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Die Beratung des Klimapaketes der EU ist im Europäischen Parlament ins Stocken geraten. Kernelemente des Paketes wurden in Straßburg an die Ausschüsse zurückverwiesen.
Das Parlament stimmte am 8. Juni über vier Vorschläge der Kommission ab: die Reform des Europäischen Emissionshandels (ETS) einschließlich der Schaffung eines ETS2 für den Verkehr und Gebäude, die Einführung einer Grenzausgleichsabgabe auf den CO2-Gehalt von Importen, genannt CBAM, die Einrichtung eines Klimasozialfonds und die Überarbeitung des Emissionshandels für den Luftverkehr. Dazu lagen den Abgeordneten mehrere hundert Änderungsanträge vor.
Zu jedem Gesetzesvorschlag hatten die Berichterstatter des Parlamentes in den vergangenen Wochen Kompromisse ausgehandelt. Umstritten blieb danach vor allem die Einführung des CBAM und die Zuteilung von Gratiszertifikaten für die Industrie. Nach dem Vorschlag der Kommission sollte der CBAM schrittweise ab 2026 eingeführt werden. Im ersten Jahr hätte die EU nur 10 % der Abgabenlast auf Importe erhoben und diese Belastung bis 2036 auf 100 % erhöht. Parallel dazu sollte die europäische Industrie jedes Jahr zehn Prozent weniger Gratiszertifikate erhalten.
Die Gratiszertifikate, heißt es dazu in Brüssel, sollten die Industrie vor der Konkurrenz aus Ländern schützen, deren Unternehmen weniger durch klimapolitische Vorgaben belastet würden. Diese Rolle werde in Zukunft vom CBAM übernommen, sodass Gratiszertifikate nicht mehr notwendig seien. International würden sie die EU dem Verdacht aussetzen, sich Vorteile gegenüber ihren Handelspartnern zu verschaffen.
Der Umweltausschuss hatte sich darauf verständigt, den CBAM bereits 2025 einzuführen und die Gratiszertifikate bis 2030 abzuschaffen. Der Industrieausschuss wollte den CBAM dagegen erst 2028 einführen und die Gratiszertifikate bis 2034 beibehalten. Diese Position fand im Plenum eine Mehrheit und wurde in den Abschlussbericht des Abgeordneten Peter Liese (CDU) aufgenommen.
"Enttäuscht, aber nicht überrascht"
Daraufhin lehnten Sozialdemokraten, Grüne und Linke, die mit der extremen Rechten eine Mehrheit bildeten, den gesamten Bericht ab. Liese warf den Sozialdemokraten daraufhin vor, sich nicht an ihr Votum im Industrieausschuss gehalten zu haben. Dort hätten die sozialdemokratischen Abgeordneten den Kompromiss mitgetragen. „Die Sozialdemokraten und die Grünen sind ihrer Verantwortung für den Klimaschutz nicht gerecht geworden.“ Sein Vorschlag hätte in vielen Punkten mehr Klimaschutz gebracht als der Vorschlag der Kommission. Der Antrag der Grünen und der Sozialdemokraten, die Emissionen im ETS bis 2030 um 67 % zu senken, sei jedoch angesichts des internationalen Umfeldes „unanständig“.
Er sei „enttäuscht, aber nicht überrascht“, sagte Liese nach der Abstimmung. Viele Abgeordnete hätten kontrovers über Einzelforderungen abgestimmt, ohne zu sehen, dass man sich über 90 % einig geworden sei. Fast alle Anträge, die auf eine klimapolitische Verwässerung seines Berichtes abzielten, seien vom Plenum abgelehnt worden.
Die Grünen, sagte ihr energiepolitischer Sprecher Michael Bloss, lehnten einen „von der fossilen Lobby aufgeweichten Emissionshandel“ ab und könnten Gratiszertifikate nicht unterstützen.
Der Vorsitzende des Umweltausschusses, Pascal Canfin von den Liberalen, kündigte an, man werde die Verhandlungen über einen neuen Kompromiss sofort aufnehmen und so schnell wie möglich erneut im Plenum abstimmen. Die Substanz des Kompromisses zwischen Liberalen und Konservativen solle dabei erhalten bleiben. Sie bestehe darin, die klimapolitische Ambition bis 2030 aufrechtzuerhalten, aber die Belastungen in den nächsten zwei Jahren leicht zu reduzieren, um dem Anstieg der Energiepreise Rechnung zu tragen.
Nach der Zurückweisung des Liese-Berichtes zur Reform des ETS konnte das Parlament die anderen drei oben genannten Berichte nicht mehr behandeln, weil sie in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Refom des ETS stehen. Sie wurden deswegen an die Ausschüsse zurückverwiesen und können erst im Plenum behandelt werden, wenn Klarheit über den Emissionshandel herrscht.
Das gilt auch für die Einführung eines ETS2 für den Verkehr und Gebäude, die Teil des abgelehnten Liese-Berichtes war. Der dazu gefundene Kompromiss, Emissionsrechte nur vom gewerblichen Verkehr und für Gewerbegebäude zu verlangen und private Verbraucher nicht zu belasten, soll allerdings nicht wieder in Frage gestellt werden.
Mittwoch, 8.06.2022, 17:05 Uhr
Tom Weingärtner
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