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Energie & Management > Klimaschutz - Industriewende braucht vor allem Strom ohne Ende
Quelle: Fotolia / bluedesign
Klimaschutz

Industriewende braucht vor allem Strom ohne Ende

Ohne Umstellung der Industrie auf eine CO2-neutrale Produktion sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Forschende haben ermittelt, welchen Beitrag drei konkrete Lösungen leisten können.
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat Szenarien berechnet, um Transformationspfade hin zu einer klimaneutralen Industrie aufzuzeigen. Die neue Studie berechnet modelliert drei Lösungen mit Schwerpunkten bei Elektrifizierung sowie der Nutzung von Wasserstoff oder synthetischen Kohlenwasserstoffen.

Die Ergebnisse zeigen, welche Schlüsselstrategien über sehr unterschiedliche Anforderungen in der Industrie hinweg robust umsetzbar sind. Der nun veröffentlichte Bericht des Projekts "Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland" (Langfristszenarien 3) wurde im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt.

Das vom Fraunhofer ISI dazu eingesetzte Energiemodell "FORECAST" erlaubt eine detaillierte Abbildung des Industriesektors und zeichnet sich besonders durch eine hohe technologische und räumliche Auflösung aus. Die drei berechneten Szenarien mit den Titeln TN-Strom, TN-H2 und TN-PtG/PtL erreichen alle bis 2050 eine Minderung der Treibhausgasemissionen im Industriesektor von etwa 97 % gegenüber 1990. Die Energieversorgung wird darin jeweils stark auf Strom, Wasserstoff oder synthetischem Methan aus Power-to-Gas umgestellt. Auf den Einsatz fossiler Energieträger sowie Biomasse wird vollständig verzichtet. 

Allerdings erreicht lediglich das Szenario mit starker Stromnutzung auch die aktuellen Zielvorgaben für die Jahre 2030 und 2040. Die Szenarien mit starker Nutzung von Wasserstoff und synthetischen Kohlenwasserstoffen müssten früher größere Mengen dieser Energieträger einsetzen, um diese Ziele zu erreichen.

Wasserstoff-Transportinfrastruktur ist No-Regret-Option

Die Szenarien zeigen einen Wasserstoff-Bedarf von mehr als 150 Mrd. kWh pro Jahr alleine für die Versorgung der etwa 20 größten Chemie- und Stahlstandorte. Der Aufbau einer entsprechenden Versorgungsinfrastruktur könnte entlang bestehender Erdgas-Trassen geschehen. Klare Ausbauziele würden der Industrie Planungssicherheit beim Umbau des Anlagenparks bieten.

Die Elektrifizierung ist in den meisten Branchen die effizienteste Möglichkeit der CO2-neutralen Versorgung mit Prozesswärme, da weniger Umwandlungsverluste als bei der Erzeugung von Wasserstoff oder Power-to-Gas auftreten. Jedoch verlangt eine Elektrifizierung bei den meisten Prozessen einen umfangreichen Umbau oder Austausch bestehender Heizkessel und Ofenanlagen. Dem Einsatz von hybriden Systemen, die flexibel Wasserstoff, Strom oder Erdgas nutzen können, kann dabei eine Schlüsselrolle zukommen und der Industrie eine graduelle Transformation ermöglichen.

Eine vollständige Elektrifizierung der Prozesswärme würde den Stromverbrauch der Industrie in Deutschland in etwa verdoppeln, auf mehr als 400 Mrd. kWh pro Jahr. Eine Fokussierung auf Wasserstoff oder Power-to-Gas würde aber einen noch höheren Strombedarf für die Erzeugung der entsprechenden Energieträger mit sich bringen. 

In allen drei Szenarien zeigt die Studie, dass neben Fortschritten bei der Energie- und Ressourceneffizienz vor allem der Ausbau einer Kreislaufwirtschaft eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Industriewende darstellt. Ohne diese wäre der Bedarf an CO2-neutralen Sekundärenergieträgern weitaus größer, was zu höheren Kosten und noch größeren Herausforderungen beim Umbau des Energiesystems führen würde. Strategien zur Umstellung auf eine Kreislaufführung haben besonders bei den CO2-intensiven Grundstoffen wie Stahl oder Kunststoff große Wirkung.

Perspektiven für Umgang mit Industrie-Emissionen nötig

Die Zement- und Kalkindustrie benötigt klare Perspektiven zur Speicherung oder Nutzung der CO2-Emissionen. Ohne den Aufbau einer CO2-Transportinfrastruktur, die die wichtigen Standorte der Zement- und Kalkherstellung mit möglichen Senken in Speicherstätten oder der chemischen Industrie verbindet, können diese Branchen keine Klimaneutralität erreichen. Hierfür sind außerdem grundsätzliche rechtliche und politische Weichenstellungen nötig.

Tobias Fleiter, Leiter des Geschäftsfelds "Nachfrageanalysen und -projektionen" am Fraunhofer ISI, stellt abschließend fest: "Die von uns berechneten Szenarien zeigen, dass besonders die nächsten Jahre für das Erreichen der Klimaziele entscheidend sind. Das neue Sektorziel des novellierten Klimaschutzgesetzes verstärkt den Handlungsdruck zusätzlich und kann nur erreicht werden, wenn die Politik den regulatorischen Rahmen so anpasst, dass die Industrie eine klare Perspektive für den wirtschaftlichen, groß-industriellen Betrieb CO2-neutraler Herstellungsverfahren hat."

Der Bericht "Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland" kann in verschiedenen Versionen von der Internetseite Langfristszenarien.de heruntergeladen werden.

