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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Hochzeit unter Auflagen
Quelle: Shutterstock / Dabarti CGI
E&M Vor 20 Jahren

Hochzeit unter Auflagen

Vor 20 Jahren erteilte Staatssekretär Alfred Tacke eine Ministererlaubnis mit weitreichenden Folgen für die Energiewirtschaft.
Die Ministererlaubnis zur Übernahme der Ruhrgas durch Eon war erwartet worden. Wochenlang hatte die Branche Zeit, sich auf den Moment einzustellen. Als es dann soweit war, überkam viele Menschen in der Energiewirtschaft das Gefühl dabei zu sein, wenn Geschichte geschrieben wird, auch wenn einige Beobachter das Verfahren am Ende mit einem Schauprozess verglichen. Bis heute im Jahr 2022 wurden in Deutschland erst zehn solcher Sondergenehmigungen erteilt.

Nachdem sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos), der vor seiner politischen Karriere unter anderem für RWE arbeitete, über das Veto von Bundeskartellamt und Monopolkommission hinwegsetzen, die Entscheidung aber nicht selbst treffen wollte, übertrug er die Verkündung der Ministererlaubnis seinem Staatssekretär Alfred Tacke (SPD). „Tacke ließ sich Zeit mit seiner Entscheidung, das sollte die ernsthafte Prüfung dessen vortäuschen, was Bundeskartellamt und Monopolkommission ablehnten“, kommentierte damals E&M-Chefredakteur Helmut Sendner. Die Behörden hatten argumentiert, die Verbindung Eon-Ruhrgas schade den Verbrauchern.

Den Befürwortern der Fusion zufolge sei es letztlich aber nebensächlich, ob die Kunden Gas etwas billiger oder teurer bekommen. Denn es bestehe die Gefahr, dass sie gar keines mehr bekommen, wenn nicht ein großes Unternehmen die Versorgung sicherstelle.

Die Auflagen, die Braut und Bräutigam hatten hinnehmen müssen, waren letztlich Augenwischerei. Denn der Zusammenschluss führte zu keinem Deut mehr Versorgungssicherheit. 
In einem E&M vorliegenden Gutachten zur Zulässigkeit der Ministererlaubnis, hatte die Kanzlei Becker Büttner Held damals geurteilt: „Wie die Untersuchung gezeigt hat, liegen – abgesehen von der nicht relevanten Stärkung der Finanzkraft von Ruhrgas – keine Vorteile für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Ruhrgas vor. Damit entstehen auch keine gesamtwirtschaftlichen Vorteile.“ Somit war die Tür für eine juristische Auseinandersetzung aufgestoßen.

Hier ein Beitrag der damaligen E&M-Korrespondentin Cerstin Gammelin vom 5. Juli 2002.

 
Die Ruhrgas-Zentrale in Essen (2008)
Quelle: Eon Ruhrgas

Die Übernahme von Ruhrgas durch Eon eröffnet nach Ansicht ihrer Befürworter einen Wettbewerb internationaler Gasproduzenten auf europäischem Niveau. Die Gegner sehen durch die vertikal integrierte Gasmacht des neuen Gespanns Verbraucherinteressen stark bedroht. Wie erwartet, sprach Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, heute in Berlin gegen die Bedenken von Kartellamt und Monopolkommission die sogenannte und lange diskutierte Ministererlaubnis gemäß Paragraph 42 GWB aus. Die Düsseldorfer Eon AG darf demnach die Mehrheit an der Ruhrgas AG, Essen, übernehmen.
 
„Damit entsteht ein leistungsfähiges Unternehmen, das durch seine vertikale Integration auf lange Sicht international wettbewerbsfähig ist und dadurch für Deutschland den Erdgasbezug sichert“, sagte Tacke zur Begründung seiner Entscheidung. Im Zuge des Verfahrens zur Erteilung der Ministererlaubnis waren 45 Unternehmen gehört worden. Eon und Ruhrgas haben die mit der Erlaubnis verbundenen Auflagen akzeptiert. Nachdem sich Eon in den letzten Tagen auch mit Exxon Mobil, Shell und TUI (Preussag) auf die Übernahme von deren Anteilen (40 %) an Ruhrgas geeinigt hatte, wird der Düsseldorfer Energiekonzern das Gasunternehmen voraussichtlich zu 100 % übernehmen. Nach Informationen aus dem Bundeswirtschaftsministerium wird die Übernahme Eon etwa 10 Mrd. Euro kosten.

