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Energie & Management > Wasserstoff - Hindernisse beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft
Quelle: Shutterstock / Alexander Limbach
Wasserstoff

Hindernisse beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft

Für entsprechende Projekte fehlt es in Europa weitgehend an den nötigen Rahmenbedingungen, hieß es bei der European Gas Conference. Hinzu kommt ein bislang kaum beachtetes Problem.
Es wäre ratsam, die Gaslieferungen aus Russland auch über den 31. Dezember 2024 hinaus sicherzustellen − das ist der Tag, an dem der derzeitige Transitvertrag zwischen Moskau und Kiew endet. Dafür müsse die europäische Politik sorgen, betonten führende Vertreter der Gaswirtschaft bei der European Gas Conference (EGC) in Wien, die am 29. März zu Ende ging. Wie sie erläuterten, besteht faktisch nur eine Alternative zu den Transporten über die Ukraine: die Jamal-Pipeline durch Polen, die derzeit außer Betrieb ist, weil Warschau die Nutzung russischen Gases ablehnt. Über die Turk Stream könne die EU kein Gas aus Russland beziehen, weil das dieser Leitung vorgelagerte Netz zu schwach sei. Das Nord-Stream-System wiederum befinde sich bekanntlich nach mutmaßlichen Sabotageakten außer Betrieb. Russisches Gas aber dürfte trotz gegenteiliger Wünsche der EU-Kommission zumindest noch bis Ende der Dekade importiert werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch darüber hinaus, ergab eine Umfrage auf der EGC: Etwa ein Drittel der Konferenzteilnehmer erwartete jährliche Einfuhren zwischen 11 und 30 Milliarden Kubikmetern, ein Fünftel rechnete mit 31 bis 60 Milliarden Kubikmetern.

Unumstritten war auf der Konferenz, dass Wasserstoff bis auf Weiteres Erdgas nicht ersetzen kann, woher auch immer dieses in die EU eingeführt wird. Dem Aufbau der Wasserstoffwirtschaft widmeten sich die Diskussionen am letzten Tag der EGC, die folgerichtig als „European Hydrogen Conference“ (EHC) firmierte. Gasnetzbetreiber bezeichneten den Umstieg von Erdgas auf Wasserstoff als „Revolution“, die netztechnisch alles andere als einfach sei. Es bedürfe erheblicher Adaptionen der nun einmal auf Erdgas ausgelegten Infrastruktur. Überdies müssten in nicht zu unterschätzendem Ausmaß neue Leitungen gebaut werden. Doch dafür sowie für den Bau von Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff fehle es an den notwendigen Rahmenbedingungen, auf der Ebene der EU ebenso wie auf jener der Mitgliedsstaaten.

Hilfe im Kommen

Abhilfe sei aber auf dem Wege, versicherten Vertreter der zuständigen Behörden. Ein umfassendes Paket der EU-Kommission befinde sich in Ausarbeitung. Den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung sei bewusst, dass bedeutende Akteure der europäischen Gaswirtschaft hinsichtlich Wasserstoff deutlich rascher voranschreiten wollten als das Gros. „Ihnen wollen wir bestmögliche Bedingungen bieten“, versicherte ein mit der Materie Befasster. Fortschritte gebe es auch bei einem Lieblingsprojekt Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyens, der am 16. März vorgestellten „European Hydrogen Bank“. Diese soll nicht zuletzt die Finanzierung von Vorhaben zur Bereitstellung von grünem Wasserstoff erleichtern, der durch die Elektrolyse von Wasser mit Ökostrom erzeugt wird. Voraussichtlich im Herbst werde die Bank die erste Auktion durchführen, hieß es auf der EHC. Auch reagiere die EU durchaus auf den „Inflation Reduction Act“ (IRA) der USA. Zwar erfolge dies nicht mit einer einzigen Rechtsnorm, sondern mit einer Reihe von Maßnahmen. Aber in Summe böten sie der Gaswirtschaft attraktive Bedingungen für Projekte im Bereich von nicht nur grünem Wasserstoff.

