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Energie & Management > Finanzierung - Grüner Wasserstoff in Europa: Die enormen Potenziale für zahlreiche Branchen
Quelle: Stockadobe.com/Andreas Prott
Finanzierung

Grüner Wasserstoff in Europa: Die enormen Potenziale für zahlreiche Branchen

Über den Weg einer mit Ökostrom betriebenen Elektrolyse lässt sich Wasserstoff herstellen, der in jeglicher Hinsicht „grün“ ist. Allerdings steckt viel mehr in diesem Element.
Wer sich in unserer Suchfunktion die Mühe macht, den Begriff Wasserstoff einzugeben, der wird bei den angezeigten Artikeln schnell eines feststellen: Dabei handelt es sich um nicht weniger als das wichtigste chemische Element, was die energetische und wirtschaftliche Zukunft unter anderem Deutschlands und Europa anbelangt. 

So äußerst simpel Wasserstoff in den Augen von Chemikern ist, so buchstäblich gewaltig sind seine Fähigkeiten, was die möglichen Nutzungsszenarien anbelangt. Tatsächlich müsste man fast fragen, welche hiesige Industrie, respektive Branche oder Sektor, nicht von einer großmaßstäblichen Produktion von Wasserstoff profitieren würde. Die folgenden Positionen zeigen, wie groß das Potenzial ist.

Profiteur 1: Europas Unabhängigkeit

Wenn es eine Lehre für Europa und speziell Deutschland aus dem Ukraine-Krieg geben dürfte, dann die, dass man sich nie wieder bei so maßgeblichen Positionen abhängig von einem Land mit zweifelhafter „west-kompatibler Ideologie“ machen sollte. 

Wasserstoff ist in der Tat ein machtvolles Schwert auf diesem Weg. Seine Herstellung benötigt ungeachtet der exakten Methode genau ein Element: H2O, Wasser. Wird der für die Elektrolyse weiterhin nötige Strom regenerativ hergestellt, dann wird Europa an einem maßgeblichen strategischen Punkt unabhängig. 

Zwar darf man zurecht einwerfen, dass konkret Brennstoffzellen weiterhin Platin benötigen; ferner Kobalt, Lithium und Nickel für daran angeschlossene Batterien. Deren Mengen sind jedoch im Vergleich mit dem Energieträger selbst beinahe verschwindend gering; außerdem wird beides nicht für jede Wasserstoffanwendung benötigt.

Zumal es hierbei erneut nicht nur um den Energieträger Wasserstoff geht, sondern den chemischen Grundstoff Wasserstoff, bei dem Europa langfristig unabhängiger wird. Tatsächlich darf man eines unumwunden behaupten: Hätte die „Wasserstoffwende“ bereits stattgefunden, wären die Erdgas-bezogenen Auswirkungen des Ukraine-Krieges hierzulande wohl weitgehend vernachlässigbar.
 
Quelle: Stockadobe.com/Scanrail

Profiteur 2: Die Stahlindustrie

Seit den 1980ern hat China immer größere Teile der globalen Stahlproduktion an sich gerissen. Bis Ende der 2010er bestand jedoch insbesondere im Vergleich mit der deutschen Stahlindustrie eine Pattsituation: 
  • China fertigte die gigantischen Mengen relativ simpler Massenstähle, weil das Land hierbei aufgrund seiner Rohstoff- und Arbeitsmarktsituation schlicht die günstigeren Preise anbieten konnte und kann. 
  • Deutschland hingegen fokussierte sich auf die Herstellung sehr hochwertiger, seltener nachgefragter, aber für Sonderanwendungen unverzichtbarer Spezialstähle. Darunter fallen viele Edelstahlsorten, also aufgrund ihrer Eigenschaften besonders reine Vertreter der Gattung Stahl. Ebenso jedoch beispielsweise austenitische rostfreie Stähle, die sich durch Kaltverformung härten lassen.
Mittlerweile hat sich das gewandelt: Unter anderem in seinen jüngsten Fünfjahresplänen hat China es sich zum Ziel gemacht, bei derartigen Spezialstählen ebenfalls unabhängiger von außen zu werden – es liegt auf der Hand, was das auf gut Deutsch heißt: Ausschalten von internationalen Konkurrenten. 