Marktmacht wird zementiert


Das Bundeskartellamt hatte den Zusammenschluss der Konzerne unter Hinweis auf wettbewerbliche Nachteile für den Inlandsmarkt untersagt. Auch die Monopolkommission hatte sich gegen die Fusion ausgesprochen.
 
Die Ruhrgas besitzt durch ihren hohen Anteil am deutschen Gasmarkt – 58 % des in Deutschland verbrauchten Erdgases stammen aus Ruhrgas-Lieferungen – bereits eine beherrschende Stellung. Diese würde durch den Zusammenschluss noch verstärkt, argumentierten die Wettbewerbshüter.

Tacke sagte in Berlin, die wettbewerblichen Nachteile, auf die das Bundeskartellamt und die Monopolkommission ihre ablehnende Haltung bezogen hatten, würden durch strenge Auflagen zur Ministererlaubnis praktisch ausgeglichen. Nach dem Rückzug der internationalen Gasproduzenten BP, Exxon Mobil und Shell aus der Ruhrgas und in Folge des dadurch beflügelten Wettbewerbs in Deutschland würden am Ende die gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Fusion auf den internationalen Märkten überwiegen, ohne dass der heimische Wettbewerb auf der Strecke bleibe, so Tacke. „Ich habe die Einwände der Monopolkommission und von Wettbewerbern gegen die Fusion sehr ernst genommen. Die verhängten Auflagen sorgen dafür, dass die Marktstrukturen und die Wettbewerbsbedingungen auch nach dem Zusammenschluss Wettbewerb erwarten lassen.“

Eine unternehmerische Weiterentwicklung der Ruhrgas in der derzeitigen Aktionärsstruktur wäre nur eingeschränkt möglich gewesen, erläuterte der Staatssekretär. Unterschiedliche Gesellschafter hätten möglicherweise eine einheitliche Unternehmenspolitik und, damit verbunden, eine verbesserte Kapitalausstattung blockiert. Damit wäre der Essener Gaskonzern im europäischen Wettbewerb langfristig handlungsunfähig geworden, was zu einer Gefährdung der Versorgung Deutschlands mit Erdgas geführt hätte, so die Einschätzung des Wirtschaftsministeriums.
 
Investitionen in die russische Gaswirtschaft
 
„Eon hat uns zugesagt, mittelfristig sechs bis acht Milliarden Euro in die Ruhrgas zu investieren“, so Tacke. Damit werde die Versorgung der Bundesrepublik, die heute bereits 80 % ihres Erdgases überwiegend aus Russland, Norwegen und den Niederlanden importiert, gestärkt. Denn Ruhrgas könne sich künftig neben dem Abschluss langfristiger Lieferverträge verstärkt an Gasproduzenten oder Gasfeldern beteiligen, sagte der Staatssekretär und verwies auf die Ankündigung der russischen Erdgaswirtschaft, die für die kommenden Jahrzehnte einen Investitionsbedarf im dreistelligen Milliardenbereich veranschlagt. Das Risiko dieser künftig von Eon getragenen Investitionen der Ruhrgas in die russische Gaswirtschaft ließ sich der Düsseldorfer Konzern politisch sichern: Durch die vertikale Integration mit Kapazitäten vom Import über den Ferntransport bis zur Verteilung an die Endkunden besitzt der Unternehmensverbund aus Eon und Ruhrgas quasi eine Absatzgarantie im Heimatland.
 
Wettbewerb will Tacke vor allem auf der Ferngasstufe schaffen. Ihre Beteiligungen an der Verbundnetz Gas AG (VNG), Leipzig, müssen Eon (5,26 %) und Ruhrgas (36,84 %) innerhalb der nächsten sechs Monate abgeben. Gleichzeitig verfügte das Wirtschaftsministerium, dass die an der VNG beteiligten Kommunen ihren Unternehmensanteil von bisher 15,79 % auf mindestens 25 % - die Sperrminorität im Aktienrecht - aufstocken können. Ein strategischer Investor könne maximal 26 % an der VNG erwerben.
 
