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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe -
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Aus Der Aktuellen Ausgabe

"Ich bin relativ entspannt mit Blick auf den Winter"

Die BTB Berlin treibt ihre grüne Ausbaustrategie stetig voran. Auch um das wachsende Kundeninteresse zu bedienen, erklärt Geschäftsführer David Weiblein im E&M-Gespräch.
Die Erdgaspreise kennen aufgrund des russischen Angriffskrieges seit Monaten nur eine Richtung und die Corona-Pandemie hat immer noch teils massive Auswirkungen auf die Lieferketten und damit ebenfalls auf Materialpreise und Wartezeiten. Trotzdem zeigt sich David Weiblein im Gespräch mit E&M Anfang August „relativ entspannt“. Er ist der Chef der BTB Berlin, dem zweitgrößten Wärmeversorger Berlins. Die Situation sei mehr als herausfordernd, so Weiblein: „Aber wir haben mit unserem Mix aus verschiedenen Energiequellen eine gute Ausgangsposition, um die nächsten Monate meistern zu können.“ Dennoch werde auch die BTB die gestiegenen Beschaffungskosten an die Kunden weitergeben müssen, wenn auch nicht zu 100 %.

Der BTB-Chef setzt auf unterschiedliche erneuerbare Energien und weiterhin auf die KWK-Technologie. Für ihn kein Widerspruch, sondern konsequent: „Betrachtet man den Energiemix in unserem Fernwärmeverbundnetz, stammen bereits heute fast 60 Prozent aus erneuerbaren Energien, zudem erzeugen wir außerhalb der derzeitigen Krisenlage über 90 Prozent der Energie mittels effizienter Kraft-Wärme-Kopplung.“ Der Berliner Energieversorger baut insbesondere seine Fernwärmeinfrastruktur in der Hauptstadt kontinuierlich aus: „Die stetig wachsende Zahl an Neuanschlüssen an unser Fernwärmenetz macht es notwendig, die Kraftwerkskapazität zu erhöhen. Wir wachsen jährlich um rund 10.000 Kilowatt Anschlussleistung.“
 
David Weiblein, BTB-Chef: „Wir brauchen einen ganzheitlichen Blick auf die Energiebedarfsdeckung in einer Metropole wie Berlin“
Quelle: BTB Berlin/Leon Kopplow

Im Berliner Südosten betreibt das Unternehmen mehrere Heizkraftwerke und ein regionales Fernwärmeverbundnetz mit einer Länge von etwa 160 Kilometern. Rund 660 Mio. kWh Wärme erzeugen die Anlagen derzeit jährlich. Die 60 % aus erneuerbaren Energien erreicht die Eon-Tochter in Berlin dank des seit 2006 laufenden Heizkraftwerks in Neukölln mit 66 MW thermischer rund 20 MW elektrischer Leistung. „Das Kraftwerk wird größtenteils mit Altholz und ergänzend mit Frischholz betrieben“, sagt Weiblein. Weitere 20 % stammen aus Erdgas, zumeist ebenfalls aus Kraft-Wärme-Kopplung, 5 % aus Heizöl. Die restlichen 15 % deckt eine Steinkohle-KWK-Anlage ab − noch. „Wir werden zügig aus der Kohle aussteigen“, sagt Weiblein, „um damit unsere Ausbaustrategie zu einer dekarbonisierten Energieversorgung weiter vorantreiben.“ Derzeit plane die BTB Berlin die Umsetzung für den Ausstieg aus der Steinkohle bis Ende 2024. „Also in weniger als 30 Monaten!“, sagt Weiblein und fügt hinzu: „Auch das wird sehr herausfordernd aus Umsetzungssicht, aber wir gehen davon aus, dass wir das mit unseren Partnern und Mitarbeitenden schaffen werden.“ Für die einzelnen Bausteine zur Transformation des Standorts Schöneweide vom Steinkohleheizkraftwerk zum grünen Energiepark rechnet das Unternehmen aktuell mit insgesamt knapp 100 Mio. Euro Investitionen im Zeitraum 2020 bis 2030.

