Nicolai Herrmann Quelle: Enervis |
E&M: Welche technologischen Entwicklungen hat die Direktvermarktung in den zurückliegenden zehn Jahren angestoßen?
Herrmann: Die Direktvermarktung war ein absoluter Booster für die Integration der Erneuerbaren in die Kurzfristvermarktung, also für den Intraday-, Day-ahead- und sogar den Regelenergie-Handel. Eine möglichst große Prognosegüte ist nach wie vor das Ziel aller Direktvermarkter, um möglichst die Kosten für Ausgleichsenergie zu vermeiden. Genau diesen Anreiz hatten die Netzbetreiber im Wälzungsmechanismus ja nicht. Das kann ihnen niemand vorwerfen, der Stromhandel zählt aus gutem Grund nicht zu ihrem Kerngeschäft. Es hat sich in den letzten zehn Jahren ein ganzer Wirtschaftszweig von Wetter- und Leistungs- sowie Marktwertprognoseanbietern inklusive unseres eigenen Hauses entwickelt, der mit zur Erfolgsgeschichte der Direktvermarktung beigetragen hat. Wir dürfen außerdem nicht die Entwicklungen für die Steuer- und Fernwirkbarkeit der EEG-Anlagen vergessen, die beispielsweise enorm helfen, die Einspeisung zuzeiten negativer Strompreise zu reduzieren sowie Redispatch umzusetzen.
„Einen solch positiven Verlauf hat niemand erahnt“
E&M: Sie geraten ja fast ins Schwärmen …
Herrmann: Was die technische und methodische Entwicklung betrifft und nicht zuletzt die Datenverfügbarkeit, hat die Direktvermarktung einen derart positiven Lauf genommen, dass ihn vor zehn Jahren wohl nur die wenigsten Experten erahnt haben. Ohne diese Entwicklung wären heute die grünen PPA, deren Bedeutung am Strommarkt weiterhin steigt, überhaupt nicht möglich gewesen. Wir haben auch erste erneuerbare Anlagen im Regelleistungsmarkt gesehen, wobei dies noch am Anfang steht. Die funktionierende Direktvermarktung ist daher sozusagen die Geburtshelferin einer Entwicklung, die noch einiges auf dem Strommarkt bewegen wird.
E&M: Zu den Änderungen, die es im Verlaufe der zurückliegenden zehn Jahre bei der Direktvermarktung gegeben hat, gehört auch die Vorgabe, dass alle EEG-Anlagen ab 100 Kilowatt Leistung direkt vermarktet werden müssen. Macht es in Ihren Augen Sinn, diese Grenze auf null Kilowatt abzusenken, sprich, wird es eine Direktvermarktungspflicht für alle regenerativen Anlagen geben?
Herrmann: Diese Null macht bei der Direktvermarktung keinen Sinn. Angesichts der permanenten Weiterentwicklung im Bereich Messen, Zählen und Steuern sollte meines Erachtens eine regelmäßige Bestandsaufnahme erfolgen, ab welcher Anlagengröße die Direktvermarktung aus Kosten-Nutzen-Sicht wirtschaftlich Sinn macht. Jeden Häuslebesitzer mit einer vielleicht Fünf-Kilowatt-Anlage auf dem Dach zu verpflichten, sich einen Direktvermarkter zu suchen, wäre nicht zielführend. Die Kosten für das notwendige technische Equipment stehen da, zumindest derzeit, nicht in einem vertretbaren Verhältnis zu den Einnahmen. In meinen Augen haben sich die 100 Kilowatt als Eintrittsgröße für die Direktvermarktung durchaus bewährt. Das wirklich relevante Erzeugungsportfolio bei den grünen Energien wird so erfasst.
„Direktvermarktung ist ein Mengengeschäft“E&M: Wie hat sich in Ihren Augen der Wettbewerb bei der Direktvermarktung entwickelt? Von den Newcomern, von denen es vor zehn Jahren wirklich einige gegeben hat, ist heute keiner mehr dabei, die Großen haben sich durchgesetzt.
Herrmann: Nach der Marktöffnungsphase, die durchaus mit einer Reihe von Neugründungen verbunden gewesen ist, hat es vor gut fünf Jahren einen spürbaren Preiswettbewerb und eine Konsolidierungsentwicklung gegeben. Wir haben heute einige Platzhirsche und mehrere Unternehmen, die auch schon vor der Direktvermarktung im Energiehandel tätig gewesen sind und offenbar auch mit kleineren Portfolien zurechtkommen. In der Tat sind die Pioniere aufgekauft oder mittlerweile vom Markt verschwunden. Was für mich in der Natur der Sache liegt: Direktvermarktung ist ein Mengengeschäft, die Unternehmen verdienen pro Megawattstunde eine gewisse Marge. Um überhaupt die Fixkosten decken zu können, ist ein auskömmlich großes Portfolio unverzichtbar. Die Portfoliogröße hilft auch, Prognosefehler physisch und finanziell zu kompensieren.