„Kein Aktionär soll einen beherrschenden Einfluss ausüben können, die VNG soll als unabhängiges ostdeutsches Unternehmen erhalten bleiben und in Wettbewerb zur Ruhrgas treten“, begründete Tacke die Möglichkeiten für ein künftig stärkeres Mitspracherecht der Kommunen. Der neue Investor, der Tacke zufolge aus dem In- oder Ausland kommen könne, werde eingehend hinsichtlich seiner Unternehmensstrategie geprüft. „Das Wirtschaftsministerium hat sich einen Zustimmungsvorbehalt gesichert.“
 
Eon muss sich von Beteiligungen trennen

Außerdem muss sich Eon von seinen Beteiligungen an der Oldenburger EWE AG (27,4 %), an der Gelsenkirchener Gelsenwasser AG (80,5 %), an der swb AG Bremen (24,1 %) sowie an der Bayerngas GmbH (22 %) in München trennen. Die Beteiligungen müssen ebenfalls an strategische Investoren abgegeben werden. Die Ruhrgas-Beteiligungen an swb (11,3 %) und Bayerngas (22 %) bleiben von den Auflagen unberührt. Die Auflage zur Abgabe von Gelsenwasser wird in Gaswirtschaftskreisen als Zugeständnis an die RWE AG gewertet, die mit dem Großunternehmen ihre Wasserversorgungs-Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen arrondieren könnte.

Eon und Ruhrgas wurden außerdem verpflichtet, in den kommenden drei Jahren 75 Mrd. kWh kontrahiertes, als vertraglich gesichertes Import-Erdgas per Auktion an Wettbewerber abzugeben, verwies Tacke auf eine weitere Auflage. Diese Gasmenge entspricht etwa 5 % des heutigen Gesamtabsatzes der Ruhrgas. Tacke verteidigte die schwache Auflage mit dem Hinweis, auch durch 5 % freie Gasmengen könne der Handel forciert werden. Außerdem sehe das Auflagenpapier vor, dass Unternehmen, die heute zu 100 % Erdgas von der Ruhrgas beziehen würden, diesen Anteil künftig auf 80 % reduzieren könnten.

Die vierte Auflage bezieht sich prinzipiell auf das bereits in der Verbändevereinbarung II Gas festgeschriebene „legal unbundling“. Danach muss Ruhrgas Netzbetrieb und Erdgashandel künftig gesellschaftsrechtlich trennen, um einen diskriminierungsfreien Wettbewerb zu garantieren. „Wir haben die Option zu Pflicht gemacht“, sagte Tacke und verwies auf weitere Regelungen. Danach haben sich Eon und Ruhrgas verpflichtet, bei der Gasdurchleitung für Dritte Bilanzausgleiche bis zu 15 % Unter- oder Überlieferung kostenlos durchzuführen, künftig standardisierte Verträge zu nutzen und unterjährige Verträge abzuschließen.

Die Thüga habe nicht zur Diskussion gestanden, da Eon weitreichende Änderungen in wichtigen Stadtwerken vor allem im Norden der Bundesrepublik zugesagt habe. Außerdem sei die vertikale Integration das Ziel der Fusion gewesen. „Da der Absatz des Erdgases in Deutschland gesichert werden muss, brauchen wir die vertikale Integration. Endkunden sichern den Wettbewerb im Beschaffungsmarkt“, so Tacke. Eon Energie AG und Ruhrgas AG haben sich bereits darauf verständigt, dass die Mehrheitsbeteiligung der Eon Energie AG (57,26 %) an Thüga auf Ruhrgas übergeht, so die Münchner Beteiligungsgesellschaft. Ruhrgas ist zurzeit über ihre Tochtergesellschaft Ruhrgas Energie Beteiligungs-Aktiengesellschaft bereits mit 10 % an Thüga beteiligt.

Eine Prognose zur künftigen Entwicklung der Gas- und Strompreise wollte der Staatssekretär nicht wagen. Allerdings solle die Fusion der Konzerne den Wettbewerb entfachen, „und Wettbewerb dient den Verbrauchern“. Tacke geht außerdem davon aus, dass der Zusammenschluss durch den forcierten Wettbewerb für mehr Beschäftigung im bundesdeutschen Energiemarkt sorgt. „Ohne Veränderungen würde kein neuer Arbeitsplatz entstehen.“

Klagen gegen den Entscheid sieht der Staatssekretär, an den Bundeswirtschaftsminister Werner Müller die Entscheidung delegiert hatte, gelassen entgegen. „Ich gehe davon aus, dass die Genehmigung gerichtsfest ist.“
 

