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Energie & Management > Wasserstoff - In den Startlöchern ohne Sicherheiten
Quelle: Shutterstock / Visionsi
Wasserstoff

In den Startlöchern ohne Sicherheiten

Die Ferngasnetzbetreiber gehen bei der Umstellung ihrer Netze auf Wasserstoff in Vorleistung, monieren jedoch vehement die Unsicherheiten, unter denen sie agieren müssen. 
"Wir können zentrale Fragen unserer Kunden nicht beantworten", betonte Thomas Gößmann, Vorsitzender der Thyssengas-Geschäftsführung, mit Blick auf den Wasserstoff: "Wann kommt ihr? Wie viel Kapazität könnt ihr mir geben und was kostet das?". Zur Klärung dieser Fragen fehlten die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie Gößmann auf der Veranstaltung "Megatrend Wasserstoff" am 10. November, erklärte. "Das ist lähmend für jede Diskussion mit den Produzenten und den Abnehmern des Wasserstoffs."

Keine Frage sei indes das Interesse auf dem Markt, wie Carolin Rößler, bei der Ontras Gastransport GmbH zuständig für die Bereiche Regulierung und Energiepolitik, erklärte. So sei die zweite Bedarfsabfrage der deutschen Fernleitungsnetzbetreiber unter möglichen Wasserstoff-Einspeisern und -Abnehmern auf "großes Interesse" gestoßen. "Wir waren überwältigt von dem Zuspruch", erinnert sich Rößler. "Im Vergleich zur letzten Abfrage hatten wir eine zehnmal höhere Beteiligung." Auf dieser Grundlage sei, zumindest auf dem Papier, der Netzentwicklungsplan Gas 2032 mit einem 8.000 Kilometer Startnetz entstanden. Bei 80 Prozent davon handelt es sich um umgewidmete Erdgasleitungen. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf 18 Milliarden Euro.
 
Wasserstoffnetz im NEP Gas 2022-2032 
(zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken)
Quelle: Thyssengas GmbH

"Leider hat die Bundesnetzagentur keine gesetzliche Grundlage, das entwickelte Netz zu genehmigen", gibt Rößler zu Bedenken. Stattdessen gingen die Fernleitungsnetzbetreiber beim Wasserstoffnetz "in Vorleistung, weil wir der Überzeugung sind, dass Wasserstoff die Zukunft für unser Netz ist", so Rößler. Gas und Wasserstoff müsse zusammen gedacht werden, da die Vorteile der Umstellung des deutschen Gasnetzes so groß sind. 

"Sehr nachdenklich" zeigten sich Thyssengas und Ontras diesbezüglich gegenüber den Entwürfen der EU-Kommission aus dem vergangenen Dezember. Rößler: "Die Entwürfe enthalten sehr strikte Unbundling-Vorgaben, sowohl vertikal als auch horizontal". Weder die Marktrolle eines unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers − sogenannte Independent Transmission System Operator −, noch den gleichzeitigen Betrieb eines Wasserstoffnetzes und eines Gasnetzes aus einer einzelnen Firma heraus soll es nach dem Willen der Kommission geben. "Beides ist äußerst ungünstig. Der Investor für ein Netz weiß nicht, ob er das Netz auch behalten darf", so Rößler. Die Energiemanagerin geht davon aus, dass sich das EU-Parlament erst im Januar 2023 endgültig zum Unbundling des Netzes positionieren wird.

Benchmark für grünen Wasserstoff aus den USA

Eine mögliche Blaupause für das künftige Wasserstoffnetz nannte Thomas Gößmann von Thyssengas. Er erachtet die aktuell stattfindende Umstellung von L- auf H-Gas als Vorbild für die Systemtransformation des Gasnetzes auf Wasserstoff. "Dass die Umstellung von zwei Systemen auf eins möglich ist, haben wir damit bereits bewiesen", so der Vorsitzende der Thyssengas-Geschäftsführung. Zudem sollte der Ausbau des Gasnetzes szenariobasiert erfolgen, forderte Gößmann. Im Stromsektor renne man dem Netzausbau hinterher − "diesen Fehler aus dem Strombereich dürfen wir im Gassektor nicht wiederholen", sagte der Thyssengas-Mann.

Wie auch Rößler drängte Gößmann auf eine schnelle Genehmigung der IPCEI (Important Project of Common European Interest)-Projekte. Diese seien die Initialzündung, die der Hochlauf des Wasserstoffmarktes in Deutschland brauche. Keinen Zweifel daran, dass der Wasserstoffmarkt bereits da sei, äußerte Gößmann: "Maximal zwei US-Dollar pro Kilogramm grünen Wasserstoff bis 2030 ist durch den Inflation Reduction Act vor einigen Wochen definiert worden". Damit verwies er auf ein Bundesgesetz der Vereinigten Staaten von Amerika, das darauf abzielt, unter anderem den Klimaschutz und eine saubere Energiewirtschaft zu fördern.
 

Zum Vergleich: Aktuelle Studien schätzen die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland in 2030 inklusive Importkosten auf über 4 Euro. Innerhalb von drei Monaten habe die US-Regierung dieses Gesetz aufgestellt, so Gößmann. Daran, wie schnell die EU demgegenüber agiere, erinnerte Carolin Rößler: "Bereits seit 2016 arbeitet sie an ihrem Gaspaket".