Rund 35 Mio. Euro Investition für zwei innovative KWK-Systeme

Zum weiteren Aus- und Umbau im Fernwärmeverbund gehören insbesondere zwei neue innovative KWK-Systeme (siehe auch Infokasten), die sich derzeit im Aufbau befinden. Die Anlagen sind mit rund 35 Mio. Euro eine der größten Investitionen in der mehr als 30-jährigen Unternehmensgeschichte. Die zwei iKWK-Systeme entstehen an den Kraftwerksstandorten Adlershof und Schöneweide im Südosten Berlins. Jedes der Projekte wird später aus baugleichen Komponenten bestehen. Als erneuerbare Wärmeerzeuger kommen Großwärmepumpen zum Einsatz.

Am Heizkraftwerk (HKW) Adlershof gehören dann vier hocheffiziente Jenbacher-Gasmotoren zum Erzeugerpark. Der Erweiterungsbau für die neuen Motoren ist schon weit fortgeschritten, die vier baugleichen neuen Blockheizkraftwerke befinden sich bereits vor Ort. Anlagenbauer für den engeren BHKW-Anlagebau ist 2G Energy. Als elektrischer Wärmeerzeuger durften dort CSN-Durchlauferhitzer als Bestandsanlagenkomponenten in das iKWK-Projekt integriert werden.

Im Mai kam außerdem die erste von zwei Flusswasserwärmepumpen als letztes Teil des ersten iKWK-Systems an ihrem Bestimmungsort im Heizkraftwerk Schöneweide an. Damit seien die Großkomponenten der ersten Stufe des iKWK-Ausbaus, bestehend aus zwei Blockheizkraftwerken, der vorhandenen Power-to-Heat-Anlage und der Flusswasserwärmepumpe, komplett. Bis der erste Probelauf der Wärmepumpe starten kann, sei allerdings noch einiges zu tun. Die Anlage muss noch in die technische Peripherie des Fernwärmenetzes der BTB eingebunden werden.
 
Anlieferung und Einbau der ersten Flusswasser-Großwärmepumpe im Heizkraftwerk Schöneweide. Sie ist Teil des iKWK-Systems
Quelle: BTB Berlin/Leon Kopplow

Die beiden Flusswasser-Großwärmepumpen von Friotherm mit je 3.500 kW thermischer Leistung sollen ab 2023 in den Sommermonaten rund die Hälfte des Wärmebedarfs der Kunden mittels Umweltwärme aus der Spree decken, so die Pläne des Versorgers. „Gleichzeitig leiten wir mit der Umweltwärme aus der Spree den Kohleausstieg und den langfristigen Pfad der vollständigen Dekarbonisierung am Standort Schöneweide ein“, sagt Weiblein. „Wir hoffen, dass wir noch im Spätsommer die Anlage ausprobieren können.“ Flusswasserwärmepumpen dieser Dimension seien auch für die BTB Neuland. Die individuell für den Versorger gefertigte Anlage könne nach Inbetriebnahme eine Vorlauftemperatur von über 90 Grad Celsius zur Verfügung stellen und werde mit ihrer maximal möglichen Heizleistung zu den größten dieser Art in Deutschland gehören.