Freitag, 24.06.2022, 17:53 Uhr
Cerstin Gammelin und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Hochzeit unter Auflagen
Quelle: Shutterstock / Dabarti CGI
E&M Vor 20 Jahren
Hochzeit unter Auflagen
Vor 20 Jahren erteilte Staatssekretär Alfred Tacke eine Ministererlaubnis mit weitreichenden Folgen für die Energiewirtschaft.
Die Ministererlaubnis zur Übernahme der Ruhrgas durch Eon war erwartet worden. Wochenlang hatte die Branche Zeit, sich auf den Moment einzustellen. Als es dann soweit war, überkam viele Menschen in der Energiewirtschaft das Gefühl dabei zu sein, wenn Geschichte geschrieben wird, auch wenn einige Beobachter das Verfahren am Ende mit einem Schauprozess verglichen. Bis heute im Jahr 2022 wurden in Deutschland erst zehn solcher Sondergenehmigungen erteilt.

Nachdem sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos), der vor seiner politischen Karriere unter anderem für RWE arbeitete, über das Veto von Bundeskartellamt und Monopolkommission hinwegsetzen, die Entscheidung aber nicht selbst treffen wollte, übertrug er die Verkündung der Ministererlaubnis seinem Staatssekretär Alfred Tacke (SPD). „Tacke ließ sich Zeit mit seiner Entscheidung, das sollte die ernsthafte Prüfung dessen vortäuschen, was Bundeskartellamt und Monopolkommission ablehnten“, kommentierte damals E&M-Chefredakteur Helmut Sendner. Die Behörden hatten argumentiert, die Verbindung Eon-Ruhrgas schade den Verbrauchern.

Den Befürwortern der Fusion zufolge sei es letztlich aber nebensächlich, ob die Kunden Gas etwas billiger oder teurer bekommen. Denn es bestehe die Gefahr, dass sie gar keines mehr bekommen, wenn nicht ein großes Unternehmen die Versorgung sicherstelle.

Die Auflagen, die Braut und Bräutigam hatten hinnehmen müssen, waren letztlich Augenwischerei. Denn der Zusammenschluss führte zu keinem Deut mehr Versorgungssicherheit. 
In einem E&M vorliegenden Gutachten zur Zulässigkeit der Ministererlaubnis, hatte die Kanzlei Becker Büttner Held damals geurteilt: „Wie die Untersuchung gezeigt hat, liegen – abgesehen von der nicht relevanten Stärkung der Finanzkraft von Ruhrgas – keine Vorteile für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Ruhrgas vor. Damit entstehen auch keine gesamtwirtschaftlichen Vorteile.“ Somit war die Tür für eine juristische Auseinandersetzung aufgestoßen.

Hier ein Beitrag der damaligen E&M-Korrespondentin Cerstin Gammelin vom 5. Juli 2002.

 
Die Ruhrgas-Zentrale in Essen (2008)
Quelle: Eon Ruhrgas

Die Übernahme von Ruhrgas durch Eon eröffnet nach Ansicht ihrer Befürworter einen Wettbewerb internationaler Gasproduzenten auf europäischem Niveau. Die Gegner sehen durch die vertikal integrierte Gasmacht des neuen Gespanns Verbraucherinteressen stark bedroht. Wie erwartet, sprach Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, heute in Berlin gegen die Bedenken von Kartellamt und Monopolkommission die sogenannte und lange diskutierte Ministererlaubnis gemäß Paragraph 42 GWB aus. Die Düsseldorfer Eon AG darf demnach die Mehrheit an der Ruhrgas AG, Essen, übernehmen.
 
„Damit entsteht ein leistungsfähiges Unternehmen, das durch seine vertikale Integration auf lange Sicht international wettbewerbsfähig ist und dadurch für Deutschland den Erdgasbezug sichert“, sagte Tacke zur Begründung seiner Entscheidung. Im Zuge des Verfahrens zur Erteilung der Ministererlaubnis waren 45 Unternehmen gehört worden. Eon und Ruhrgas haben die mit der Erlaubnis verbundenen Auflagen akzeptiert. Nachdem sich Eon in den letzten Tagen auch mit Exxon Mobil, Shell und TUI (Preussag) auf die Übernahme von deren Anteilen (40 %) an Ruhrgas geeinigt hatte, wird der Düsseldorfer Energiekonzern das Gasunternehmen voraussichtlich zu 100 % übernehmen. Nach Informationen aus dem Bundeswirtschaftsministerium wird die Übernahme Eon etwa 10 Mrd. Euro kosten.