Grüner Wasserstoff kann hier eine Wende bedeuten: Aktuell laufen die ersten Testanlagen, in denen die zur Reduktion bislang unabkömmliche Kokskohle durch Wasserstoff substituiert wird. In der Folge wird die hiesige Stahlproduktion langfristig von den extremen Kosten der CO2-Zertifikate freigemacht. Die Preise können niedriger gestaltet werden, die Produkte bleiben konkurrenzfähig – und das unwiederbringliche Stahlwissen auf dem Kontinent.

Profiteur 3: Die chemische und Düngemittelindustrie sowie die Landwirtschaft

Ein zentraler Grund, warum die derzeitigen Gas-Versorgungsengpässe sich so dramatisch auswirken, ist die Größe von Deutschlands chemischer Industrie. Einerseits stützt sie ihren Energiebedarf zu großen Teilen auf Erdgas. Andererseits ist der Energieträger für über 30 Prozent aller Chemieprodukte ein zentraler Ausgangsstoff. 
Wichtig ist dies nicht zuletzt für die Stickstoffdüngerproduktion: Diese fußt auf enormen Mengen Ammoniak, der global wichtigsten Grundchemikalie. Dieser Ammoniak wird wiederum aus Erdgas gewonnen – dementsprechend entsteht eine Verknüpfungskette:

1. Hersteller chemischer Grundprodukte,
2. Düngemittelhersteller,
3. Landwirte

und schließlich alle Verbraucher. Noch steht die Forschung zwar weit vor einer Serienreife. Da jedoch Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff besteht, besteht mehr als nur die theoretische Option, Erdgas aus der Gleichung zu streichen – bislang wird es im Haber-Bosch-Verfahren als Wasserstofflieferant genutzt.

Der dahinterstehende Gedanke nennt sich Power-to-Ammoniak. Insbesondere eine europäische Produktion von grünem Ammoniak würde die Transportkosten massiv senken, wodurch die Rentabilität deutlich steigen würde – neben einer ebenfalls gegebenen Unabhängigkeit von gasreicheren Staaten jedweder Couleur. 
 
Quelle: Stockadobe.com/oticki

Profiteur 4: Die Erdgas-bezogenen Kraftwerksbetreiber und -hersteller

Es hat bekanntlich seine Gründe, warum Erdgas ein so bedeutender Energieträger ist. 
  • Einerseits sind es seine Heiz- und Brennwerte. Sie betragen 8,9 bis 12,5, respektive 10,0 bis 13,9 Kilowattstunden pro Kilogramm. 
  • Andererseits ist es seine Abgaszusammensetzung. Hauptsächlich besteht sie aus Kohlendioxid und Wasser. Der Anteil, etwa von Kohlenmonoxid und Rußpartikeln, ist deutlich geringer. Faktisch ist Erdgas deshalb einer der saubersten fossilen Energieträger. 
Hinzu kommen die Schwarzstartfähigkeit sowie generell große Flexibilität von Gaskraftwerken. Beides gestattet es, relativ leicht Spitzenlasten abzufangen. 

Kommen wir nun zu Wasserstoff als sehr leicht brennbarer Energieträger:
  • Das Handling unterscheidet sich praktisch nicht von Erdgas. Weder, was den Leitungstransport anbelangt, noch die Sicherheitsverfahren.
  • Die Heiz- und Brennwerte von Wasserstoff sind mit 33,3, respektive 39,4 Kilowattstunden pro Kilogramm sogar bedeutend höher.
  • Wird Wasserstoff verbrannt, dann verbleiben im Normalbetrieb lediglich Wasser(-dampf) und Sauerstoff – mangels Kohlenstoffatom kann aus Wasserstoff kein Kohlendioxid entstehen. Nur in einigen Verbrennungsmotoren entstehen bei höheren Leistungen Stickoxide. 
Was jedoch für die auf Erdgas fokussierte Kraftwerks-Branche am stärksten betrifft, ist die Nutzbarkeit: Künftige, derzeit in der Entwicklung befindliche Gasturbinen werden deutlich problemloser mit beiden Energieträgern zurechtkommen, als es bei älteren Turbinen der Fall ist. Ferner bietet sich eine perfekte Gelegenheit zur Nutzung in KWK-Anlagen, von denen bereits heute viele „H2-ready“ sind.

