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Energie & Management > Stromnetz - Ist die Kapazitätsanalyse der Netzbetreiber fehlerhaft?
Quelle: Fotolia / Silviu G Halmaghi
Stromnetz

Ist die Kapazitätsanalyse der Netzbetreiber fehlerhaft?

Zwischen der europäischen Regulierungsbehörde Acer und den Übertragungsnetzbetreibern bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob es in der EU genügend Kraftwerke gibt.
Die Regulierer der EU in Ljubljana haben die Analyse von Angebot und Nachfrage elektrischer Leistung ERAA (European Resource Adequacy Assessment), die der Dachverband der Übertragungsnetzbetreiber Entso-E Ende vergangenen Jahres (wir berichteten am 23. November) vorgelegt hatte, zurückgewiesen. In einer Mitteilung von Acer heißt es, die ERAA weise eine Reihe von Mängeln auf, die zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führten.

So unterschätze Entso-E die Rentabilität der vorhandenen Kraftwerke und der Möglichkeiten, die Nachfrage zu beschränken. Auch die Kapazität der Interkonnektoren zwischen den einzelnen Preiszonen sei größer als von Entso-E veranschlagt. Schließlich werde das Potential der Nachfragesteuerung unterschätzt.

Die ERAA 2021 sei deswegen keine geeignete Grundlage für die Identifizierung von Risiken für die Versorgungssicherheit nach der geltenden Energiegesetzgebung „Clean Energy Package“. Sie überschätze die Engpässe, die in den nächsten Jahren auftreten könnten, und könne deswegen zu falschen, politischen Entscheidungen und höheren Kosten für die Verbrauche führen.

Die Regulierer haben allerdings darauf verzichtet, die Analyse von Entso-E zu korrigieren. Ende des Jahres erwartet man in Ljubljana eine „deutlich anspruchsvollere ERAA“. Dafür hat Acer den Ãœbertragungsnetzbetreibern „Empfehlungen“ übermittelt, welche Methoden und Rahmenbedingungen verwendet und wie Entso-E Szenarien entwickeln soll. Das betreffe insbesondere die neuen Vorschläge der Kommission zur Regulierung der Energiemärkte (Fit for 55), die gegenwärtig im Ministerrat und im Europäischen Parlament beraten werden. Es ist allerdings offen, ob sie in der vorliegenden Form auch verabschiedet werden.

Versorgung der meisten Länder weitgehend gesichert

Entso-E wollte sich zu den Vorwürfen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern.
Nach den Schätzungen von Entso-E bleibt die Versorgung in den meisten Ländern der EU bis 2030 weigehend gesichert, wenn auch unwirtschaftliche Anlagen weiter betrieben werden. Engpässe, wo nicht die gesamte Nachfrage gedeckt werden kann, erwarten die Übertragungsnetzbetreiber unter dieser Voraussetzung 2025 nur in Finnland (1,5 h), dem Baltikum, Frankreich (0,9 h), Irland (0,9 h) und Belgien (0,1 h) sowie auf Inseln wie Malta oder in einzelnen Regionen Italiens. Bis 2030 können Frankreich und Italien ihre Versorgungssicherheit verbessern. Dafür könnte die Nachfrage nach Strom in Deutschland, Dänemark, Luxemburg und den Niederlanden an 12 Minuten im Jahr nicht mehr vollständig befriedigt werden.

Berücksichtigt man die Wirtschaftlichkeit der Anlagen, wäre die Versorgungssicherheit 2025 nur noch in wenigen EU-Staaten (Österreich, Ungarn, Teilen von Schweden und Italien) gewährleistet. In Deutschland könnten statistisch 6,8 Stunden lang im Jahr nicht alle Kunden beliefert werden, in Frankreich wären es 4,8 und in Tschechien sogar 15 Stunden.

Diese Situation könnte durch die Aktivierung von Kapazitätsmechanismen (CM) nicht durchgreifend verbessert werden. In Deutschland würde dann immer noch 5,3 Stunden lang nicht genug Strom erzeugt, in Polen wären es 3,5 und in Frankreich 2,8 Stunden.

Geht man davon aus, dass bis 2025 in der gesamten EU 22.000 MW und bis 2030 etwa 35.000 MW fossile Kraftwerksleistung − aus politischen oder regulatorischen Gründen − vom Netz gehen, dann wäre die Versorgungssicherheit ebenfalls nicht mehr gewährleistet. Im Jahr 2025 wäre die Situation aber besser als bei Betrachtung der Wirtschaftlichkeit (mit und ohne CM). 2030 müsste allerdings in fast allen Ländern nördlich der Alpen mit vorübergehenden Engpässen gerechnet werden, in Deutschland wären es 3,3 Stunden.