Marktmacht wird zementiert


Das Bundeskartellamt hatte den Zusammenschluss der Konzerne unter Hinweis auf wettbewerbliche Nachteile für den Inlandsmarkt untersagt. Auch die Monopolkommission hatte sich gegen die Fusion ausgesprochen.
 
Die Ruhrgas besitzt durch ihren hohen Anteil am deutschen Gasmarkt – 58 % des in Deutschland verbrauchten Erdgases stammen aus Ruhrgas-Lieferungen – bereits eine beherrschende Stellung. Diese würde durch den Zusammenschluss noch verstärkt, argumentierten die Wettbewerbshüter.

Tacke sagte in Berlin, die wettbewerblichen Nachteile, auf die das Bundeskartellamt und die Monopolkommission ihre ablehnende Haltung bezogen hatten, würden durch strenge Auflagen zur Ministererlaubnis praktisch ausgeglichen. Nach dem Rückzug der internationalen Gasproduzenten BP, Exxon Mobil und Shell aus der Ruhrgas und in Folge des dadurch beflügelten Wettbewerbs in Deutschland würden am Ende die gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Fusion auf den internationalen Märkten überwiegen, ohne dass der heimische Wettbewerb auf der Strecke bleibe, so Tacke. „Ich habe die Einwände der Monopolkommission und von Wettbewerbern gegen die Fusion sehr ernst genommen. Die verhängten Auflagen sorgen dafür, dass die Marktstrukturen und die Wettbewerbsbedingungen auch nach dem Zusammenschluss Wettbewerb erwarten lassen.“

Eine unternehmerische Weiterentwicklung der Ruhrgas in der derzeitigen Aktionärsstruktur wäre nur eingeschränkt möglich gewesen, erläuterte der Staatssekretär. Unterschiedliche Gesellschafter hätten möglicherweise eine einheitliche Unternehmenspolitik und, damit verbunden, eine verbesserte Kapitalausstattung blockiert. Damit wäre der Essener Gaskonzern im europäischen Wettbewerb langfristig handlungsunfähig geworden, was zu einer Gefährdung der Versorgung Deutschlands mit Erdgas geführt hätte, so die Einschätzung des Wirtschaftsministeriums.
 
Investitionen in die russische Gaswirtschaft
 
„Eon hat uns zugesagt, mittelfristig sechs bis acht Milliarden Euro in die Ruhrgas zu investieren“, so Tacke. Damit werde die Versorgung der Bundesrepublik, die heute bereits 80 % ihres Erdgases überwiegend aus Russland, Norwegen und den Niederlanden importiert, gestärkt. Denn Ruhrgas könne sich künftig neben dem Abschluss langfristiger Lieferverträge verstärkt an Gasproduzenten oder Gasfeldern beteiligen, sagte der Staatssekretär und verwies auf die Ankündigung der russischen Erdgaswirtschaft, die für die kommenden Jahrzehnte einen Investitionsbedarf im dreistelligen Milliardenbereich veranschlagt. Das Risiko dieser künftig von Eon getragenen Investitionen der Ruhrgas in die russische Gaswirtschaft ließ sich der Düsseldorfer Konzern politisch sichern: Durch die vertikale Integration mit Kapazitäten vom Import über den Ferntransport bis zur Verteilung an die Endkunden besitzt der Unternehmensverbund aus Eon und Ruhrgas quasi eine Absatzgarantie im Heimatland.
 
Wettbewerb will Tacke vor allem auf der Ferngasstufe schaffen. Ihre Beteiligungen an der Verbundnetz Gas AG (VNG), Leipzig, müssen Eon (5,26 %) und Ruhrgas (36,84 %) innerhalb der nächsten sechs Monate abgeben. Gleichzeitig verfügte das Wirtschaftsministerium, dass die an der VNG beteiligten Kommunen ihren Unternehmensanteil von bisher 15,79 % auf mindestens 25 % - die Sperrminorität im Aktienrecht - aufstocken können. Ein strategischer Investor könne maximal 26 % an der VNG erwerben.
 