Profiteur 5: Die Fahrzeugindustrie

Batterieelektrische Antriebe haben zweifelsohne Vorteile, selbst gegenüber grünem Wasserstoff. Vor allem denjenigen, wonach 100 Prozent des erzeugten Stromes tatsächlich für den Antrieb eingespeist und genutzt werden können – bei der Prozesskette Strom-Wasserstoff-Strom liegt der Wirkungsgrad nur bei lediglich 40 Prozent. Jedoch: 

1. Durch seine duale Nutzbarkeit gestattet Wasserstoff es, bestehende Verbrennungsmotortechnik (inklusive damit verbundener Arbeitsplätze) weiterhin zu nutzen und die Entwicklung sogar fortzuführen, ohne klimatische Nachteile befürchten zu müssen.

2. Die verschiedenen Vorteile des Wasserstoffs als Energieträger für Fahrzeuge vergrößern die Zielgruppe. Nämlich um diejenigen Personen, für die batterieelektrische Fahrzeuge aus unterschiedlichen Gründen unattraktiv sind, die aber dennoch einer (frühzeitigen) Abkehr von Benzin, Diesel und ferner Erdgas offen gegenüber eingestellt sind.

Nachdem es einige Jahre so schien, als seien batterieelektrische Antriebe die alleinige Zukunft, so zeigt sich nicht zuletzt seit Beschluss der Nationalen Wasserstoffstrategie anno 2020 ein Umdenken: Künftig dürfte Wasserstoff eine ähnlich gleichberechtigte Rolle neben Batterieelektrizität einnehmen, wie es seit Jahrzehnten bei Benzin und Dieselkraftstoff der Fall ist. Davon wiederum profitiert eine weitere Branche:

Profiteur 6: Die Transportbranche – vor allem auf mittleren und langen Strecken

Derzeit lancieren verschiedene LKW-Hersteller Zugmaschinen, die mit Batterienausgestattet elektrisch fahren. Doch selbst wenn diese Fahrzeuge samt Anhänger ein ebensolches Ladungsvolumen aufweisen wie ihre konventionell angetriebenen Vorgänger, so gibt es dennoch drei maßgebliche Nachteile:

1. Aufgrund des enormen Gewichts der Batterien wird das mögliche Zuladungsgewicht bei herkömmlichen Abmessungen merklich verringert.
 
2. Die Reichweite mag zwar mit steigender Energiedichte allmählich langstreckentaugliche Werte erreichen. Sie wird jedoch immer stark durch hohe und niedrige Außentemperaturen schwanken.

3. Die Ladedauer verkompliziert die Routenplanung immens. Zumal es dafür nötig ist, sämtliche Rastplätze mit einer hohen Anzahl von Ladesäulen auszustatten, damit die Fahrzeuge dann laden können, wenn die Fahrer zwangsweise ihre Ruhepausen einhalten müssen.

Gerade auf den mittleren und langen Routen ist Wasserstoff deshalb für viele Spediteure und ähnliche Mitglieder der Transportbranche die deutlich interessantere Option: Ähnlich schnell aufzutanken wie Diesel, keine zusätzliche Beeinflussung des Fahrzeug- und Ladungsgewichts, konventionell vorhersagbare Reichweite.

Nebenbei wären deutlich weniger Investitionen in eine Auflade-Infrastruktur vonnöten, denn Wasserstoff kennt diesbezüglich noch einen finalen Profiteur in diesem Artikel:

Profiteur 7: Die Tankstellenbranche

Im Prinzip kann mit entsprechender Leitungs-Infrastruktur jede Zapf- gegen eine Ladesäule ersetzt werden. Bloß gibt es an vielen Tankstellen mit Abstand nicht genügend Raum, damit dort alle Fahrzeuge so lange stehen können, bis die Akkumulatoren wieder gefüllt sind.

Ein Europa, in dem Wasserstoff ein wichtiger Energieträger für Fahrzeuge ist, würde deshalb diese Branche vor einem sehr umfassenden „Sterben“ bewahren. Natürlich benötigt Wasserstoff eine andere Tank- und Zapfsäulen-Infrastruktur. Das ist jedoch ungleich einfacher zu handhaben als eine Leitungs-Infrastruktur – zumal bei ersterem nur die Tankstellenbetreiber involviert sein müssen, nicht auch die Netzbetreiber.

Natürlich wird Batterieelektrik künftig eine große Rolle spielen und werden viele Tankstellen diesen Wandel nicht überstehen. Vielerorts jedoch kann Wasserstoff dieser Branche eine größere Überlebenschance bieten – womit wiederum Wasserstofffahrzeuge für viele Personen eine größere Attraktivität bekämen. Allen voran diejenigen, die weder zuhause noch am Arbeitsplatz eine für sie tragfähige Lademöglichkeit vorfinden.