David Weiblein: „Bis 2025 sehen wir ein weiteres Potenzial von 60 Megawatt thermisch“

BTB-Chef Weiblein zeigt sich bislang zufrieden mit den Fortschritten, auch wenn es zu Verzögerungen kam, beispielsweise aufgrund von Lieferkettenproblemen. „Durch die aktuelle Corona- sowie allgemeine Rohstoff- und Liefersituation ist vor allem die Beschaffung von diversen Elektronikbauteilen schwierig“, erzählt Weiblein im Gespräch. Die Inbetriebnahme für die erste Ausbaustufe ist nun für das Frühjahr 2023 geplant. „Mit den beiden iKWK-Systemen erweitern wir als BTB unseren Erzeugungspark und decken so den zusätzlichen Wärmebedarf der Kunden. Bis 2025 sehen wir ein weiteres Potenzial von 60 Megawatt thermisch. Der dafür nötige Netzausbau führt dazu, dass unser Fernwärmeverbundnetz von derzeit rund 160 Kilometern auf eine Länge von 180 Kilometern wachsen wird“, sagt Weiblein. Andererseits würden dank der beiden iKWK-Systeme Teile der Wärmeerzeugung durch Substitution fossiler und nicht gekoppelter Kesselwärme optimiert und so im Vergleich zu 2021 insgesamt bis zu 14.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermieden. Weitere 26.000 Tonnen Einsparung an CO2-Emissionen jährlich erzielt die BTB durch den Kohleausstieg bis Ende 2024.

Neben dem Ausbau der iKWK investiert der Berliner Energieversorger auch in Forschungsprojekte und der Erschließung neuer Energiequellen. So ist am Standort Adlershof Ende vergangenen Jahres ein langjähriges Forschungsprojekt in die Praxisphase gelangt. Um zu prüfen, wie dort saisonale Speicherkonzepte für die Fernwärmeversorgung umsetzbar wären, hat das „Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam“ (GFZ) eine Geothermie-Erkundungsbohrung durchgeführt. Diese soll das nötige Verständnis schaffen, um beurteilen zu können, inwieweit der Untergrund für die Fernwärmeversorgung Berlins mithilfe eines saisonalen geothermischen Aquiferwärmespeichers genutzt werden könnte. „Die ersten Ergebnisse sind erfolgversprechend, der Weg bis zur kommerziellen Nutzung ist aber noch lang“, so Weiblein.

Die BTB Berlin setzt aber nicht nur auf Fernwärme. Sie betreut auch mehr als 60 dezentrale Energieanlagen − von einzelnen Gewerbeimmobilien über große Wohnbauten bis hin zu neu entstehenden Quartiersversorgungen auf Basis von Sektorenkopplung und unter Nutzung lokaler Quellen erneuerbarer Energien. „Wir betrachten die Sektoren Wärme, Kälte, Mobilität und Strom immer gekoppelt. Das hebt Synergiepotenziale, steigert die Effizienz und schont so nachhaltig die Umwelt.“

Nicht überall seien Fernwärmenetze wirtschaftlich möglich und sinnvoll. „Wir brauchen einen ganzheitlichen Blick auf die Energiebedarfsdeckung in einer Metropole wie Berlin“, erklärt Weiblein. Eine nachhaltige Energieversorgung, ob nun zentral über Fernwärme oder dezentral, ist aus seiner Sicht die wirtschaftlich und ökologisch zeitgemäße Antwort auf die sich verändernde Umwelt sowie auf die steigenden Energiepreise. Dazu gehört für ihn auch die Nutzung von Biomethan und Wasserstoff als weitere Bausteine einer nachhaltigen Wärmeversorgung. Hier zeigt sich Weiblein sicher, dass die Gasbranche diese auch zügig zur Verfügung stellen kann und wird.

Allerdings, so Weiblein, solche immensen Bauprojekte bräuchten auch immer den Rückhalt der Politik und die passenden Rahmenbedingungen. „Dank der beihilferechtlichen Genehmigung der BEW verfügt Deutschland nun endlich über ein weiteres vielversprechendes Förderinstrument sowohl für die Errichtung neuer grüner Wärmenetze als auch für die Erweiterung, Verdichtung und Dekarbonisierung bestehender Wärmenetze.“ Wichtig sei aber, jetzt nicht die etablierten Instrumente wie das KWK-Gesetz, das bisher gerade in der Fernwärme vielen Stadtwerken Optionen für Klimaschutz und Ressourcenschonung geboten habe, zu schwächen. So müsse beispielsweise Biomethan nach Auffassung von Weiblein weiterhin auch in der KWK vorgesehen bleiben.

