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Energie & Management > Stadtwerke - Im November soll Remondis-Einstieg den Belziger Versorger retten
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Stadtwerke

Im November soll Remondis-Einstieg den Belziger Versorger retten

Für die Rettung der insolventen Stadtwerke Bad Belzig kommt auf der Gläubigerversammlung nur noch eine Lösung in Frage: die Kooperation der Kommune mit dem Entsorgungsmulti Remondis.
Die Würfel sind offenbar gefallen. Die Zukunft der Stadtwerke Bad Belzig GmbH führt allein über einen Einstieg des Entsorgungsmultis Remondis aus Lünen. Nur in einer Beteiligungsgesellschaft der Westfalen mit der brandenburgischen Kommune sieht der Berliner Anwalt Jürgen Spliedt, Sachwalter im laufenden Insolvenzverfahren, Erfolgsaussichten für das Fortbestehen der Stadtwerke.

Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte Spliedt, bei der im November anzusetzenden Gläubigerversammlung werde es von ihm keinen weiteren Vorschlag zur Rettung des überschuldeten Versorgers geben. Offiziell seit April 2022 läuft das vom Amtsgericht Potsdam genehmigte Insolvenzverfahren, das die Stadtwerke auf Antrag in Eigenverwaltung durchführen dürfen. Seither sammelt Spliedt die Forderungen der Gläubiger und zugleich Interessierte für eine Übernahme oder einen Einstieg ein. Grundsätzlich hatte Spliedt nach seinem Einarbeiten Optimismus verbreitet, dass die Stadtwerke nicht zerschlagen werden müssten.

Abwahlverfahren für Bürgermeister auf dem Weg

Mitte vergangenen Jahres war der Skandal um hochriskante Warentermingeschäfte offenkundig geworden. Der frühere Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Belzig hatte mit Leerkäufen von Strom spekuliert und damit zweistellige Millionen-Verluste produziert. Im Idealfall werfen Geschäfte dieser Art einen guten Gewinn ab, sofern die Einkaufspreise zur Terminstellung unter dem ausgehandelten Verkaufspreis liegen.

Die Stadtwerke selbst verfügten seinerzeit nur über etwa 1.000 zu beliefernde Abnahmestellen, die zur Katastrophe führenden Leerverkäufe von Strom waren aber in einem Umfang erfolgt, der 40.000 Haushalte versorgen könnte. Als die kleinen Stadtwerke dem Energieriesen Vattenfall die verabredeten Mengen liefern sollten, hatte der Wind auf dem Energiemarkt sich inzwischen gedreht. Die Preise waren in die Höhe geschossen und Bad Belzig stand in der Kreide – Stand heute mit bis zu 40 Mio. Euro. Der Geschäftsführer musste im November seinen Hut nehmen, inzwischen hat der Versorger sich vom Stromvertrieb getrennt.

Seither toben Auseinandersetzungen um die Deutungshoheit. Aufsichtsrat und Bürgermeister weisen jegliche Mitverantwortung für das Gebaren des Ex-Geschäftsführers von sich. Ehemalige Angestellte behaupten hingegen, Roland Leisegang, parteiloser Bürgermeister in Bad Belzig und Aufsichtsratsmitglied, habe von den Leerverkäufen gewusst.

Infolgedessen sieht Leisegang sich inzwischen einem Abwahlverfahren ausgesetzt, für das die Stadtverordnetenversammlung (SVV) auf Betreiben einer Bürgerinitiative im September den Weg geebnet hat. Am 17. Oktober muss eine Mehrheit von mindestens 16 der 23 Frauen und Männer in der SVV für eine Abwahl Leisegangs stimmen. Folgt er diesem Beschluss nicht und bleibt im Amt, könnte ein Bürgerbegehren zu einem Bürgerentscheid führen. Dann müssten etwa 9.000 wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger Bad Belzigs über die Zukunft des Bürgermeisters entscheiden. Als Termin steht hier der 11. Dezember im Raum.