Samstag, 17.09.2022, 17:59 Uhr
Redaktion
Energie & Management > Finanzierung - Grüner Wasserstoff in Europa: Die enormen Potenziale für zahlreiche Branchen
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Grüner Wasserstoff in Europa: Die enormen Potenziale für zahlreiche Branchen
Über den Weg einer mit Ökostrom betriebenen Elektrolyse lässt sich Wasserstoff herstellen, der in jeglicher Hinsicht „grün“ ist. Allerdings steckt viel mehr in diesem Element.
Wer sich in unserer Suchfunktion die Mühe macht, den Begriff Wasserstoff einzugeben, der wird bei den angezeigten Artikeln schnell eines feststellen: Dabei handelt es sich um nicht weniger als das wichtigste chemische Element, was die energetische und wirtschaftliche Zukunft unter anderem Deutschlands und Europa anbelangt. 

So äußerst simpel Wasserstoff in den Augen von Chemikern ist, so buchstäblich gewaltig sind seine Fähigkeiten, was die möglichen Nutzungsszenarien anbelangt. Tatsächlich müsste man fast fragen, welche hiesige Industrie, respektive Branche oder Sektor, nicht von einer großmaßstäblichen Produktion von Wasserstoff profitieren würde. Die folgenden Positionen zeigen, wie groß das Potenzial ist.

Profiteur 1: Europas Unabhängigkeit

Wenn es eine Lehre für Europa und speziell Deutschland aus dem Ukraine-Krieg geben dürfte, dann die, dass man sich nie wieder bei so maßgeblichen Positionen abhängig von einem Land mit zweifelhafter „west-kompatibler Ideologie“ machen sollte. 

Wasserstoff ist in der Tat ein machtvolles Schwert auf diesem Weg. Seine Herstellung benötigt ungeachtet der exakten Methode genau ein Element: H2O, Wasser. Wird der für die Elektrolyse weiterhin nötige Strom regenerativ hergestellt, dann wird Europa an einem maßgeblichen strategischen Punkt unabhängig. 

Zwar darf man zurecht einwerfen, dass konkret Brennstoffzellen weiterhin Platin benötigen; ferner Kobalt, Lithium und Nickel für daran angeschlossene Batterien. Deren Mengen sind jedoch im Vergleich mit dem Energieträger selbst beinahe verschwindend gering; außerdem wird beides nicht für jede Wasserstoffanwendung benötigt.

Zumal es hierbei erneut nicht nur um den Energieträger Wasserstoff geht, sondern den chemischen Grundstoff Wasserstoff, bei dem Europa langfristig unabhängiger wird. Tatsächlich darf man eines unumwunden behaupten: Hätte die „Wasserstoffwende“ bereits stattgefunden, wären die Erdgas-bezogenen Auswirkungen des Ukraine-Krieges hierzulande wohl weitgehend vernachlässigbar.
 
Quelle: Stockadobe.com/Scanrail

Profiteur 2: Die Stahlindustrie

Seit den 1980ern hat China immer größere Teile der globalen Stahlproduktion an sich gerissen. Bis Ende der 2010er bestand jedoch insbesondere im Vergleich mit der deutschen Stahlindustrie eine Pattsituation: 
  • China fertigte die gigantischen Mengen relativ simpler Massenstähle, weil das Land hierbei aufgrund seiner Rohstoff- und Arbeitsmarktsituation schlicht die günstigeren Preise anbieten konnte und kann. 
  • Deutschland hingegen fokussierte sich auf die Herstellung sehr hochwertiger, seltener nachgefragter, aber für Sonderanwendungen unverzichtbarer Spezialstähle. Darunter fallen viele Edelstahlsorten, also aufgrund ihrer Eigenschaften besonders reine Vertreter der Gattung Stahl. Ebenso jedoch beispielsweise austenitische rostfreie Stähle, die sich durch Kaltverformung härten lassen.
Mittlerweile hat sich das gewandelt: Unter anderem in seinen jüngsten Fünfjahresplänen hat China es sich zum Ziel gemacht, bei derartigen Spezialstählen ebenfalls unabhängiger von außen zu werden – es liegt auf der Hand, was das auf gut Deutsch heißt: Ausschalten von internationalen Konkurrenten. 

Grüner Wasserstoff kann hier eine Wende bedeuten: Aktuell laufen die ersten Testanlagen, in denen die zur Reduktion bislang unabkömmliche Kokskohle durch Wasserstoff substituiert wird. In der Folge wird die hiesige Stahlproduktion langfristig von den extremen Kosten der CO2-Zertifikate freigemacht. Die Preise können niedriger gestaltet werden, die Produkte bleiben konkurrenzfähig – und das unwiederbringliche Stahlwissen auf dem Kontinent.