Teuer und kompliziert

Doch damit wollten sich die Konferenzteilnehmer nicht recht abfinden. Je weiter die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft voranschreitet, desto mehr Probleme tauchen ihnen zufolge auf. In den USA werde die gesamte Wertschöpfungskette subventioniert, und die Förderungen seien leicht zugänglich. Die EU dagegen agiere nach dem Motto „So wenig Förderung wie möglich.“ Und bevor jemand zu Geld komme, müsse er eine Vielzahl von Kriterien erfüllen, von Energieeffizienzmaßnahmen bis zur CO2-Vermeidung.

Voraussichtlich ab 2028 sei auch die „Additionalität“ zu berücksichtigen. Grob gesprochen heißt dies, dass für die Produktion grünen Wasserstoffs neue Ökostromanlagen zu errichten sind. Die Nutzung bestehender Windparks, Solaranlagen und Wasserkraftwerke ist nur mehr in eng umgrenzten Ausnahmefällen zulässig. Das alles mache den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Europa teuer und kompliziert.

Wasserstoff als Treibhausgas

Hinzu kommt ein bislang kaum beachtetes Thema, berichtete ein Projektentwickler eines bedeutenden skandinavischen Energiekonzerns: Wasserstoff könnte früher oder später als Treibhausgas eingestuft werden. Gelange er nämlich in die Atmosphäre, so verzögere er dort den Zerfall von Methan. Damit aber habe ein Kilogramm Wasserstoff über 100 Jahre gerechnet ein „indirektes“ Treibhauspotenzial, das dem von etwa elf bis zwölf Kilogramm CO2 gleichkomme.

Dennoch gebe es kaum Alternativen, warnte die für Wasserstoff zuständige Vizepräsidentin eines mitteleuropäischen Energiekonzerns eindringlich: „Die Klimakrise wartet nicht auf uns. Der neue Bericht des Weltklimabeirats IPCC zeigt das in aller Deutlichkeit. Wir müssen handeln. Dazu sind wir hier.“

Donnerstag, 30.03.2023, 11:21 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Wasserstoff - Hindernisse beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft
Quelle: Shutterstock / Alexander Limbach
Wasserstoff
Hindernisse beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft
Für entsprechende Projekte fehlt es in Europa weitgehend an den nötigen Rahmenbedingungen, hieß es bei der European Gas Conference. Hinzu kommt ein bislang kaum beachtetes Problem.
Es wäre ratsam, die Gaslieferungen aus Russland auch über den 31. Dezember 2024 hinaus sicherzustellen − das ist der Tag, an dem der derzeitige Transitvertrag zwischen Moskau und Kiew endet. Dafür müsse die europäische Politik sorgen, betonten führende Vertreter der Gaswirtschaft bei der European Gas Conference (EGC) in Wien, die am 29. März zu Ende ging. Wie sie erläuterten, besteht faktisch nur eine Alternative zu den Transporten über die Ukraine: die Jamal-Pipeline durch Polen, die derzeit außer Betrieb ist, weil Warschau die Nutzung russischen Gases ablehnt. Über die Turk Stream könne die EU kein Gas aus Russland beziehen, weil das dieser Leitung vorgelagerte Netz zu schwach sei. Das Nord-Stream-System wiederum befinde sich bekanntlich nach mutmaßlichen Sabotageakten außer Betrieb. Russisches Gas aber dürfte trotz gegenteiliger Wünsche der EU-Kommission zumindest noch bis Ende der Dekade importiert werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch darüber hinaus, ergab eine Umfrage auf der EGC: Etwa ein Drittel der Konferenzteilnehmer erwartete jährliche Einfuhren zwischen 11 und 30 Milliarden Kubikmetern, ein Fünftel rechnete mit 31 bis 60 Milliarden Kubikmetern.

