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Energie & Management > Europaeische Union -
Quelle: Shutterstock, jorisvo
Europaeische Union

"Ja, aber" zum Klimaschutz

Das Klimapaket der EU-Kommission „Fit for 55“ ist im Europäischen Parlament auf Zustimmung gestoßen. Viele Abgeordnete möchten ihren Wählern aber die damit verbundenen Kosten ersparen.

Es war das erste Mal, dass sich die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes mit den Vorschlägen befassten, die die Kommission im Juli vorgelegt hatte und die nach ihrer Ansicht notwendig sind, um das zuvor beschlossene Klimaziel der EU zu erreichen: Der Treibhausgas-Ausstoß soll bis 2030 um 55 % zurückgehen.

Das sei nur möglich, warnte der zuständige Kommissar Frans Timmermans zu Beginn der Debatte, wenn die Abgeordneten vor dem notwendigen Wandel nicht zurückschreckten. Die sozialen Folgen der vorgeschlagenen Maßnahmen dürften nicht gegen die klimapolitischen Notwendigkeiten ausgespielt werden. 

Die allermeisten Abgeordneten begrüßten die Vorschläge der Kommission grundsätzlich. Von wenigen Ausnahmen am rechten Rand abgesehen beschworen fast alle Redner die Dringlichkeit der Klimakrise und die Verantwortung der EU zu handeln. Viele warnten aber gleichzeitig davor, die Bürger und die Unternehmen zu überfordern. Nur die Grünen halten das Paket „Fit for 55“ für unzureichend. „Das Ende des Verbrennungsmotors kann nicht noch einmal um zehn Jahre aufgeschoben werden“, sagte ihre Fraktionsvorsitzende Ska Keller.

Peter Liese (CDU) hob besonders hervor, dass die Kommission erstmals einen sozialen Ausgleich vorschlage: „Kinderreiche Familien und sozial Schwache werden durch hohe Strompreise belastet.“ Es werde aber ein Preissignal benötigt. Statt daran „herumzumäkeln“ sollten es die Kritiker „besser machen“. Mohammed Chahim sicherte Timmermans die uneingeschränkte Unterstützung der Sozialdemokraten für ein „ausgewogenes Ergebnis“ zu.

Mit Unterstützung könne die Kommission auch von der liberalen Fraktion rechnen, ergänzte Pascal Canfin. Canfin ist nicht nur Vorsitzender des federführenden Umweltausschusses, sondern auch eine Art Statthalter des französischen Präsidenten Macron im Europäischen Parlament. Vorbehalte hätten die Liberalen allerdings gegen die Ausweitung des Emissionshandels auf den Verkehr und die Gebäudewirtschaft: „Wir denken, die politischen Kosten dafür sind sehr hoch und der Effekt auf das Klima ist eher gering.“

Gefahr, dass Verbraucher die Zeche zahlt

Widerspruch gegen den ganzen Ansatz der Kommission meldete Paolo Borchia von der italienischen Lega an. Die Kommission verliere kein Wort zu den Kosten ihrer Klimapolitik und ignoriere den Anstieg der Emissionen im Rest der Welt. Seine Fraktionskollegin Catherine Griset sprach von einem „Gesetzgebungs-Tsunamie“, der die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zerstöre und der Kommission neue Zuständigkeiten verschaffe.

Soweit wollte die polnische Abgeordnete von der Regierungspartei PiS, Anna Zalewska, nicht gehen. Es bestehe jedoch die Gefahr, dass am Ende die „Verbraucher die Zeche bezahlen“. Vor allem in Osteuropa lebten schon heute viele Menschen „in Energiearmut“ und ihre Zahl werde sich verdoppeln, wenn die Vorschläge der Kommission umgesetzt würden. Traian Basescu von den rumänischen Konservativen forderte die Kommission auf, eine genaue Analyse der Folgen ihrer Vorschläge für die Preise vorzulegen. Höhere Energiepreise seien nicht nur ungerecht, sondern verschärften auch die Kluft zwischen Stadt und Land. Die Abgeordneten aus Osteuropa erwarten vor allem, dass ihre Wähler für höhere Energiekosten entschädigt werden.