Zu den passenden Rahmenbedingungen gehört für ihn aber auch ein in der Praxis funktionierender Genehmigungsprozess bei den zuständigen Behörden, um Vorhaben wie die geplante Geothermieanlage umsetzen zu können. Insgesamt zeigt sich der kaufmännische Geschäftsführer optimistisch, dass sein Unternehmen − auch dank seiner Mitarbeitenden − weiterhin den Herausforderungen gewachsen ist.


Fakten zu iKWK-Systemen
Bei einem innovativen KWK-System wird ein Blockheizkraftwerk mit einer erneuerbaren Wärmequelle und einem elektrischen Wärmeerzeuger zu einem System verbunden. Als elektrischer Wärmeerzeuger kann eine Power-to-Heat-Anlage zum Einsatz kommen. Alle Komponenten müssen zwingend in dasselbe Wärme- oder Kältenetz einspeisen und über eine gemeinsame Steuerungs- und Regelungstechnik verfügen. Seit 2018 können Versorger, Unternehmen und Kommunen zweimal im Jahr an iKWK-Ausschreibungen teilnehmen.

Die BTB Berlin
Die BTB (Blockheizkraftwerks- Träger- und Betreibergesellschaft mbH) Berlin wurde 1990 in Berlin gegründet. Der Energieversorger plant, finanziert, errichtet und betreibt Energienetze und dezentrale Einzelanlagen zur Versorgung mit Wärme, Strom, Kälte und Dampf. In Berlin versorgt die BTB im Fernwärmeverbund mehr als 100.000 Wohnungen, Gewerbeimmobilien, öffentliche Einrichtungen und wichtige Industrie- und Forschungsstandorte.

Mittwoch, 7.09.2022, 09:30 Uhr
Heidi Roider
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe -
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe
"Ich bin relativ entspannt mit Blick auf den Winter"
Die BTB Berlin treibt ihre grüne Ausbaustrategie stetig voran. Auch um das wachsende Kundeninteresse zu bedienen, erklärt Geschäftsführer David Weiblein im E&M-Gespräch.
Die Erdgaspreise kennen aufgrund des russischen Angriffskrieges seit Monaten nur eine Richtung und die Corona-Pandemie hat immer noch teils massive Auswirkungen auf die Lieferketten und damit ebenfalls auf Materialpreise und Wartezeiten. Trotzdem zeigt sich David Weiblein im Gespräch mit E&M Anfang August „relativ entspannt“. Er ist der Chef der BTB Berlin, dem zweitgrößten Wärmeversorger Berlins. Die Situation sei mehr als herausfordernd, so Weiblein: „Aber wir haben mit unserem Mix aus verschiedenen Energiequellen eine gute Ausgangsposition, um die nächsten Monate meistern zu können.“ Dennoch werde auch die BTB die gestiegenen Beschaffungskosten an die Kunden weitergeben müssen, wenn auch nicht zu 100 %.

Der BTB-Chef setzt auf unterschiedliche erneuerbare Energien und weiterhin auf die KWK-Technologie. Für ihn kein Widerspruch, sondern konsequent: „Betrachtet man den Energiemix in unserem Fernwärmeverbundnetz, stammen bereits heute fast 60 Prozent aus erneuerbaren Energien, zudem erzeugen wir außerhalb der derzeitigen Krisenlage über 90 Prozent der Energie mittels effizienter Kraft-Wärme-Kopplung.“ Der Berliner Energieversorger baut insbesondere seine Fernwärmeinfrastruktur in der Hauptstadt kontinuierlich aus: „Die stetig wachsende Zahl an Neuanschlüssen an unser Fernwärmenetz macht es notwendig, die Kraftwerkskapazität zu erhöhen. Wir wachsen jährlich um rund 10.000 Kilowatt Anschlussleistung.“
 