„Kein Aktionär soll einen beherrschenden Einfluss ausüben können, die VNG soll als unabhängiges ostdeutsches Unternehmen erhalten bleiben und in Wettbewerb zur Ruhrgas treten“, begründete Tacke die Möglichkeiten für ein künftig stärkeres Mitspracherecht der Kommunen. Der neue Investor, der Tacke zufolge aus dem In- oder Ausland kommen könne, werde eingehend hinsichtlich seiner Unternehmensstrategie geprüft. „Das Wirtschaftsministerium hat sich einen Zustimmungsvorbehalt gesichert.“
 
Eon muss sich von Beteiligungen trennen

Außerdem muss sich Eon von seinen Beteiligungen an der Oldenburger EWE AG (27,4 %), an der Gelsenkirchener Gelsenwasser AG (80,5 %), an der swb AG Bremen (24,1 %) sowie an der Bayerngas GmbH (22 %) in München trennen. Die Beteiligungen müssen ebenfalls an strategische Investoren abgegeben werden. Die Ruhrgas-Beteiligungen an swb (11,3 %) und Bayerngas (22 %) bleiben von den Auflagen unberührt. Die Auflage zur Abgabe von Gelsenwasser wird in Gaswirtschaftskreisen als Zugeständnis an die RWE AG gewertet, die mit dem Großunternehmen ihre Wasserversorgungs-Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen arrondieren könnte.

Eon und Ruhrgas wurden außerdem verpflichtet, in den kommenden drei Jahren 75 Mrd. kWh kontrahiertes, als vertraglich gesichertes Import-Erdgas per Auktion an Wettbewerber abzugeben, verwies Tacke auf eine weitere Auflage. Diese Gasmenge entspricht etwa 5 % des heutigen Gesamtabsatzes der Ruhrgas. Tacke verteidigte die schwache Auflage mit dem Hinweis, auch durch 5 % freie Gasmengen könne der Handel forciert werden. Außerdem sehe das Auflagenpapier vor, dass Unternehmen, die heute zu 100 % Erdgas von der Ruhrgas beziehen würden, diesen Anteil künftig auf 80 % reduzieren könnten.

Die vierte Auflage bezieht sich prinzipiell auf das bereits in der Verbändevereinbarung II Gas festgeschriebene „legal unbundling“. Danach muss Ruhrgas Netzbetrieb und Erdgashandel künftig gesellschaftsrechtlich trennen, um einen diskriminierungsfreien Wettbewerb zu garantieren. „Wir haben die Option zu Pflicht gemacht“, sagte Tacke und verwies auf weitere Regelungen. Danach haben sich Eon und Ruhrgas verpflichtet, bei der Gasdurchleitung für Dritte Bilanzausgleiche bis zu 15 % Unter- oder Überlieferung kostenlos durchzuführen, künftig standardisierte Verträge zu nutzen und unterjährige Verträge abzuschließen.

Die Thüga habe nicht zur Diskussion gestanden, da Eon weitreichende Änderungen in wichtigen Stadtwerken vor allem im Norden der Bundesrepublik zugesagt habe. Außerdem sei die vertikale Integration das Ziel der Fusion gewesen. „Da der Absatz des Erdgases in Deutschland gesichert werden muss, brauchen wir die vertikale Integration. Endkunden sichern den Wettbewerb im Beschaffungsmarkt“, so Tacke. Eon Energie AG und Ruhrgas AG haben sich bereits darauf verständigt, dass die Mehrheitsbeteiligung der Eon Energie AG (57,26 %) an Thüga auf Ruhrgas übergeht, so die Münchner Beteiligungsgesellschaft. Ruhrgas ist zurzeit über ihre Tochtergesellschaft Ruhrgas Energie Beteiligungs-Aktiengesellschaft bereits mit 10 % an Thüga beteiligt.

Eine Prognose zur künftigen Entwicklung der Gas- und Strompreise wollte der Staatssekretär nicht wagen. Allerdings solle die Fusion der Konzerne den Wettbewerb entfachen, „und Wettbewerb dient den Verbrauchern“. Tacke geht außerdem davon aus, dass der Zusammenschluss durch den forcierten Wettbewerb für mehr Beschäftigung im bundesdeutschen Energiemarkt sorgt. „Ohne Veränderungen würde kein neuer Arbeitsplatz entstehen.“

Klagen gegen den Entscheid sieht der Staatssekretär, an den Bundeswirtschaftsminister Werner Müller die Entscheidung delegiert hatte, gelassen entgegen. „Ich gehe davon aus, dass die Genehmigung gerichtsfest ist.“
 

Freitag, 24.06.2022, 17:53 Uhr
Cerstin Gammelin und Fritz Wilhelm

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