Aber es waren nicht nur die Osteuropäer, die sich vor dem Unmut der Bürger fürchten. Angelika Niebler (CSU) sah, wie die Kommission, „dringenden Handlungsbedarf“ zum Schutz des Klimas. Klimaschutz gebe es auch „nicht zum Nulltarif, aber Energie muss bezahlbar bleiben“. Das gelte nicht nur für die Verbraucher, sondern auch für die Industrie. „Sonst werden wir unsere Unternehmen in andere Regionen der Welt vertreiben.“ Ihre Partei setze auf den Markt und nicht auf Verbote, um Anreize für die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien zu setzen.

Sorge um Wettbewerbsfähigkeit

Die Aussicht, kein attraktiver Standort für die Industrie mehr zu sein, treibt viele Abgeordnete um. Die Vorschläge der Kommission seien zwar „sehr ambitioniert“ sagte der Vorsitzende des Industrieausschusses, Busoi. Die Energiewende müsse aber auch realistisch sein. Die EU dürfe ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht durch zu hohe Energiepreise aufs Spiel setzen.

Die Energiepreise sind aber nicht das einzige Problem für die Wirtschaft. So wies der konservative Abgeordnete Pekkarinen aus Finnland darauf hin, dass selbst wenn die EU-Bürger nur noch Elektrofahrzeuge kauften, 2030 noch 200 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor über die europäischen Straßen fahren. In den Plänen der Kommission vermisst der Finne Maßnahmen, um dafür ausreichend synthetische Kraftstoffe emissionsfrei herzustellen.

Der slowenische Außenminister Anze Logar machte deutlich, dass die Bedenken der Abgeordneten im Ministerrat geteilt werden. Die Mitgliedstaaten würden sich das Paket der Kommission genau daraufhin ansehen, ob die klimapolitischen Ziele erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt gesichert werden. Und weil das alles eine Menge Geld koste, „müssen wir uns genau ansehen, ob die Lasten fair zwischen den einzelnen Sektoren, aber auch zwischen den Mitgliedstaaten und innerhalb der Mitgliedstaaten verteilt werden“. 

Dienstag, 14.09.2021, 14:44 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union -
Quelle: Shutterstock, jorisvo
Europaeische Union
"Ja, aber" zum Klimaschutz

Das Klimapaket der EU-Kommission „Fit for 55“ ist im Europäischen Parlament auf Zustimmung gestoßen. Viele Abgeordnete möchten ihren Wählern aber die damit verbundenen Kosten ersparen.

Es war das erste Mal, dass sich die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes mit den Vorschlägen befassten, die die Kommission im Juli vorgelegt hatte und die nach ihrer Ansicht notwendig sind, um das zuvor beschlossene Klimaziel der EU zu erreichen: Der Treibhausgas-Ausstoß soll bis 2030 um 55 % zurückgehen.

Das sei nur möglich, warnte der zuständige Kommissar Frans Timmermans zu Beginn der Debatte, wenn die Abgeordneten vor dem notwendigen Wandel nicht zurückschreckten. Die sozialen Folgen der vorgeschlagenen Maßnahmen dürften nicht gegen die klimapolitischen Notwendigkeiten ausgespielt werden. 

Die allermeisten Abgeordneten begrüßten die Vorschläge der Kommission grundsätzlich. Von wenigen Ausnahmen am rechten Rand abgesehen beschworen fast alle Redner die Dringlichkeit der Klimakrise und die Verantwortung der EU zu handeln. Viele warnten aber gleichzeitig davor, die Bürger und die Unternehmen zu überfordern. Nur die Grünen halten das Paket „Fit for 55“ für unzureichend. „Das Ende des Verbrennungsmotors kann nicht noch einmal um zehn Jahre aufgeschoben werden“, sagte ihre Fraktionsvorsitzende Ska Keller.

Peter Liese (CDU) hob besonders hervor, dass die Kommission erstmals einen sozialen Ausgleich vorschlage: „Kinderreiche Familien und sozial Schwache werden durch hohe Strompreise belastet.“ Es werde aber ein Preissignal benötigt. Statt daran „herumzumäkeln“ sollten es die Kritiker „besser machen“. Mohammed Chahim sicherte Timmermans die uneingeschränkte Unterstützung der Sozialdemokraten für ein „ausgewogenes Ergebnis“ zu.