David Weiblein, BTB-Chef: „Wir brauchen einen ganzheitlichen Blick auf die Energiebedarfsdeckung in einer Metropole wie Berlin“
Quelle: BTB Berlin/Leon Kopplow

Im Berliner Südosten betreibt das Unternehmen mehrere Heizkraftwerke und ein regionales Fernwärmeverbundnetz mit einer Länge von etwa 160 Kilometern. Rund 660 Mio. kWh Wärme erzeugen die Anlagen derzeit jährlich. Die 60 % aus erneuerbaren Energien erreicht die Eon-Tochter in Berlin dank des seit 2006 laufenden Heizkraftwerks in Neukölln mit 66 MW thermischer rund 20 MW elektrischer Leistung. „Das Kraftwerk wird größtenteils mit Altholz und ergänzend mit Frischholz betrieben“, sagt Weiblein. Weitere 20 % stammen aus Erdgas, zumeist ebenfalls aus Kraft-Wärme-Kopplung, 5 % aus Heizöl. Die restlichen 15 % deckt eine Steinkohle-KWK-Anlage ab − noch. „Wir werden zügig aus der Kohle aussteigen“, sagt Weiblein, „um damit unsere Ausbaustrategie zu einer dekarbonisierten Energieversorgung weiter vorantreiben.“ Derzeit plane die BTB Berlin die Umsetzung für den Ausstieg aus der Steinkohle bis Ende 2024. „Also in weniger als 30 Monaten!“, sagt Weiblein und fügt hinzu: „Auch das wird sehr herausfordernd aus Umsetzungssicht, aber wir gehen davon aus, dass wir das mit unseren Partnern und Mitarbeitenden schaffen werden.“ Für die einzelnen Bausteine zur Transformation des Standorts Schöneweide vom Steinkohleheizkraftwerk zum grünen Energiepark rechnet das Unternehmen aktuell mit insgesamt knapp 100 Mio. Euro Investitionen im Zeitraum 2020 bis 2030.

Rund 35 Mio. Euro Investition für zwei innovative KWK-Systeme

Zum weiteren Aus- und Umbau im Fernwärmeverbund gehören insbesondere zwei neue innovative KWK-Systeme (siehe auch Infokasten), die sich derzeit im Aufbau befinden. Die Anlagen sind mit rund 35 Mio. Euro eine der größten Investitionen in der mehr als 30-jährigen Unternehmensgeschichte. Die zwei iKWK-Systeme entstehen an den Kraftwerksstandorten Adlershof und Schöneweide im Südosten Berlins. Jedes der Projekte wird später aus baugleichen Komponenten bestehen. Als erneuerbare Wärmeerzeuger kommen Großwärmepumpen zum Einsatz.

Am Heizkraftwerk (HKW) Adlershof gehören dann vier hocheffiziente Jenbacher-Gasmotoren zum Erzeugerpark. Der Erweiterungsbau für die neuen Motoren ist schon weit fortgeschritten, die vier baugleichen neuen Blockheizkraftwerke befinden sich bereits vor Ort. Anlagenbauer für den engeren BHKW-Anlagebau ist 2G Energy. Als elektrischer Wärmeerzeuger durften dort CSN-Durchlauferhitzer als Bestandsanlagenkomponenten in das iKWK-Projekt integriert werden.

Im Mai kam außerdem die erste von zwei Flusswasserwärmepumpen als letztes Teil des ersten iKWK-Systems an ihrem Bestimmungsort im Heizkraftwerk Schöneweide an. Damit seien die Großkomponenten der ersten Stufe des iKWK-Ausbaus, bestehend aus zwei Blockheizkraftwerken, der vorhandenen Power-to-Heat-Anlage und der Flusswasserwärmepumpe, komplett. Bis der erste Probelauf der Wärmepumpe starten kann, sei allerdings noch einiges zu tun. Die Anlage muss noch in die technische Peripherie des Fernwärmenetzes der BTB eingebunden werden.
 