Profiteur 3: Die chemische und Düngemittelindustrie sowie die Landwirtschaft

Ein zentraler Grund, warum die derzeitigen Gas-Versorgungsengpässe sich so dramatisch auswirken, ist die Größe von Deutschlands chemischer Industrie. Einerseits stützt sie ihren Energiebedarf zu großen Teilen auf Erdgas. Andererseits ist der Energieträger für über 30 Prozent aller Chemieprodukte ein zentraler Ausgangsstoff. 
Wichtig ist dies nicht zuletzt für die Stickstoffdüngerproduktion: Diese fußt auf enormen Mengen Ammoniak, der global wichtigsten Grundchemikalie. Dieser Ammoniak wird wiederum aus Erdgas gewonnen – dementsprechend entsteht eine Verknüpfungskette:

1. Hersteller chemischer Grundprodukte,
2. Düngemittelhersteller,
3. Landwirte

und schließlich alle Verbraucher. Noch steht die Forschung zwar weit vor einer Serienreife. Da jedoch Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff besteht, besteht mehr als nur die theoretische Option, Erdgas aus der Gleichung zu streichen – bislang wird es im Haber-Bosch-Verfahren als Wasserstofflieferant genutzt.

Der dahinterstehende Gedanke nennt sich Power-to-Ammoniak. Insbesondere eine europäische Produktion von grünem Ammoniak würde die Transportkosten massiv senken, wodurch die Rentabilität deutlich steigen würde – neben einer ebenfalls gegebenen Unabhängigkeit von gasreicheren Staaten jedweder Couleur. 
 
Quelle: Stockadobe.com/oticki

Profiteur 4: Die Erdgas-bezogenen Kraftwerksbetreiber und -hersteller

Es hat bekanntlich seine Gründe, warum Erdgas ein so bedeutender Energieträger ist. 
  • Einerseits sind es seine Heiz- und Brennwerte. Sie betragen 8,9 bis 12,5, respektive 10,0 bis 13,9 Kilowattstunden pro Kilogramm. 
  • Andererseits ist es seine Abgaszusammensetzung. Hauptsächlich besteht sie aus Kohlendioxid und Wasser. Der Anteil, etwa von Kohlenmonoxid und Rußpartikeln, ist deutlich geringer. Faktisch ist Erdgas deshalb einer der saubersten fossilen Energieträger. 
Hinzu kommen die Schwarzstartfähigkeit sowie generell große Flexibilität von Gaskraftwerken. Beides gestattet es, relativ leicht Spitzenlasten abzufangen. 

Kommen wir nun zu Wasserstoff als sehr leicht brennbarer Energieträger:
  • Das Handling unterscheidet sich praktisch nicht von Erdgas. Weder, was den Leitungstransport anbelangt, noch die Sicherheitsverfahren.
  • Die Heiz- und Brennwerte von Wasserstoff sind mit 33,3, respektive 39,4 Kilowattstunden pro Kilogramm sogar bedeutend höher.
  • Wird Wasserstoff verbrannt, dann verbleiben im Normalbetrieb lediglich Wasser(-dampf) und Sauerstoff – mangels Kohlenstoffatom kann aus Wasserstoff kein Kohlendioxid entstehen. Nur in einigen Verbrennungsmotoren entstehen bei höheren Leistungen Stickoxide. 
Was jedoch für die auf Erdgas fokussierte Kraftwerks-Branche am stärksten betrifft, ist die Nutzbarkeit: Künftige, derzeit in der Entwicklung befindliche Gasturbinen werden deutlich problemloser mit beiden Energieträgern zurechtkommen, als es bei älteren Turbinen der Fall ist. Ferner bietet sich eine perfekte Gelegenheit zur Nutzung in KWK-Anlagen, von denen bereits heute viele „H2-ready“ sind.

Profiteur 5: Die Fahrzeugindustrie

Batterieelektrische Antriebe haben zweifelsohne Vorteile, selbst gegenüber grünem Wasserstoff. Vor allem denjenigen, wonach 100 Prozent des erzeugten Stromes tatsächlich für den Antrieb eingespeist und genutzt werden können – bei der Prozesskette Strom-Wasserstoff-Strom liegt der Wirkungsgrad nur bei lediglich 40 Prozent. Jedoch: 

1. Durch seine duale Nutzbarkeit gestattet Wasserstoff es, bestehende Verbrennungsmotortechnik (inklusive damit verbundener Arbeitsplätze) weiterhin zu nutzen und die Entwicklung sogar fortzuführen, ohne klimatische Nachteile befürchten zu müssen.

