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Energie & Management > Klimaschutz - Industrie packt wegen hoher Energiepreise die Koffer
Quelle: Shutterstock / 24Novembers
Klimaschutz

Industrie packt wegen hoher Energiepreise die Koffer

Auf dem Kongress „Energie.Cross.Medial“ versprachen Politiker einen niedrigeren Industriestrompreis. Dennoch kündigten Vertreter der Chemiewirtschaft an, Richtung USA abzuwandern.
Unter dem Motto „Die Zeitenwende in der europäischen und nationalen Energie- und Klimaschutzpolitik“ findet am 28. Februar und 1. März 2023 in Berlin der Kongress „Energie.Cross.Medial“ statt. Dabei bekam die Ampelkoalition Lob von der Wirtschaft für die Bewältigung der Energiekrise im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Stefan Wenzel (Grüne), kündigte eine baldige europäische Einigung für einen günstigen Industriestrompreis an.

Viel Kritik aber gab es für die aktuell diskutierten Regelungen zum Wasserstoff in der EU und zur Wärmewende in Deutschland. Die Krisenmaßnahmen in der EU hätten weitreichenden Folgen für die Wettbewerbsordnung und die notwendigen Investitionen in die Energiewende. Unternehmensvertreter wie Hans-Jürgen Brick, Vorstandsvorsitzender des Übertragungsnetzbetreibers Amprion, wünschten sich nach der Krise so wenig Eingriffe der Politik in die Märkte wie möglich, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. „Die Märkte funktionieren, wenn man sie lässt“, sagte Brick. Das gelte für die Strom- wie für die Gasinfrastruktur.

Chemieindustrie wandert bereits ab

Harald Schwager, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries, stellte fest, dass das Gassparen im vergangenen Jahr nur durch Produktionseinschränkungen möglich war. „Das war Verlust von Wertschöpfung“, sagte er unter dem Beifall der Kongressteilnehmer. Wegen der gestiegenen Strom- und Gaskosten wanderten gerade in der energieintensiven Chemieindustrie schon seit Jahren immer mehr Produktionsstätten ab. Aktuell rollten die USA mit der starken Förderung im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) dafür den roten Teppich aus.

Die europäische Union dagegen mache es Unternehmen schwer, in Wasserstoff zu investieren, beklagten Oliver Hoch, Regulatory Expert H2 und PtX bei Rolls-Royce Power Systems und Prof. Gerald Linke, Präsident des DVGW (Deutscher Verband des Gas- und Wasserhandwerks). Durch das Fördern großer zentraler Produktionseinheiten für Wasserstoff sei keine Nutzung der Abwärme möglich. Zudem dürfe Wasserstoff laut EU auch nur aus zusätzlichen Anlagen für erneuerbare Energie erzeugt werden, was die Sektorenkopplung mit heute schon überschüssigen Strom abwürge, fürchten sie.

IRA lockt in die USA

Hoch verwies darauf, dass ein Produzent in den USA bis zu 3 Dollar Förderung pro Kilogramm Wasserstoff bekommen könne. „Wenn die EU nicht nachzieht, werden die Elektrolyseure nicht hier gebaut“, sagte der Vertreter des Turbinenherstellers, der auch Brennstoffzellen und Elektrolyseure baut. Zudem sei die bisher von der EU geplante Förderung zu kompliziert und bürokratisch, kritisierte Hoch weiter.
 
Auf dem Kongress "Energie.Cross.Medial" in Berlin v.l. Gerald Linke (DVGW) und Oliver Hoch (Rolls-Royce) Quelle: E&M/Harmsen

Für die Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudesektor müsse Sektorenkopplung zwischen Strom, Biomasse, Geothermie und erneuerbaren Anlagen sowie weiterhin Gasen ermöglicht werden, forderte Linke. Auf absehbare Zeit gebe es nicht genug erneuerbaren Strom und die unsanierten Gebäude ließen sich nicht mit Wärmepumpen heizen.

Da es noch eine Weile dauern werde, bis erneuerbar produzierter Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht, müssten sowohl die EU wie auch die deutsche Regierung ohne „ideologische Scheuklappen“ auch anders produzierten Wasserstoff zulassen, forderte der DVGW-Präsident. Sonst sei die Energiewende viel zu langsam für die Klimaschutzziele.
 
En2X hält auch künftig Gase für erforderlich
(zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Quelle: En2x

Gasmoleküle vielfach unersetzlich

„Wir brauchen auf Dauer Moleküle“, erklärte Prof. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie (En2x). Deshalb müsse die Politik dafür sorgen, dass zuerst klimafreundliche Gase bereitstehen, bevor sie aus allen fossilen Energieträgern aussteigt. „Der Bedarf an grünem Wasserstoff wird nach wie vor deutlich unterschätzt“, kritisierte Küchen. So machten etwa Vorprodukte für die chemische Industrie mit 23 Prozent fast ein Viertel der bisherigen Mineralölproduktion aus und auch im Verkehr und im Wärmebereich sei nicht alles vollständig elektrifizierbar.

Die Transformation des Energiesystems müsse gemeinsam mit der Transformation der Industrie gedacht und umgesetzt werden, um den Klimaschutz zum Erfolg zu führen und gleichzeitig Deutschland als attraktiven Wirtschaftsstandort zu erhalten. Küchen forderte: „Für den Hochlauf klimaschonender Technologien und Importstrategien sollte der Staat sich auf Zielsetzungen und verlässliche, stabile Rahmenbedingungen fokussieren und zusammen mit der Wirtschaft vor allem für neue Infrastrukturen sorgen“, empfahl Küchen.

