E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Gasspeicher -
Quelle: Fotolia / B Wylezich
Gasspeicher

"Haftpflichtversicherung" statt staatlicher Gasreserve

Betreiber von Gasspeichern fordern eine bessere Absicherung der Versorgung. Nicht zuletzt Energiediscounter sollen nach ihrem Willen in die Pflicht genommen werden.
Greift die Politik ein oder bleibt es dem Markt überlassen, die Gasversorgung sicherzustellen? Der Schweinezyklus – die periodische Schwankung von Angebotsmenge und Marktpreis – hat eine Phase erreicht, da auf europapolitischer Ebene das Vertrauen in die Marktkräfte schwindet.

„Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. In den letzten zwanzig Jahren hat der Energiebinnenmarkt uns gute Dienste geleistet. Doch wir müssen sichergehen, dass er dies auch weiterhin tun wird“, sagte kürzlich EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Dieses „Wie“ könnte nach Vorstellungen der Kommission Regelungen zur Bildung von Gaseinkaufsgemeinschaften und staatlicher Gasreserven bedeuten.

Doch dagegen formiert sich Widerstand. Neun Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, haben sich in einer gemeinsamen Erklärung Ende Oktober gegen Markteingriffe ausgesprochen. Man unterstütze keine Maßnahmen, die zu Konflikten mit dem Binnenmarkt für Gas und Elektrizität führen würden, etwa eine Ad-Hoc-Reform im Großhandel, heißt es darin. Aus deutscher Sicht keine neue Feststellung. Bereits vor sechs Jahren sprach sich das Bundeswirtschaftsministerium gegen eine staatliche Gasreserve aus. Ein Argument waren die damit verbundenen hohen Kosten.
 
Ist die deutsche Politik zu marktgläubig? Aus Sicht der „Initiative Energien Speichern“ (Ines) stellt sich die Frage, ob das alleinige Vertrauen auf den Markt angesichts der Lage noch ausreichend sei. „Die Bundesregierung vertritt auch aktuell den Standpunkt, dass die Marktkräfte Versorgungssicherheit gewährleisten“, sagt Ines-Geschäftsführer Sebastian Bleschke. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Energieversorgung im Grundsatz marktwirtschaftlich organisiert werden sollte. „In der aktuellen Situation stellt sich aber die Frage, ob es nicht weitergehende, flankierende Maßnahmen braucht, um den freien Markt im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft abzusichern.“
 
„Trittbrettfahrer, die aus der Kurve fliegen“

Gaseinkaufsgemeinschaften hält Bleschke für nicht kompatibel mit den Marktstrukturen. „Was wir sehen ist, dass beispielsweise Stadtwerke teils sehr vorausschauend beschaffen, weshalb sich die angespannte Lage noch nicht so stark niederschlägt wie in Märkten, die sehr viel stärker vom Spotmarkt abhängen.“ Kritisch sieht er andere Marktakteure: „Es gibt die Trittbrettfahrer, die Hochrisikostrategien fahren, das sind die, die jetzt eben aus der Kurve fliegen.“ Die Anbieter, die dann als Grund-, oder im Fall von Industriekunden, als Ersatzversorgung einspringen müssen, müssten unter Umständen zusätzliches Gas zu hohen Preisen einkaufen.
 
Die Initiative plädiert für „eine Art Haftpflichtversicherung für Lieferanten“. „Es sollten eben alle zu einer allgemeinen Risikovorsorge beitragen müssen, damit es keine Trittbrettfahrer geben kann“, meint Bleschke. Eine Lösung sieht Ines in der Gas-Versorgungssicherheits-Verordnung. Sie definiert den sogenannten „EU-Versorgungsstandard“. Diese Regelung beschreibe, wer Sicherungsmaßnahmen ergreifen müsse und gegen welche Risiken, „nicht aber: wie“, erklärt Bleschke.

Die EU-Kommission hat angesichts der Marktlage als mittel- beziehungsweise langfristige Maßnahme vorgeschlagen, die Nutzung bestehender Gasspeicher in Zukunft zu optimieren. Vor diesem Hintergrund schlägt die Initiative vor, eine Erfüllung des EU-Versorgungsstandards an die Gasspeicher zu koppeln. Dies wäre über eine Änderung der Erdgas-Versorgungssicherheits-Verordnung machbar. Die EU-Kommission hat vor dem Hintergrund der aktuellen Situation bereits eine Weiterentwicklung ins Auge gefasst, sagt Bleschke. Die Mehrkosten für einen Haushalt in Deutschland mit einem Verbrauch von 20.000 kW betrügen etwa 1 Euro pro Jahr.
 
„Long Term Options“ im ersten Quartal
 
Eine „Regelenergiereserve“ käme auch Industriekunden zugute. Denn im Krisenfall werden vorrangig die sogenannten geschützten Kunden versorgt, also etwa Haushalte, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen. Ohne Reserve wird im Zweifel der Industrie Gas abgezwackt.
 
Mehr Versorgungssicherheit hält die Organisation auch in puncto Netzstabilität für erreichbar. Sie wird durch „Long Term Options“ (LTO) gewährleistet. „Da sehen wir, dass die immer sehr kurzfristig vor dem eigentlichen Einsatzzeitraum ausgeschrieben werden. Das kann dazu führen, dass die marktwirtschaftlichen Bedarfe und die kurzfristig zusätzlich auftretenden Speicherbedarfe für LTO nicht mehr mit den technischen Einspeicherpotenzialen in Einklang gebracht werden können“, erklärt Bleschke. Die LTO sollten deshalb „künftig im ersten Quartal des Jahres für den kommenden Winter ausgeschrieben werden.“

Freitag, 5.11.2021, 14:19 Uhr
Manfred Fischer
Energie & Management > Gasspeicher -
Quelle: Fotolia / B Wylezich
Gasspeicher
"Haftpflichtversicherung" statt staatlicher Gasreserve
Betreiber von Gasspeichern fordern eine bessere Absicherung der Versorgung. Nicht zuletzt Energiediscounter sollen nach ihrem Willen in die Pflicht genommen werden.
Greift die Politik ein oder bleibt es dem Markt überlassen, die Gasversorgung sicherzustellen? Der Schweinezyklus – die periodische Schwankung von Angebotsmenge und Marktpreis – hat eine Phase erreicht, da auf europapolitischer Ebene das Vertrauen in die Marktkräfte schwindet.

„Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. In den letzten zwanzig Jahren hat der Energiebinnenmarkt uns gute Dienste geleistet. Doch wir müssen sichergehen, dass er dies auch weiterhin tun wird“, sagte kürzlich EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Dieses „Wie“ könnte nach Vorstellungen der Kommission Regelungen zur Bildung von Gaseinkaufsgemeinschaften und staatlicher Gasreserven bedeuten.

Doch dagegen formiert sich Widerstand. Neun Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, haben sich in einer gemeinsamen Erklärung Ende Oktober gegen Markteingriffe ausgesprochen. Man unterstütze keine Maßnahmen, die zu Konflikten mit dem Binnenmarkt für Gas und Elektrizität führen würden, etwa eine Ad-Hoc-Reform im Großhandel, heißt es darin. Aus deutscher Sicht keine neue Feststellung. Bereits vor sechs Jahren sprach sich das Bundeswirtschaftsministerium gegen eine staatliche Gasreserve aus. Ein Argument waren die damit verbundenen hohen Kosten.
 
Ist die deutsche Politik zu marktgläubig? Aus Sicht der „Initiative Energien Speichern“ (Ines) stellt sich die Frage, ob das alleinige Vertrauen auf den Markt angesichts der Lage noch ausreichend sei. „Die Bundesregierung vertritt auch aktuell den Standpunkt, dass die Marktkräfte Versorgungssicherheit gewährleisten“, sagt Ines-Geschäftsführer Sebastian Bleschke. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Energieversorgung im Grundsatz marktwirtschaftlich organisiert werden sollte. „In der aktuellen Situation stellt sich aber die Frage, ob es nicht weitergehende, flankierende Maßnahmen braucht, um den freien Markt im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft abzusichern.“
 
„Trittbrettfahrer, die aus der Kurve fliegen“

Gaseinkaufsgemeinschaften hält Bleschke für nicht kompatibel mit den Marktstrukturen. „Was wir sehen ist, dass beispielsweise Stadtwerke teils sehr vorausschauend beschaffen, weshalb sich die angespannte Lage noch nicht so stark niederschlägt wie in Märkten, die sehr viel stärker vom Spotmarkt abhängen.“ Kritisch sieht er andere Marktakteure: „Es gibt die Trittbrettfahrer, die Hochrisikostrategien fahren, das sind die, die jetzt eben aus der Kurve fliegen.“ Die Anbieter, die dann als Grund-, oder im Fall von Industriekunden, als Ersatzversorgung einspringen müssen, müssten unter Umständen zusätzliches Gas zu hohen Preisen einkaufen.
 
Die Initiative plädiert für „eine Art Haftpflichtversicherung für Lieferanten“. „Es sollten eben alle zu einer allgemeinen Risikovorsorge beitragen müssen, damit es keine Trittbrettfahrer geben kann“, meint Bleschke. Eine Lösung sieht Ines in der Gas-Versorgungssicherheits-Verordnung. Sie definiert den sogenannten „EU-Versorgungsstandard“. Diese Regelung beschreibe, wer Sicherungsmaßnahmen ergreifen müsse und gegen welche Risiken, „nicht aber: wie“, erklärt Bleschke.

Die EU-Kommission hat angesichts der Marktlage als mittel- beziehungsweise langfristige Maßnahme vorgeschlagen, die Nutzung bestehender Gasspeicher in Zukunft zu optimieren. Vor diesem Hintergrund schlägt die Initiative vor, eine Erfüllung des EU-Versorgungsstandards an die Gasspeicher zu koppeln. Dies wäre über eine Änderung der Erdgas-Versorgungssicherheits-Verordnung machbar. Die EU-Kommission hat vor dem Hintergrund der aktuellen Situation bereits eine Weiterentwicklung ins Auge gefasst, sagt Bleschke. Die Mehrkosten für einen Haushalt in Deutschland mit einem Verbrauch von 20.000 kW betrügen etwa 1 Euro pro Jahr.
 
„Long Term Options“ im ersten Quartal
 
Eine „Regelenergiereserve“ käme auch Industriekunden zugute. Denn im Krisenfall werden vorrangig die sogenannten geschützten Kunden versorgt, also etwa Haushalte, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen. Ohne Reserve wird im Zweifel der Industrie Gas abgezwackt.
 
Mehr Versorgungssicherheit hält die Organisation auch in puncto Netzstabilität für erreichbar. Sie wird durch „Long Term Options“ (LTO) gewährleistet. „Da sehen wir, dass die immer sehr kurzfristig vor dem eigentlichen Einsatzzeitraum ausgeschrieben werden. Das kann dazu führen, dass die marktwirtschaftlichen Bedarfe und die kurzfristig zusätzlich auftretenden Speicherbedarfe für LTO nicht mehr mit den technischen Einspeicherpotenzialen in Einklang gebracht werden können“, erklärt Bleschke. Die LTO sollten deshalb „künftig im ersten Quartal des Jahres für den kommenden Winter ausgeschrieben werden.“

Freitag, 5.11.2021, 14:19 Uhr
Manfred Fischer

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.