Donnerstag, 10.11.2022, 16:42 Uhr
Davina Spohn
Energie & Management > Wasserstoff - In den Startlöchern ohne Sicherheiten
Quelle: Shutterstock / Visionsi
Wasserstoff
In den Startlöchern ohne Sicherheiten
Die Ferngasnetzbetreiber gehen bei der Umstellung ihrer Netze auf Wasserstoff in Vorleistung, monieren jedoch vehement die Unsicherheiten, unter denen sie agieren müssen. 
"Wir können zentrale Fragen unserer Kunden nicht beantworten", betonte Thomas Gößmann, Vorsitzender der Thyssengas-Geschäftsführung, mit Blick auf den Wasserstoff: "Wann kommt ihr? Wie viel Kapazität könnt ihr mir geben und was kostet das?". Zur Klärung dieser Fragen fehlten die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie Gößmann auf der Veranstaltung "Megatrend Wasserstoff" am 10. November, erklärte. "Das ist lähmend für jede Diskussion mit den Produzenten und den Abnehmern des Wasserstoffs."

Keine Frage sei indes das Interesse auf dem Markt, wie Carolin Rößler, bei der Ontras Gastransport GmbH zuständig für die Bereiche Regulierung und Energiepolitik, erklärte. So sei die zweite Bedarfsabfrage der deutschen Fernleitungsnetzbetreiber unter möglichen Wasserstoff-Einspeisern und -Abnehmern auf "großes Interesse" gestoßen. "Wir waren überwältigt von dem Zuspruch", erinnert sich Rößler. "Im Vergleich zur letzten Abfrage hatten wir eine zehnmal höhere Beteiligung." Auf dieser Grundlage sei, zumindest auf dem Papier, der Netzentwicklungsplan Gas 2032 mit einem 8.000 Kilometer Startnetz entstanden. Bei 80 Prozent davon handelt es sich um umgewidmete Erdgasleitungen. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf 18 Milliarden Euro.
 
Wasserstoffnetz im NEP Gas 2022-2032 
(zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken)
Quelle: Thyssengas GmbH

"Leider hat die Bundesnetzagentur keine gesetzliche Grundlage, das entwickelte Netz zu genehmigen", gibt Rößler zu Bedenken. Stattdessen gingen die Fernleitungsnetzbetreiber beim Wasserstoffnetz "in Vorleistung, weil wir der Überzeugung sind, dass Wasserstoff die Zukunft für unser Netz ist", so Rößler. Gas und Wasserstoff müsse zusammen gedacht werden, da die Vorteile der Umstellung des deutschen Gasnetzes so groß sind. 

"Sehr nachdenklich" zeigten sich Thyssengas und Ontras diesbezüglich gegenüber den Entwürfen der EU-Kommission aus dem vergangenen Dezember. Rößler: "Die Entwürfe enthalten sehr strikte Unbundling-Vorgaben, sowohl vertikal als auch horizontal". Weder die Marktrolle eines unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers − sogenannte Independent Transmission System Operator −, noch den gleichzeitigen Betrieb eines Wasserstoffnetzes und eines Gasnetzes aus einer einzelnen Firma heraus soll es nach dem Willen der Kommission geben. "Beides ist äußerst ungünstig. Der Investor für ein Netz weiß nicht, ob er das Netz auch behalten darf", so Rößler. Die Energiemanagerin geht davon aus, dass sich das EU-Parlament erst im Januar 2023 endgültig zum Unbundling des Netzes positionieren wird.

Benchmark für grünen Wasserstoff aus den USA

Eine mögliche Blaupause für das künftige Wasserstoffnetz nannte Thomas Gößmann von Thyssengas. Er erachtet die aktuell stattfindende Umstellung von L- auf H-Gas als Vorbild für die Systemtransformation des Gasnetzes auf Wasserstoff. "Dass die Umstellung von zwei Systemen auf eins möglich ist, haben wir damit bereits bewiesen", so der Vorsitzende der Thyssengas-Geschäftsführung. Zudem sollte der Ausbau des Gasnetzes szenariobasiert erfolgen, forderte Gößmann. Im Stromsektor renne man dem Netzausbau hinterher − "diesen Fehler aus dem Strombereich dürfen wir im Gassektor nicht wiederholen", sagte der Thyssengas-Mann.

Wie auch Rößler drängte Gößmann auf eine schnelle Genehmigung der IPCEI (Important Project of Common European Interest)-Projekte. Diese seien die Initialzündung, die der Hochlauf des Wasserstoffmarktes in Deutschland brauche. Keinen Zweifel daran, dass der Wasserstoffmarkt bereits da sei, äußerte Gößmann: "Maximal zwei US-Dollar pro Kilogramm grünen Wasserstoff bis 2030 ist durch den Inflation Reduction Act vor einigen Wochen definiert worden". Damit verwies er auf ein Bundesgesetz der Vereinigten Staaten von Amerika, das darauf abzielt, unter anderem den Klimaschutz und eine saubere Energiewirtschaft zu fördern.
 

Zum Vergleich: Aktuelle Studien schätzen die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland in 2030 inklusive Importkosten auf über 4 Euro. Innerhalb von drei Monaten habe die US-Regierung dieses Gesetz aufgestellt, so Gößmann. Daran, wie schnell die EU demgegenüber agiere, erinnerte Carolin Rößler: "Bereits seit 2016 arbeitet sie an ihrem Gaspaket".

Donnerstag, 10.11.2022, 16:42 Uhr
Davina Spohn

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