Remondis will mit 49 % beim Versorger einsteigen

Zugleich stehen Anzeigen gegen den Bürgermeister und den Aufsichtsrat im Raum, gegen die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg verstoßen zu haben. Spekulative Geschäfte in der erfolgten Größenordnung seien für das kommunale Unternehmen unverhältnismäßig und unzulässig, so die Begründung. Die Staatsanwaltschaft in Potsdam prüft den Fall, zwei zuvor bei der Behörde angestrengte Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Geschäftsführer waren über den Anfangsverdacht auf Untreue nicht hinausgekommen und eingestellt worden.

Die Bad Belziger Beteiligungsgesellschaft (BBB), per notariell beglaubigter Urkunde am 13. Oktober gegründet, soll es nun also richten. Daran hält die Kommune 51 %, Remondis Aqua den Rest der Anteile. Das Stammkapital beträgt 1 Mio. Euro, jeweils gemäß Anteilen auf die neuen Partnern aufgeteilt. Am 17. Oktober wird die Stadtverordnetenversammlung (SVV) über das Gebot, das die BBB für die insolventen Stadtwerke abgeben wird, beraten und beschließen. SVV-Vorsitzender Ingo Kampf (SPD) wollte über die Höhe des Gebots, aus dem offene Forderungen und die fortlaufende Geschäftsftätigkeit des Versorgers zu bestreiten wären, gegenüber unserer Redaktion keine Angaben machen.

Sobald Sachwalter Spliedt Amtsgericht Potsdam und Gläubigerversammlung der unterbreiteten Lösung zugestimmt haben, könnte die BBB auch schon wieder Geschichte sein. Dann würden die Partner in entsprechender Konstellation die Stadtwerke als GmbH fortführen und die BBB mit ihr verschmelzen. Kampf hofft auf ein Ende des Insolvenzverfahrens bis Jahresende, damit die "gesunde" Stadtwerke GmbH ab 1. Januar 2023 ihre Geschäfte aufnehmen könne.

Donnerstag, 13.10.2022, 17:01 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Stadtwerke - Im November soll Remondis-Einstieg den Belziger Versorger retten
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Stadtwerke
Im November soll Remondis-Einstieg den Belziger Versorger retten
Für die Rettung der insolventen Stadtwerke Bad Belzig kommt auf der Gläubigerversammlung nur noch eine Lösung in Frage: die Kooperation der Kommune mit dem Entsorgungsmulti Remondis.
Die Würfel sind offenbar gefallen. Die Zukunft der Stadtwerke Bad Belzig GmbH führt allein über einen Einstieg des Entsorgungsmultis Remondis aus Lünen. Nur in einer Beteiligungsgesellschaft der Westfalen mit der brandenburgischen Kommune sieht der Berliner Anwalt Jürgen Spliedt, Sachwalter im laufenden Insolvenzverfahren, Erfolgsaussichten für das Fortbestehen der Stadtwerke.

Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte Spliedt, bei der im November anzusetzenden Gläubigerversammlung werde es von ihm keinen weiteren Vorschlag zur Rettung des überschuldeten Versorgers geben. Offiziell seit April 2022 läuft das vom Amtsgericht Potsdam genehmigte Insolvenzverfahren, das die Stadtwerke auf Antrag in Eigenverwaltung durchführen dürfen. Seither sammelt Spliedt die Forderungen der Gläubiger und zugleich Interessierte für eine Übernahme oder einen Einstieg ein. Grundsätzlich hatte Spliedt nach seinem Einarbeiten Optimismus verbreitet, dass die Stadtwerke nicht zerschlagen werden müssten.

Abwahlverfahren für Bürgermeister auf dem Weg

Mitte vergangenen Jahres war der Skandal um hochriskante Warentermingeschäfte offenkundig geworden. Der frühere Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Belzig hatte mit Leerkäufen von Strom spekuliert und damit zweistellige Millionen-Verluste produziert. Im Idealfall werfen Geschäfte dieser Art einen guten Gewinn ab, sofern die Einkaufspreise zur Terminstellung unter dem ausgehandelten Verkaufspreis liegen.