2. Die verschiedenen Vorteile des Wasserstoffs als Energieträger für Fahrzeuge vergrößern die Zielgruppe. Nämlich um diejenigen Personen, für die batterieelektrische Fahrzeuge aus unterschiedlichen Gründen unattraktiv sind, die aber dennoch einer (frühzeitigen) Abkehr von Benzin, Diesel und ferner Erdgas offen gegenüber eingestellt sind.

Nachdem es einige Jahre so schien, als seien batterieelektrische Antriebe die alleinige Zukunft, so zeigt sich nicht zuletzt seit Beschluss der Nationalen Wasserstoffstrategie anno 2020 ein Umdenken: Künftig dürfte Wasserstoff eine ähnlich gleichberechtigte Rolle neben Batterieelektrizität einnehmen, wie es seit Jahrzehnten bei Benzin und Dieselkraftstoff der Fall ist. Davon wiederum profitiert eine weitere Branche:

Profiteur 6: Die Transportbranche – vor allem auf mittleren und langen Strecken

Derzeit lancieren verschiedene LKW-Hersteller Zugmaschinen, die mit Batterienausgestattet elektrisch fahren. Doch selbst wenn diese Fahrzeuge samt Anhänger ein ebensolches Ladungsvolumen aufweisen wie ihre konventionell angetriebenen Vorgänger, so gibt es dennoch drei maßgebliche Nachteile:

1. Aufgrund des enormen Gewichts der Batterien wird das mögliche Zuladungsgewicht bei herkömmlichen Abmessungen merklich verringert.
 
2. Die Reichweite mag zwar mit steigender Energiedichte allmählich langstreckentaugliche Werte erreichen. Sie wird jedoch immer stark durch hohe und niedrige Außentemperaturen schwanken.

3. Die Ladedauer verkompliziert die Routenplanung immens. Zumal es dafür nötig ist, sämtliche Rastplätze mit einer hohen Anzahl von Ladesäulen auszustatten, damit die Fahrzeuge dann laden können, wenn die Fahrer zwangsweise ihre Ruhepausen einhalten müssen.

Gerade auf den mittleren und langen Routen ist Wasserstoff deshalb für viele Spediteure und ähnliche Mitglieder der Transportbranche die deutlich interessantere Option: Ähnlich schnell aufzutanken wie Diesel, keine zusätzliche Beeinflussung des Fahrzeug- und Ladungsgewichts, konventionell vorhersagbare Reichweite.

Nebenbei wären deutlich weniger Investitionen in eine Auflade-Infrastruktur vonnöten, denn Wasserstoff kennt diesbezüglich noch einen finalen Profiteur in diesem Artikel:

Profiteur 7: Die Tankstellenbranche

Im Prinzip kann mit entsprechender Leitungs-Infrastruktur jede Zapf- gegen eine Ladesäule ersetzt werden. Bloß gibt es an vielen Tankstellen mit Abstand nicht genügend Raum, damit dort alle Fahrzeuge so lange stehen können, bis die Akkumulatoren wieder gefüllt sind.

Ein Europa, in dem Wasserstoff ein wichtiger Energieträger für Fahrzeuge ist, würde deshalb diese Branche vor einem sehr umfassenden „Sterben“ bewahren. Natürlich benötigt Wasserstoff eine andere Tank- und Zapfsäulen-Infrastruktur. Das ist jedoch ungleich einfacher zu handhaben als eine Leitungs-Infrastruktur – zumal bei ersterem nur die Tankstellenbetreiber involviert sein müssen, nicht auch die Netzbetreiber.

Natürlich wird Batterieelektrik künftig eine große Rolle spielen und werden viele Tankstellen diesen Wandel nicht überstehen. Vielerorts jedoch kann Wasserstoff dieser Branche eine größere Überlebenschance bieten – womit wiederum Wasserstofffahrzeuge für viele Personen eine größere Attraktivität bekämen. Allen voran diejenigen, die weder zuhause noch am Arbeitsplatz eine für sie tragfähige Lademöglichkeit vorfinden.

Samstag, 17.09.2022, 17:59 Uhr
Redaktion

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