Anlieferung und Einbau der ersten Flusswasser-Großwärmepumpe im Heizkraftwerk Schöneweide. Sie ist Teil des iKWK-Systems
Quelle: BTB Berlin/Leon Kopplow

Die beiden Flusswasser-Großwärmepumpen von Friotherm mit je 3.500 kW thermischer Leistung sollen ab 2023 in den Sommermonaten rund die Hälfte des Wärmebedarfs der Kunden mittels Umweltwärme aus der Spree decken, so die Pläne des Versorgers. „Gleichzeitig leiten wir mit der Umweltwärme aus der Spree den Kohleausstieg und den langfristigen Pfad der vollständigen Dekarbonisierung am Standort Schöneweide ein“, sagt Weiblein. „Wir hoffen, dass wir noch im Spätsommer die Anlage ausprobieren können.“ Flusswasserwärmepumpen dieser Dimension seien auch für die BTB Neuland. Die individuell für den Versorger gefertigte Anlage könne nach Inbetriebnahme eine Vorlauftemperatur von über 90 Grad Celsius zur Verfügung stellen und werde mit ihrer maximal möglichen Heizleistung zu den größten dieser Art in Deutschland gehören.

David Weiblein: „Bis 2025 sehen wir ein weiteres Potenzial von 60 Megawatt thermisch“

BTB-Chef Weiblein zeigt sich bislang zufrieden mit den Fortschritten, auch wenn es zu Verzögerungen kam, beispielsweise aufgrund von Lieferkettenproblemen. „Durch die aktuelle Corona- sowie allgemeine Rohstoff- und Liefersituation ist vor allem die Beschaffung von diversen Elektronikbauteilen schwierig“, erzählt Weiblein im Gespräch. Die Inbetriebnahme für die erste Ausbaustufe ist nun für das Frühjahr 2023 geplant. „Mit den beiden iKWK-Systemen erweitern wir als BTB unseren Erzeugungspark und decken so den zusätzlichen Wärmebedarf der Kunden. Bis 2025 sehen wir ein weiteres Potenzial von 60 Megawatt thermisch. Der dafür nötige Netzausbau führt dazu, dass unser Fernwärmeverbundnetz von derzeit rund 160 Kilometern auf eine Länge von 180 Kilometern wachsen wird“, sagt Weiblein. Andererseits würden dank der beiden iKWK-Systeme Teile der Wärmeerzeugung durch Substitution fossiler und nicht gekoppelter Kesselwärme optimiert und so im Vergleich zu 2021 insgesamt bis zu 14.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermieden. Weitere 26.000 Tonnen Einsparung an CO2-Emissionen jährlich erzielt die BTB durch den Kohleausstieg bis Ende 2024.

Neben dem Ausbau der iKWK investiert der Berliner Energieversorger auch in Forschungsprojekte und der Erschließung neuer Energiequellen. So ist am Standort Adlershof Ende vergangenen Jahres ein langjähriges Forschungsprojekt in die Praxisphase gelangt. Um zu prüfen, wie dort saisonale Speicherkonzepte für die Fernwärmeversorgung umsetzbar wären, hat das „Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam“ (GFZ) eine Geothermie-Erkundungsbohrung durchgeführt. Diese soll das nötige Verständnis schaffen, um beurteilen zu können, inwieweit der Untergrund für die Fernwärmeversorgung Berlins mithilfe eines saisonalen geothermischen Aquiferwärmespeichers genutzt werden könnte. „Die ersten Ergebnisse sind erfolgversprechend, der Weg bis zur kommerziellen Nutzung ist aber noch lang“, so Weiblein.

