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Energie & Management > Österreich - Interessenvertreter werben für Alternativen zu russischem Gas
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich

Interessenvertreter werben für Alternativen zu russischem Gas

Die Windkraftbranche will den Strom aus Gaskraftwerken durch solchen aus Windparks ersetzen. Die Gaswirtschaft plädiert einmal mehr für „grüne Gase“ für Heizzwecke.
Angesichts der Bestrebungen der österreichischen Bundesregierung, so bald und so weit wie möglich auf Gasimporte aus Russland zu verzichten, werben Interessenvertretungen im Energiesektor für ihre jeweiligen Technologien. Am 15. März etwa konstatierte der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft (IG) Windkraft, Stefan Moidl, seine Klientel könne grundsätzlich rund 83 Mrd. kWh Strom pro Jahr bereitstellen. Das reiche rechnerisch aus, um den gesamten Strombedarf Österreichs zu decken.

Gaskraftwerke seien damit zumindest auf längere Sicht nicht mehr notwendig, womit sich auch der Bedarf am Import von Erdgas oder sonstigen gasförmigen Energieträgern verringere. Nach Angaben der Regulierungsbehörde E-Control wurden 2020 in Österreich rund 10,01 Mrd. kWh Strom in Gaskraftwerken erzeugt. Die Stromproduktion der Windparks belief sich auf etwa 6,79 Mrd. kWh. Moidl konstatierte gegenüber der Redaktion, zur Kompensation witterungsbedingter Schwankungen der Stromerzeugung der Windparks seien „noch für etwa fünf Jahre lang“ Gaskraftwerke nötig: „In 15 Jahren brauchen wir sie aber nicht mehr.“ 

Bei seiner Argumentation stützt sich Moidl im Wesentlichen auf den Österreichischen Windenergieatlas, der ein technisches Potenzial von 33.000 MW an installierbarer Leistung ausweist. Auf Nachfrage der Redaktion räumte Moidl ein, dass der Atlas vor elf Jahren erschien und dessen Aktualisierung daher wohl ratsam wäre. Er betonte jedoch, die Potenziale seien „sicher nicht niedriger“ als die damals erhobenen und von ihm nun neuerlich ins Treffen geführten. Nicht zuletzt habe es ja erhebliche technische Fortschritte gegeben.

Bis wann die 33.000 MW ausgeschöpft werden könnten, ließ Moidl trotz Nachfrage offen. Anhängig sei das insbesondere von den Rahmenbedingungen für den Windkraftausbau und damit vom Willen der Politik, vor allem der Bundesländer, die für die Genehmigungsverfahren zuständig sind. Moidl zufolge wäre der von ihm angestrebte Ausbau indessen „keine Hexerei. Wenn wir wollen, bauen wir eben bis 2035 oder 2040“. Er verwies auf das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das bis einschließlich 2030, also innerhalb der kommenden acht Jahre, die Installation von Windrädern mit etwa 1.000 MW Gesamtleistung vorsieht. Gelänge dies, so beliefe sich die Kapazität der Windräder in Österreich auf etwa 4.350 MW. Um auf 33.000 MW zu kommen, müssten somit weitere 28.650 MW realisiert werden. Beim derzeitigen Ausbautempo wären dafür ab 2030 etwas mehr als 28,5 Jahre zu veranschlagen. Folglich könnte Moidls Ziel um das Jahr 2060 erreicht werden.

Genug Biogas

Ebenfalls am 15. März veröffentlichte die „Allianz für Grünes Gas“ einen „offenen Brief“ an Bundeskanzler Karl Nehammer (Österreichische Volkspartei, ÖVP), Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) sowie die neun österreichischen Landeshauptleute und die für Energie zuständigen Mitglieder der Landesregierungen. Darin heißt es einmal mehr, Österreich verfüge „über ein Biogaspotenzial auf Reststoffbasis von bis zu vier Milliarden m3, also ein Vielfaches der Menge, die im Raumwärmebereich benötigt wird“. Das Heben dieses Potenzials könne „einen entscheidenden Beitrag zur Unabhängigkeit von Energieimporten leisten. Gleichzeitig können wir damit schnell und nachhaltig unsere ambitionierten Klimaziele erreichen“.

Nicht sinnvoll sei daher das von Gewessler geplante generelle Verbot der Nutzung gasförmiger Energieträger für Heizzwecke. Denn für den CO2-Ausstoß „ist nicht das Heizsystem entscheidend, sondern der eingesetzte Brennstoff. Die Umstellung bestehender Gasheizungen auf Biomethan ist meist die einfachste, schnellste und günstigste Form der Dekarbonisierung des Raumwärmemarkts. Daher treten wir für Technologieoffenheit und den Wettstreit der besten und kosteneffizientesten Ideen ein“.

Detail am Rande: Mitglied der „Allianz für Grünes Gas“ sind neben mehreren Regional- sowie Spartenvertretungen der Wirtschaftskammer Österreich, Heizungsanbietern und Gasnetzbetreibern die Wiener Stadtwerke. Ob das auf das Wohlwollen der Stadt- und Landespolitiker stößt, ist nicht sicher. Ende Januar präsentierten Spitzenpolitiker der Stadt Wien ihren „Wiener Klimafahrplan“, der den direkten Einsatz „grüner Gase“ im Raumwärmesektor ab 2040 ausdrücklich nicht mehr vorsieht. Vielmehr sollen derartige Gase ausschließlich zur Befeuerung der Wiener Kraft-Wärme-Kopplungen genutzt werden.