Unumstritten war auf der Konferenz, dass Wasserstoff bis auf Weiteres Erdgas nicht ersetzen kann, woher auch immer dieses in die EU eingeführt wird. Dem Aufbau der Wasserstoffwirtschaft widmeten sich die Diskussionen am letzten Tag der EGC, die folgerichtig als „European Hydrogen Conference“ (EHC) firmierte. Gasnetzbetreiber bezeichneten den Umstieg von Erdgas auf Wasserstoff als „Revolution“, die netztechnisch alles andere als einfach sei. Es bedürfe erheblicher Adaptionen der nun einmal auf Erdgas ausgelegten Infrastruktur. Überdies müssten in nicht zu unterschätzendem Ausmaß neue Leitungen gebaut werden. Doch dafür sowie für den Bau von Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff fehle es an den notwendigen Rahmenbedingungen, auf der Ebene der EU ebenso wie auf jener der Mitgliedsstaaten.

Hilfe im Kommen

Abhilfe sei aber auf dem Wege, versicherten Vertreter der zuständigen Behörden. Ein umfassendes Paket der EU-Kommission befinde sich in Ausarbeitung. Den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung sei bewusst, dass bedeutende Akteure der europäischen Gaswirtschaft hinsichtlich Wasserstoff deutlich rascher voranschreiten wollten als das Gros. „Ihnen wollen wir bestmögliche Bedingungen bieten“, versicherte ein mit der Materie Befasster. Fortschritte gebe es auch bei einem Lieblingsprojekt Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyens, der am 16. März vorgestellten „European Hydrogen Bank“. Diese soll nicht zuletzt die Finanzierung von Vorhaben zur Bereitstellung von grünem Wasserstoff erleichtern, der durch die Elektrolyse von Wasser mit Ökostrom erzeugt wird. Voraussichtlich im Herbst werde die Bank die erste Auktion durchführen, hieß es auf der EHC. Auch reagiere die EU durchaus auf den „Inflation Reduction Act“ (IRA) der USA. Zwar erfolge dies nicht mit einer einzigen Rechtsnorm, sondern mit einer Reihe von Maßnahmen. Aber in Summe böten sie der Gaswirtschaft attraktive Bedingungen für Projekte im Bereich von nicht nur grünem Wasserstoff.

Teuer und kompliziert

Doch damit wollten sich die Konferenzteilnehmer nicht recht abfinden. Je weiter die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft voranschreitet, desto mehr Probleme tauchen ihnen zufolge auf. In den USA werde die gesamte Wertschöpfungskette subventioniert, und die Förderungen seien leicht zugänglich. Die EU dagegen agiere nach dem Motto „So wenig Förderung wie möglich.“ Und bevor jemand zu Geld komme, müsse er eine Vielzahl von Kriterien erfüllen, von Energieeffizienzmaßnahmen bis zur CO2-Vermeidung.

Voraussichtlich ab 2028 sei auch die „Additionalität“ zu berücksichtigen. Grob gesprochen heißt dies, dass für die Produktion grünen Wasserstoffs neue Ökostromanlagen zu errichten sind. Die Nutzung bestehender Windparks, Solaranlagen und Wasserkraftwerke ist nur mehr in eng umgrenzten Ausnahmefällen zulässig. Das alles mache den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Europa teuer und kompliziert.

Wasserstoff als Treibhausgas

Hinzu kommt ein bislang kaum beachtetes Thema, berichtete ein Projektentwickler eines bedeutenden skandinavischen Energiekonzerns: Wasserstoff könnte früher oder später als Treibhausgas eingestuft werden. Gelange er nämlich in die Atmosphäre, so verzögere er dort den Zerfall von Methan. Damit aber habe ein Kilogramm Wasserstoff über 100 Jahre gerechnet ein „indirektes“ Treibhauspotenzial, das dem von etwa elf bis zwölf Kilogramm CO2 gleichkomme.

Dennoch gebe es kaum Alternativen, warnte die für Wasserstoff zuständige Vizepräsidentin eines mitteleuropäischen Energiekonzerns eindringlich: „Die Klimakrise wartet nicht auf uns. Der neue Bericht des Weltklimabeirats IPCC zeigt das in aller Deutlichkeit. Wir müssen handeln. Dazu sind wir hier.“

Donnerstag, 30.03.2023, 11:21 Uhr
Klaus Fischer

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