Die BTB Berlin setzt aber nicht nur auf Fernwärme. Sie betreut auch mehr als 60 dezentrale Energieanlagen − von einzelnen Gewerbeimmobilien über große Wohnbauten bis hin zu neu entstehenden Quartiersversorgungen auf Basis von Sektorenkopplung und unter Nutzung lokaler Quellen erneuerbarer Energien. „Wir betrachten die Sektoren Wärme, Kälte, Mobilität und Strom immer gekoppelt. Das hebt Synergiepotenziale, steigert die Effizienz und schont so nachhaltig die Umwelt.“

Nicht überall seien Fernwärmenetze wirtschaftlich möglich und sinnvoll. „Wir brauchen einen ganzheitlichen Blick auf die Energiebedarfsdeckung in einer Metropole wie Berlin“, erklärt Weiblein. Eine nachhaltige Energieversorgung, ob nun zentral über Fernwärme oder dezentral, ist aus seiner Sicht die wirtschaftlich und ökologisch zeitgemäße Antwort auf die sich verändernde Umwelt sowie auf die steigenden Energiepreise. Dazu gehört für ihn auch die Nutzung von Biomethan und Wasserstoff als weitere Bausteine einer nachhaltigen Wärmeversorgung. Hier zeigt sich Weiblein sicher, dass die Gasbranche diese auch zügig zur Verfügung stellen kann und wird.

Allerdings, so Weiblein, solche immensen Bauprojekte bräuchten auch immer den Rückhalt der Politik und die passenden Rahmenbedingungen. „Dank der beihilferechtlichen Genehmigung der BEW verfügt Deutschland nun endlich über ein weiteres vielversprechendes Förderinstrument sowohl für die Errichtung neuer grüner Wärmenetze als auch für die Erweiterung, Verdichtung und Dekarbonisierung bestehender Wärmenetze.“ Wichtig sei aber, jetzt nicht die etablierten Instrumente wie das KWK-Gesetz, das bisher gerade in der Fernwärme vielen Stadtwerken Optionen für Klimaschutz und Ressourcenschonung geboten habe, zu schwächen. So müsse beispielsweise Biomethan nach Auffassung von Weiblein weiterhin auch in der KWK vorgesehen bleiben.

Zu den passenden Rahmenbedingungen gehört für ihn aber auch ein in der Praxis funktionierender Genehmigungsprozess bei den zuständigen Behörden, um Vorhaben wie die geplante Geothermieanlage umsetzen zu können. Insgesamt zeigt sich der kaufmännische Geschäftsführer optimistisch, dass sein Unternehmen − auch dank seiner Mitarbeitenden − weiterhin den Herausforderungen gewachsen ist.


Fakten zu iKWK-Systemen
Bei einem innovativen KWK-System wird ein Blockheizkraftwerk mit einer erneuerbaren Wärmequelle und einem elektrischen Wärmeerzeuger zu einem System verbunden. Als elektrischer Wärmeerzeuger kann eine Power-to-Heat-Anlage zum Einsatz kommen. Alle Komponenten müssen zwingend in dasselbe Wärme- oder Kältenetz einspeisen und über eine gemeinsame Steuerungs- und Regelungstechnik verfügen. Seit 2018 können Versorger, Unternehmen und Kommunen zweimal im Jahr an iKWK-Ausschreibungen teilnehmen.

Die BTB Berlin
Die BTB (Blockheizkraftwerks- Träger- und Betreibergesellschaft mbH) Berlin wurde 1990 in Berlin gegründet. Der Energieversorger plant, finanziert, errichtet und betreibt Energienetze und dezentrale Einzelanlagen zur Versorgung mit Wärme, Strom, Kälte und Dampf. In Berlin versorgt die BTB im Fernwärmeverbund mehr als 100.000 Wohnungen, Gewerbeimmobilien, öffentliche Einrichtungen und wichtige Industrie- und Forschungsstandorte.

Mittwoch, 7.09.2022, 09:30 Uhr
Heidi Roider

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