E&M: Gibt es trotz der Konsolidierung genügend Wettbewerb?
Herrmann: Ja, das sehen wir auch immer dann, wenn wir für regenerative Kraftwerksbetreiber Ausschreibungen betreuen. Wir erhalten jedes Mal eine Reihe von wettbewerblichen Angeboten. Die Konsolidierung auf der Anbieterseite haben wir erwartet. Was wir derzeit nicht sehen, ist eine Weiterentwicklung zum Oligopol.
E&M: Besteht diese Gefahr?
Herrmann: Die Direktvermarktung ist kein Closed Shop. Die Markteintrittsbarrieren für Newcomer sind relativ gering. Jedes Unternehmen, das im Stromhandel tätig ist, kann auch in die Direktvermarktung einsteigen. Die Frage ist immer: Lohnt sich dieser Schritt? Dass es hierzulande nicht zu einer Oligopolbildung bei der Direktvermarktung kommt, dafür sorgen auch immer wieder Unternehmen aus Europa, für die der deutsche Markt eine gewisse Anziehungskraft hat. In meiner Beratungspraxis habe ich beispielsweise schon mehrere Unternehmen bei der Prüfung eines Einstiegs in die Direktvermarktung in Deutschland begleitet.
E&M: Inwieweit hat die deutsche Direktvermarktung Schrittmacherfunktion für die Geschäfte in Europa übernommen?
Herrmann: Deutschland hat die Liberalisierung der Energiemärkte und die verpflichtende Direktvermarktung für Ökostrom nicht erfunden. Funktionierende Märkte für erneuerbare Stromvermarktung hat es vor dem Jahr 2012, als hierzulande die Direktvermarktung einführt worden ist, beispielsweise bereits in Skandinavien und Großbritannien gegeben. Aber das Standing und das in Deutschland erworbene Know-how haben sicherlich so manchem Unternehmen bei der Expansion nach Europa geholfen. Dabei denke ich nicht nur an die Direktvermarkter, sondern auch an die Projektentwickler von Wind- oder Solarparks. Mit dem Wissen um energiewirtschaftliche Vorgänge sind ihnen Investitionen im Ausland und der Schritt in neue Märkte sicherlich leichter gefallen.
Nicolai Herrmann Quelle: Enervis |
E&M: Welche technologischen Entwicklungen hat die Direktvermarktung in den zurückliegenden zehn Jahren angestoßen?
Herrmann: Die Direktvermarktung war ein absoluter Booster für die Integration der Erneuerbaren in die Kurzfristvermarktung, also für den Intraday-, Day-ahead- und sogar den Regelenergie-Handel. Eine möglichst große Prognosegüte ist nach wie vor das Ziel aller Direktvermarkter, um möglichst die Kosten für Ausgleichsenergie zu vermeiden. Genau diesen Anreiz hatten die Netzbetreiber im Wälzungsmechanismus ja nicht. Das kann ihnen niemand vorwerfen, der Stromhandel zählt aus gutem Grund nicht zu ihrem Kerngeschäft. Es hat sich in den letzten zehn Jahren ein ganzer Wirtschaftszweig von Wetter- und Leistungs- sowie Marktwertprognoseanbietern inklusive unseres eigenen Hauses entwickelt, der mit zur Erfolgsgeschichte der Direktvermarktung beigetragen hat. Wir dürfen außerdem nicht die Entwicklungen für die Steuer- und Fernwirkbarkeit der EEG-Anlagen vergessen, die beispielsweise enorm helfen, die Einspeisung zuzeiten negativer Strompreise zu reduzieren sowie Redispatch umzusetzen.
„Einen solch positiven Verlauf hat niemand erahnt“
E&M: Sie geraten ja fast ins Schwärmen …
Herrmann: Was die technische und methodische Entwicklung betrifft und nicht zuletzt die Datenverfügbarkeit, hat die Direktvermarktung einen derart positiven Lauf genommen, dass ihn vor zehn Jahren wohl nur die wenigsten Experten erahnt haben. Ohne diese Entwicklung wären heute die grünen PPA, deren Bedeutung am Strommarkt weiterhin steigt, überhaupt nicht möglich gewesen. Wir haben auch erste erneuerbare Anlagen im Regelleistungsmarkt gesehen, wobei dies noch am Anfang steht. Die funktionierende Direktvermarktung ist daher sozusagen die Geburtshelferin einer Entwicklung, die noch einiges auf dem Strommarkt bewegen wird.