Montag, 28.02.2022, 14:01 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Stromnetz - Ist die Kapazitätsanalyse der Netzbetreiber fehlerhaft?
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Ist die Kapazitätsanalyse der Netzbetreiber fehlerhaft?
Zwischen der europäischen Regulierungsbehörde Acer und den Übertragungsnetzbetreibern bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob es in der EU genügend Kraftwerke gibt.
Die Regulierer der EU in Ljubljana haben die Analyse von Angebot und Nachfrage elektrischer Leistung ERAA (European Resource Adequacy Assessment), die der Dachverband der Übertragungsnetzbetreiber Entso-E Ende vergangenen Jahres (wir berichteten am 23. November) vorgelegt hatte, zurückgewiesen. In einer Mitteilung von Acer heißt es, die ERAA weise eine Reihe von Mängeln auf, die zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führten.

So unterschätze Entso-E die Rentabilität der vorhandenen Kraftwerke und der Möglichkeiten, die Nachfrage zu beschränken. Auch die Kapazität der Interkonnektoren zwischen den einzelnen Preiszonen sei größer als von Entso-E veranschlagt. Schließlich werde das Potential der Nachfragesteuerung unterschätzt.

Die ERAA 2021 sei deswegen keine geeignete Grundlage für die Identifizierung von Risiken für die Versorgungssicherheit nach der geltenden Energiegesetzgebung „Clean Energy Package“. Sie überschätze die Engpässe, die in den nächsten Jahren auftreten könnten, und könne deswegen zu falschen, politischen Entscheidungen und höheren Kosten für die Verbrauche führen.

Die Regulierer haben allerdings darauf verzichtet, die Analyse von Entso-E zu korrigieren. Ende des Jahres erwartet man in Ljubljana eine „deutlich anspruchsvollere ERAA“. Dafür hat Acer den Ãœbertragungsnetzbetreibern „Empfehlungen“ übermittelt, welche Methoden und Rahmenbedingungen verwendet und wie Entso-E Szenarien entwickeln soll. Das betreffe insbesondere die neuen Vorschläge der Kommission zur Regulierung der Energiemärkte (Fit for 55), die gegenwärtig im Ministerrat und im Europäischen Parlament beraten werden. Es ist allerdings offen, ob sie in der vorliegenden Form auch verabschiedet werden.

Versorgung der meisten Länder weitgehend gesichert

Entso-E wollte sich zu den Vorwürfen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern.
Nach den Schätzungen von Entso-E bleibt die Versorgung in den meisten Ländern der EU bis 2030 weigehend gesichert, wenn auch unwirtschaftliche Anlagen weiter betrieben werden. Engpässe, wo nicht die gesamte Nachfrage gedeckt werden kann, erwarten die Übertragungsnetzbetreiber unter dieser Voraussetzung 2025 nur in Finnland (1,5 h), dem Baltikum, Frankreich (0,9 h), Irland (0,9 h) und Belgien (0,1 h) sowie auf Inseln wie Malta oder in einzelnen Regionen Italiens. Bis 2030 können Frankreich und Italien ihre Versorgungssicherheit verbessern. Dafür könnte die Nachfrage nach Strom in Deutschland, Dänemark, Luxemburg und den Niederlanden an 12 Minuten im Jahr nicht mehr vollständig befriedigt werden.

Berücksichtigt man die Wirtschaftlichkeit der Anlagen, wäre die Versorgungssicherheit 2025 nur noch in wenigen EU-Staaten (Österreich, Ungarn, Teilen von Schweden und Italien) gewährleistet. In Deutschland könnten statistisch 6,8 Stunden lang im Jahr nicht alle Kunden beliefert werden, in Frankreich wären es 4,8 und in Tschechien sogar 15 Stunden.

Diese Situation könnte durch die Aktivierung von Kapazitätsmechanismen (CM) nicht durchgreifend verbessert werden. In Deutschland würde dann immer noch 5,3 Stunden lang nicht genug Strom erzeugt, in Polen wären es 3,5 und in Frankreich 2,8 Stunden.

Geht man davon aus, dass bis 2025 in der gesamten EU 22.000 MW und bis 2030 etwa 35.000 MW fossile Kraftwerksleistung − aus politischen oder regulatorischen Gründen − vom Netz gehen, dann wäre die Versorgungssicherheit ebenfalls nicht mehr gewährleistet. Im Jahr 2025 wäre die Situation aber besser als bei Betrachtung der Wirtschaftlichkeit (mit und ohne CM). 2030 müsste allerdings in fast allen Ländern nördlich der Alpen mit vorübergehenden Engpässen gerechnet werden, in Deutschland wären es 3,3 Stunden.

Montag, 28.02.2022, 14:01 Uhr
Tom Weingärtner

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