargestellt.

Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift Nature Communications unter dem Titel "Understanding Braess' Paradox in power grids". veröffentlicht.

Donnerstag, 29.09.2022, 12:33 Uhr
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