Die Stadtwerke selbst verfügten seinerzeit nur über etwa 1.000 zu beliefernde Abnahmestellen, die zur Katastrophe führenden Leerverkäufe von Strom waren aber in einem Umfang erfolgt, der 40.000 Haushalte versorgen könnte. Als die kleinen Stadtwerke dem Energieriesen Vattenfall die verabredeten Mengen liefern sollten, hatte der Wind auf dem Energiemarkt sich inzwischen gedreht. Die Preise waren in die Höhe geschossen und Bad Belzig stand in der Kreide – Stand heute mit bis zu 40 Mio. Euro. Der Geschäftsführer musste im November seinen Hut nehmen, inzwischen hat der Versorger sich vom Stromvertrieb getrennt.

Seither toben Auseinandersetzungen um die Deutungshoheit. Aufsichtsrat und Bürgermeister weisen jegliche Mitverantwortung für das Gebaren des Ex-Geschäftsführers von sich. Ehemalige Angestellte behaupten hingegen, Roland Leisegang, parteiloser Bürgermeister in Bad Belzig und Aufsichtsratsmitglied, habe von den Leerverkäufen gewusst.

Infolgedessen sieht Leisegang sich inzwischen einem Abwahlverfahren ausgesetzt, für das die Stadtverordnetenversammlung (SVV) auf Betreiben einer Bürgerinitiative im September den Weg geebnet hat. Am 17. Oktober muss eine Mehrheit von mindestens 16 der 23 Frauen und Männer in der SVV für eine Abwahl Leisegangs stimmen. Folgt er diesem Beschluss nicht und bleibt im Amt, könnte ein Bürgerbegehren zu einem Bürgerentscheid führen. Dann müssten etwa 9.000 wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger Bad Belzigs über die Zukunft des Bürgermeisters entscheiden. Als Termin steht hier der 11. Dezember im Raum.

Remondis will mit 49 % beim Versorger einsteigen

Zugleich stehen Anzeigen gegen den Bürgermeister und den Aufsichtsrat im Raum, gegen die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg verstoßen zu haben. Spekulative Geschäfte in der erfolgten Größenordnung seien für das kommunale Unternehmen unverhältnismäßig und unzulässig, so die Begründung. Die Staatsanwaltschaft in Potsdam prüft den Fall, zwei zuvor bei der Behörde angestrengte Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Geschäftsführer waren über den Anfangsverdacht auf Untreue nicht hinausgekommen und eingestellt worden.

Die Bad Belziger Beteiligungsgesellschaft (BBB), per notariell beglaubigter Urkunde am 13. Oktober gegründet, soll es nun also richten. Daran hält die Kommune 51 %, Remondis Aqua den Rest der Anteile. Das Stammkapital beträgt 1 Mio. Euro, jeweils gemäß Anteilen auf die neuen Partnern aufgeteilt. Am 17. Oktober wird die Stadtverordnetenversammlung (SVV) über das Gebot, das die BBB für die insolventen Stadtwerke abgeben wird, beraten und beschließen. SVV-Vorsitzender Ingo Kampf (SPD) wollte über die Höhe des Gebots, aus dem offene Forderungen und die fortlaufende Geschäftsftätigkeit des Versorgers zu bestreiten wären, gegenüber unserer Redaktion keine Angaben machen.

Sobald Sachwalter Spliedt Amtsgericht Potsdam und Gläubigerversammlung der unterbreiteten Lösung zugestimmt haben, könnte die BBB auch schon wieder Geschichte sein. Dann würden die Partner in entsprechender Konstellation die Stadtwerke als GmbH fortführen und die BBB mit ihr verschmelzen. Kampf hofft auf ein Ende des Insolvenzverfahrens bis Jahresende, damit die "gesunde" Stadtwerke GmbH ab 1. Januar 2023 ihre Geschäfte aufnehmen könne.

Donnerstag, 13.10.2022, 17:01 Uhr
Volker Stephan

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