Dienstag, 15.03.2022, 15:01 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Interessenvertreter werben für Alternativen zu russischem Gas
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Österreich
Interessenvertreter werben für Alternativen zu russischem Gas
Die Windkraftbranche will den Strom aus Gaskraftwerken durch solchen aus Windparks ersetzen. Die Gaswirtschaft plädiert einmal mehr für „grüne Gase“ für Heizzwecke.
Angesichts der Bestrebungen der österreichischen Bundesregierung, so bald und so weit wie möglich auf Gasimporte aus Russland zu verzichten, werben Interessenvertretungen im Energiesektor für ihre jeweiligen Technologien. Am 15. März etwa konstatierte der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft (IG) Windkraft, Stefan Moidl, seine Klientel könne grundsätzlich rund 83 Mrd. kWh Strom pro Jahr bereitstellen. Das reiche rechnerisch aus, um den gesamten Strombedarf Österreichs zu decken.

Gaskraftwerke seien damit zumindest auf längere Sicht nicht mehr notwendig, womit sich auch der Bedarf am Import von Erdgas oder sonstigen gasförmigen Energieträgern verringere. Nach Angaben der Regulierungsbehörde E-Control wurden 2020 in Österreich rund 10,01 Mrd. kWh Strom in Gaskraftwerken erzeugt. Die Stromproduktion der Windparks belief sich auf etwa 6,79 Mrd. kWh. Moidl konstatierte gegenüber der Redaktion, zur Kompensation witterungsbedingter Schwankungen der Stromerzeugung der Windparks seien „noch für etwa fünf Jahre lang“ Gaskraftwerke nötig: „In 15 Jahren brauchen wir sie aber nicht mehr.“ 

Bei seiner Argumentation stützt sich Moidl im Wesentlichen auf den Österreichischen Windenergieatlas, der ein technisches Potenzial von 33.000 MW an installierbarer Leistung ausweist. Auf Nachfrage der Redaktion räumte Moidl ein, dass der Atlas vor elf Jahren erschien und dessen Aktualisierung daher wohl ratsam wäre. Er betonte jedoch, die Potenziale seien „sicher nicht niedriger“ als die damals erhobenen und von ihm nun neuerlich ins Treffen geführten. Nicht zuletzt habe es ja erhebliche technische Fortschritte gegeben.

Bis wann die 33.000 MW ausgeschöpft werden könnten, ließ Moidl trotz Nachfrage offen. Anhängig sei das insbesondere von den Rahmenbedingungen für den Windkraftausbau und damit vom Willen der Politik, vor allem der Bundesländer, die für die Genehmigungsverfahren zuständig sind. Moidl zufolge wäre der von ihm angestrebte Ausbau indessen „keine Hexerei. Wenn wir wollen, bauen wir eben bis 2035 oder 2040“. Er verwies auf das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das bis einschließlich 2030, also innerhalb der kommenden acht Jahre, die Installation von Windrädern mit etwa 1.000 MW Gesamtleistung vorsieht. Gelänge dies, so beliefe sich die Kapazität der Windräder in Österreich auf etwa 4.350 MW. Um auf 33.000 MW zu kommen, müssten somit weitere 28.650 MW realisiert werden. Beim derzeitigen Ausbautempo wären dafür ab 2030 etwas mehr als 28,5 Jahre zu veranschlagen. Folglich könnte Moidls Ziel um das Jahr 2060 erreicht werden.

Genug Biogas

Ebenfalls am 15. März veröffentlichte die „Allianz für Grünes Gas“ einen „offenen Brief“ an Bundeskanzler Karl Nehammer (Österreichische Volkspartei, ÖVP), Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) sowie die neun österreichischen Landeshauptleute und die für Energie zuständigen Mitglieder der Landesregierungen. Darin heißt es einmal mehr, Österreich verfüge „über ein Biogaspotenzial auf Reststoffbasis von bis zu vier Milliarden m3, also ein Vielfaches der Menge, die im Raumwärmebereich benötigt wird“. Das Heben dieses Potenzials könne „einen entscheidenden Beitrag zur Unabhängigkeit von Energieimporten leisten. Gleichzeitig können wir damit schnell und nachhaltig unsere ambitionierten Klimaziele erreichen“.

Nicht sinnvoll sei daher das von Gewessler geplante generelle Verbot der Nutzung gasförmiger Energieträger für Heizzwecke. Denn für den CO2-Ausstoß „ist nicht das Heizsystem entscheidend, sondern der eingesetzte Brennstoff. Die Umstellung bestehender Gasheizungen auf Biomethan ist meist die einfachste, schnellste und günstigste Form der Dekarbonisierung des Raumwärmemarkts. Daher treten wir für Technologieoffenheit und den Wettstreit der besten und kosteneffizientesten Ideen ein“.

Detail am Rande: Mitglied der „Allianz für Grünes Gas“ sind neben mehreren Regional- sowie Spartenvertretungen der Wirtschaftskammer Österreich, Heizungsanbietern und Gasnetzbetreibern die Wiener Stadtwerke. Ob das auf das Wohlwollen der Stadt- und Landespolitiker stößt, ist nicht sicher. Ende Januar präsentierten Spitzenpolitiker der Stadt Wien ihren „Wiener Klimafahrplan“, der den direkten Einsatz „grüner Gase“ im Raumwärmesektor ab 2040 ausdrücklich nicht mehr vorsieht. Vielmehr sollen derartige Gase ausschließlich zur Befeuerung der Wiener Kraft-Wärme-Kopplungen genutzt werden.

Dienstag, 15.03.2022, 15:01 Uhr
Klaus Fischer

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