Donnerstag, 13.01.2022, 15:02 Uhr
Peter Koller
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Klimaschutz
Industriewende braucht vor allem Strom ohne Ende
Ohne Umstellung der Industrie auf eine CO2-neutrale Produktion sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Forschende haben ermittelt, welchen Beitrag drei konkrete Lösungen leisten können.
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat Szenarien berechnet, um Transformationspfade hin zu einer klimaneutralen Industrie aufzuzeigen. Die neue Studie berechnet modelliert drei Lösungen mit Schwerpunkten bei Elektrifizierung sowie der Nutzung von Wasserstoff oder synthetischen Kohlenwasserstoffen.

Die Ergebnisse zeigen, welche Schlüsselstrategien über sehr unterschiedliche Anforderungen in der Industrie hinweg robust umsetzbar sind. Der nun veröffentlichte Bericht des Projekts "Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland" (Langfristszenarien 3) wurde im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt.

Das vom Fraunhofer ISI dazu eingesetzte Energiemodell "FORECAST" erlaubt eine detaillierte Abbildung des Industriesektors und zeichnet sich besonders durch eine hohe technologische und räumliche Auflösung aus. Die drei berechneten Szenarien mit den Titeln TN-Strom, TN-H2 und TN-PtG/PtL erreichen alle bis 2050 eine Minderung der Treibhausgasemissionen im Industriesektor von etwa 97 % gegenüber 1990. Die Energieversorgung wird darin jeweils stark auf Strom, Wasserstoff oder synthetischem Methan aus Power-to-Gas umgestellt. Auf den Einsatz fossiler Energieträger sowie Biomasse wird vollständig verzichtet. 

Allerdings erreicht lediglich das Szenario mit starker Stromnutzung auch die aktuellen Zielvorgaben für die Jahre 2030 und 2040. Die Szenarien mit starker Nutzung von Wasserstoff und synthetischen Kohlenwasserstoffen müssten früher größere Mengen dieser Energieträger einsetzen, um diese Ziele zu erreichen.

Wasserstoff-Transportinfrastruktur ist No-Regret-Option

Die Szenarien zeigen einen Wasserstoff-Bedarf von mehr als 150 Mrd. kWh pro Jahr alleine für die Versorgung der etwa 20 größten Chemie- und Stahlstandorte. Der Aufbau einer entsprechenden Versorgungsinfrastruktur könnte entlang bestehender Erdgas-Trassen geschehen. Klare Ausbauziele würden der Industrie Planungssicherheit beim Umbau des Anlagenparks bieten.

Die Elektrifizierung ist in den meisten Branchen die effizienteste Möglichkeit der CO2-neutralen Versorgung mit Prozesswärme, da weniger Umwandlungsverluste als bei der Erzeugung von Wasserstoff oder Power-to-Gas auftreten. Jedoch verlangt eine Elektrifizierung bei den meisten Prozessen einen umfangreichen Umbau oder Austausch bestehender Heizkessel und Ofenanlagen. Dem Einsatz von hybriden Systemen, die flexibel Wasserstoff, Strom oder Erdgas nutzen können, kann dabei eine Schlüsselrolle zukommen und der Industrie eine graduelle Transformation ermöglichen.

Eine vollständige Elektrifizierung der Prozesswärme würde den Stromverbrauch der Industrie in Deutschland in etwa verdoppeln, auf mehr als 400 Mrd. kWh pro Jahr. Eine Fokussierung auf Wasserstoff oder Power-to-Gas würde aber einen noch höheren Strombedarf für die Erzeugung der entsprechenden Energieträger mit sich bringen. 

In allen drei Szenarien zeigt die Studie, dass neben Fortschritten bei der Energie- und Ressourceneffizienz vor allem der Ausbau einer Kreislaufwirtschaft eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Industriewende darstellt. Ohne diese wäre der Bedarf an CO2-neutralen Sekundärenergieträgern weitaus größer, was zu höheren Kosten und noch größeren Herausforderungen beim Umbau des Energiesystems führen würde. Strategien zur Umstellung auf eine Kreislaufführung haben besonders bei den CO2-intensiven Grundstoffen wie Stahl oder Kunststoff große Wirkung.

Perspektiven für Umgang mit Industrie-Emissionen nötig

Die Zement- und Kalkindustrie benötigt klare Perspektiven zur Speicherung oder Nutzung der CO2-Emissionen. Ohne den Aufbau einer CO2-Transportinfrastruktur, die die wichtigen Standorte der Zement- und Kalkherstellung mit möglichen Senken in Speicherstätten oder der chemischen Industrie verbindet, können diese Branchen keine Klimaneutralität erreichen. Hierfür sind außerdem grundsätzliche rechtliche und politische Weichenstellungen nötig.

Tobias Fleiter, Leiter des Geschäftsfelds "Nachfrageanalysen und -projektionen" am Fraunhofer ISI, stellt abschließend fest: "Die von uns berechneten Szenarien zeigen, dass besonders die nächsten Jahre für das Erreichen der Klimaziele entscheidend sind. Das neue Sektorziel des novellierten Klimaschutzgesetzes verstärkt den Handlungsdruck zusätzlich und kann nur erreicht werden, wenn die Politik den regulatorischen Rahmen so anpasst, dass die Industrie eine klare Perspektive für den wirtschaftlichen, groß-industriellen Betrieb CO2-neutraler Herstellungsverfahren hat."

Der Bericht "Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland" kann in verschiedenen Versionen von der Internetseite Langfristszenarien.de heruntergeladen werden.

Donnerstag, 13.01.2022, 15:02 Uhr
Peter Koller

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