E&M: Zu den Änderungen, die es im Verlaufe der zurückliegenden zehn Jahre bei der Direktvermarktung gegeben hat, gehört auch die Vorgabe, dass alle EEG-Anlagen ab 100 Kilowatt Leistung direkt vermarktet werden müssen. Macht es in Ihren Augen Sinn, diese Grenze auf null Kilowatt abzusenken, sprich, wird es eine Direktvermarktungspflicht für alle regenerativen Anlagen geben?
Herrmann: Diese Null macht bei der Direktvermarktung keinen Sinn. Angesichts der permanenten Weiterentwicklung im Bereich Messen, Zählen und Steuern sollte meines Erachtens eine regelmäßige Bestandsaufnahme erfolgen, ab welcher Anlagengröße die Direktvermarktung aus Kosten-Nutzen-Sicht wirtschaftlich Sinn macht. Jeden Häuslebesitzer mit einer vielleicht Fünf-Kilowatt-Anlage auf dem Dach zu verpflichten, sich einen Direktvermarkter zu suchen, wäre nicht zielführend. Die Kosten für das notwendige technische Equipment stehen da, zumindest derzeit, nicht in einem vertretbaren Verhältnis zu den Einnahmen. In meinen Augen haben sich die 100 Kilowatt als Eintrittsgröße für die Direktvermarktung durchaus bewährt. Das wirklich relevante Erzeugungsportfolio bei den grünen Energien wird so erfasst.
„Direktvermarktung ist ein Mengengeschäft“E&M: Wie hat sich in Ihren Augen der Wettbewerb bei der Direktvermarktung entwickelt? Von den Newcomern, von denen es vor zehn Jahren wirklich einige gegeben hat, ist heute keiner mehr dabei, die Großen haben sich durchgesetzt.
Herrmann: Nach der Marktöffnungsphase, die durchaus mit einer Reihe von Neugründungen verbunden gewesen ist, hat es vor gut fünf Jahren einen spürbaren Preiswettbewerb und eine Konsolidierungsentwicklung gegeben. Wir haben heute einige Platzhirsche und mehrere Unternehmen, die auch schon vor der Direktvermarktung im Energiehandel tätig gewesen sind und offenbar auch mit kleineren Portfolien zurechtkommen. In der Tat sind die Pioniere aufgekauft oder mittlerweile vom Markt verschwunden. Was für mich in der Natur der Sache liegt: Direktvermarktung ist ein Mengengeschäft, die Unternehmen verdienen pro Megawattstunde eine gewisse Marge. Um überhaupt die Fixkosten decken zu können, ist ein auskömmlich großes Portfolio unverzichtbar. Die Portfoliogröße hilft auch, Prognosefehler physisch und finanziell zu kompensieren.
E&M: Gibt es trotz der Konsolidierung genügend Wettbewerb?
Herrmann: Ja, das sehen wir auch immer dann, wenn wir für regenerative Kraftwerksbetreiber Ausschreibungen betreuen. Wir erhalten jedes Mal eine Reihe von wettbewerblichen Angeboten. Die Konsolidierung auf der Anbieterseite haben wir erwartet. Was wir derzeit nicht sehen, ist eine Weiterentwicklung zum Oligopol.
E&M: Besteht diese Gefahr?
Herrmann: Die Direktvermarktung ist kein Closed Shop. Die Markteintrittsbarrieren für Newcomer sind relativ gering. Jedes Unternehmen, das im Stromhandel tätig ist, kann auch in die Direktvermarktung einsteigen. Die Frage ist immer: Lohnt sich dieser Schritt? Dass es hierzulande nicht zu einer Oligopolbildung bei der Direktvermarktung kommt, dafür sorgen auch immer wieder Unternehmen aus Europa, für die der deutsche Markt eine gewisse Anziehungskraft hat. In meiner Beratungspraxis habe ich beispielsweise schon mehrere Unternehmen bei der Prüfung eines Einstiegs in die Direktvermarktung in Deutschland begleitet.
E&M: Inwieweit hat die deutsche Direktvermarktung Schrittmacherfunktion für die Geschäfte in Europa übernommen?
Herrmann: Deutschland hat die Liberalisierung der Energiemärkte und die verpflichtende Direktvermarktung für Ökostrom nicht erfunden. Funktionierende Märkte für erneuerbare Stromvermarktung hat es vor dem Jahr 2012, als hierzulande die Direktvermarktung einführt worden ist, beispielsweise bereits in Skandinavien und Großbritannien gegeben. Aber das Standing und das in Deutschland erworbene Know-how haben sicherlich so manchem Unternehmen bei der Expansion nach Europa geholfen. Dabei denke ich nicht nur an die Direktvermarkter, sondern auch an die Projektentwickler von Wind- oder Solarparks. Mit dem Wissen um energiewirtschaftliche Vorgänge sind ihnen Investitionen im Ausland und der Schritt in neue Märkte sicherlich leichter gefallen.