Mit Unterstützung könne die Kommission auch von der liberalen Fraktion rechnen, ergänzte Pascal Canfin. Canfin ist nicht nur Vorsitzender des federführenden Umweltausschusses, sondern auch eine Art Statthalter des französischen Präsidenten Macron im Europäischen Parlament. Vorbehalte hätten die Liberalen allerdings gegen die Ausweitung des Emissionshandels auf den Verkehr und die Gebäudewirtschaft: „Wir denken, die politischen Kosten dafür sind sehr hoch und der Effekt auf das Klima ist eher gering.“

Gefahr, dass Verbraucher die Zeche zahlt

Widerspruch gegen den ganzen Ansatz der Kommission meldete Paolo Borchia von der italienischen Lega an. Die Kommission verliere kein Wort zu den Kosten ihrer Klimapolitik und ignoriere den Anstieg der Emissionen im Rest der Welt. Seine Fraktionskollegin Catherine Griset sprach von einem „Gesetzgebungs-Tsunamie“, der die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zerstöre und der Kommission neue Zuständigkeiten verschaffe.

Soweit wollte die polnische Abgeordnete von der Regierungspartei PiS, Anna Zalewska, nicht gehen. Es bestehe jedoch die Gefahr, dass am Ende die „Verbraucher die Zeche bezahlen“. Vor allem in Osteuropa lebten schon heute viele Menschen „in Energiearmut“ und ihre Zahl werde sich verdoppeln, wenn die Vorschläge der Kommission umgesetzt würden. Traian Basescu von den rumänischen Konservativen forderte die Kommission auf, eine genaue Analyse der Folgen ihrer Vorschläge für die Preise vorzulegen. Höhere Energiepreise seien nicht nur ungerecht, sondern verschärften auch die Kluft zwischen Stadt und Land. Die Abgeordneten aus Osteuropa erwarten vor allem, dass ihre Wähler für höhere Energiekosten entschädigt werden.

Aber es waren nicht nur die Osteuropäer, die sich vor dem Unmut der Bürger fürchten. Angelika Niebler (CSU) sah, wie die Kommission, „dringenden Handlungsbedarf“ zum Schutz des Klimas. Klimaschutz gebe es auch „nicht zum Nulltarif, aber Energie muss bezahlbar bleiben“. Das gelte nicht nur für die Verbraucher, sondern auch für die Industrie. „Sonst werden wir unsere Unternehmen in andere Regionen der Welt vertreiben.“ Ihre Partei setze auf den Markt und nicht auf Verbote, um Anreize für die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien zu setzen.

Sorge um Wettbewerbsfähigkeit

Die Aussicht, kein attraktiver Standort für die Industrie mehr zu sein, treibt viele Abgeordnete um. Die Vorschläge der Kommission seien zwar „sehr ambitioniert“ sagte der Vorsitzende des Industrieausschusses, Busoi. Die Energiewende müsse aber auch realistisch sein. Die EU dürfe ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht durch zu hohe Energiepreise aufs Spiel setzen.

Die Energiepreise sind aber nicht das einzige Problem für die Wirtschaft. So wies der konservative Abgeordnete Pekkarinen aus Finnland darauf hin, dass selbst wenn die EU-Bürger nur noch Elektrofahrzeuge kauften, 2030 noch 200 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor über die europäischen Straßen fahren. In den Plänen der Kommission vermisst der Finne Maßnahmen, um dafür ausreichend synthetische Kraftstoffe emissionsfrei herzustellen.

Der slowenische Außenminister Anze Logar machte deutlich, dass die Bedenken der Abgeordneten im Ministerrat geteilt werden. Die Mitgliedstaaten würden sich das Paket der Kommission genau daraufhin ansehen, ob die klimapolitischen Ziele erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt gesichert werden. Und weil das alles eine Menge Geld koste, „müssen wir uns genau ansehen, ob die Lasten fair zwischen den einzelnen Sektoren, aber auch zwischen den Mitgliedstaaten und innerhalb der Mitgliedstaaten verteilt werden“. 

Dienstag, 14.09.2021, 14:44 Uhr
Tom Weingärtner

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