Dienstag, 28.02.2023, 16:06 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Klimaschutz - Industrie packt wegen hoher Energiepreise die Koffer
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Klimaschutz
Industrie packt wegen hoher Energiepreise die Koffer
Auf dem Kongress „Energie.Cross.Medial“ versprachen Politiker einen niedrigeren Industriestrompreis. Dennoch kündigten Vertreter der Chemiewirtschaft an, Richtung USA abzuwandern.
Unter dem Motto „Die Zeitenwende in der europäischen und nationalen Energie- und Klimaschutzpolitik“ findet am 28. Februar und 1. März 2023 in Berlin der Kongress „Energie.Cross.Medial“ statt. Dabei bekam die Ampelkoalition Lob von der Wirtschaft für die Bewältigung der Energiekrise im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Stefan Wenzel (Grüne), kündigte eine baldige europäische Einigung für einen günstigen Industriestrompreis an.

Viel Kritik aber gab es für die aktuell diskutierten Regelungen zum Wasserstoff in der EU und zur Wärmewende in Deutschland. Die Krisenmaßnahmen in der EU hätten weitreichenden Folgen für die Wettbewerbsordnung und die notwendigen Investitionen in die Energiewende. Unternehmensvertreter wie Hans-Jürgen Brick, Vorstandsvorsitzender des Übertragungsnetzbetreibers Amprion, wünschten sich nach der Krise so wenig Eingriffe der Politik in die Märkte wie möglich, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. „Die Märkte funktionieren, wenn man sie lässt“, sagte Brick. Das gelte für die Strom- wie für die Gasinfrastruktur.

Chemieindustrie wandert bereits ab

Harald Schwager, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries, stellte fest, dass das Gassparen im vergangenen Jahr nur durch Produktionseinschränkungen möglich war. „Das war Verlust von Wertschöpfung“, sagte er unter dem Beifall der Kongressteilnehmer. Wegen der gestiegenen Strom- und Gaskosten wanderten gerade in der energieintensiven Chemieindustrie schon seit Jahren immer mehr Produktionsstätten ab. Aktuell rollten die USA mit der starken Förderung im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) dafür den roten Teppich aus.

Die europäische Union dagegen mache es Unternehmen schwer, in Wasserstoff zu investieren, beklagten Oliver Hoch, Regulatory Expert H2 und PtX bei Rolls-Royce Power Systems und Prof. Gerald Linke, Präsident des DVGW (Deutscher Verband des Gas- und Wasserhandwerks). Durch das Fördern großer zentraler Produktionseinheiten für Wasserstoff sei keine Nutzung der Abwärme möglich. Zudem dürfe Wasserstoff laut EU auch nur aus zusätzlichen Anlagen für erneuerbare Energie erzeugt werden, was die Sektorenkopplung mit heute schon überschüssigen Strom abwürge, fürchten sie.

IRA lockt in die USA

Hoch verwies darauf, dass ein Produzent in den USA bis zu 3 Dollar Förderung pro Kilogramm Wasserstoff bekommen könne. „Wenn die EU nicht nachzieht, werden die Elektrolyseure nicht hier gebaut“, sagte der Vertreter des Turbinenherstellers, der auch Brennstoffzellen und Elektrolyseure baut. Zudem sei die bisher von der EU geplante Förderung zu kompliziert und bürokratisch, kritisierte Hoch weiter.
 
Auf dem Kongress "Energie.Cross.Medial" in Berlin v.l. Gerald Linke (DVGW) und Oliver Hoch (Rolls-Royce) Quelle: E&M/Harmsen

Für die Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudesektor müsse Sektorenkopplung zwischen Strom, Biomasse, Geothermie und erneuerbaren Anlagen sowie weiterhin Gasen ermöglicht werden, forderte Linke. Auf absehbare Zeit gebe es nicht genug erneuerbaren Strom und die unsanierten Gebäude ließen sich nicht mit Wärmepumpen heizen.

Da es noch eine Weile dauern werde, bis erneuerbar produzierter Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht, müssten sowohl die EU wie auch die deutsche Regierung ohne „ideologische Scheuklappen“ auch anders produzierten Wasserstoff zulassen, forderte der DVGW-Präsident. Sonst sei die Energiewende viel zu langsam für die Klimaschutzziele.
 
En2X hält auch künftig Gase für erforderlich
(zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken)
Quelle: En2x

Gasmoleküle vielfach unersetzlich

„Wir brauchen auf Dauer Moleküle“, erklärte Prof. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie (En2x). Deshalb müsse die Politik dafür sorgen, dass zuerst klimafreundliche Gase bereitstehen, bevor sie aus allen fossilen Energieträgern aussteigt. „Der Bedarf an grünem Wasserstoff wird nach wie vor deutlich unterschätzt“, kritisierte Küchen. So machten etwa Vorprodukte für die chemische Industrie mit 23 Prozent fast ein Viertel der bisherigen Mineralölproduktion aus und auch im Verkehr und im Wärmebereich sei nicht alles vollständig elektrifizierbar.

Die Transformation des Energiesystems müsse gemeinsam mit der Transformation der Industrie gedacht und umgesetzt werden, um den Klimaschutz zum Erfolg zu führen und gleichzeitig Deutschland als attraktiven Wirtschaftsstandort zu erhalten. Küchen forderte: „Für den Hochlauf klimaschonender Technologien und Importstrategien sollte der Staat sich auf Zielsetzungen und verlässliche, stabile Rahmenbedingungen fokussieren und zusammen mit der Wirtschaft vor allem für neue Infrastrukturen sorgen“, empfahl Küchen.

Dienstag, 28.02.2023, 16:06 Uhr
Susanne Harmsen

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