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Energie & Management > Mobilität - Grüner tanken mit Synfuels
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Mobilität

Grüner tanken mit Synfuels

Der Verkauf von E-Fahrzeugen zieht an, die Autobranche ist auch hierzulande bereit, ihre Produktion umzustellen. Doch das löst nicht das Problem der Bestandsfahrzeuge.

Aktuelle Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes verdeutlichen die Situation: Die Autos auf deutschen Straßen werden immer älter. Brachten sie es 1960 gerade mal auf eine Lebensdauer von 3,7 Jahren, so sind es heutzutage 9,6 Jahre, ein neuer Rekord. 18 % − was nicht gerade wenig ist − sind sogar zwischen 15 und 29 Jahre alt. Auch ein Lastwagen, der heute zugelassen wird, ist noch durchschnittlich acht Jahre unterwegs, viele dürften es allerdings auf eine erheblich längere Einsatzzeit bringen: Experten geben hier Werte von bis zu 30 Jahre an.

Das zeigt: Will man den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor deutlich reduzieren − geplant sind mindestens 40 % bis 2030 − müssen nicht nur viele Elektroautos verkauft werden, sondern es gilt, eine Lösung für den Bestand der Benzin- und Dieselfahrzeuge zu finden. Gerade auch im Schwer- und Güterfernverkehr, wo der Batterieantrieb nicht weiterhilft.

„Die Zielerfüllung bei der CO2-Einsparung ist nicht möglich, ohne beim Kraftstoff etwas zu tun. Wir müssen alle Optionen nutzen, es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als mit allen Karten zu spielen, die wir haben“, erklärt Norman Wendt von der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Und dazu gehört neben dem E-Auto auch das Thema Power Fuels, auch bekannt als E-Fuels oder Synfuels.

Synthetische Kraftstoffe bieten sich als Lösung an. Bisher ist bei dem Thema noch reichlich Luft nach oben: Lediglich 5 % des Kraftstoffverbrauchs in der Bundesrepublik, so hat die Dena eruiert, gehen derzeit auf alternative oder herkömmliche Biokraftstoffe zurück. Auf der anderen Seite schlägt der Endenergieverbrauch im Verkehrssektor mit 30 % des Gesamtverbrauchs zu Buche − dem einzigen Bereich, der hierzulande bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf ganzer Linie versagt. Und das seit Jahren.

Beimischung bringt am schnellsten Ergebnisse

Die schnellste und erfolgversprechendste Anwendungsmöglichkeit für Power Fuels wäre die Beimischung in herkömmliche Treibstoffe. Hier könnte auch eine finanzielle Förderung durch die Politik recht einfach umgesetzt werden, ein Markt geschaffen und der Branche beim Hochlaufen der Produktion geholfen werden. Wendt, bei der Dena Teamleiter für nachhaltige Mobilität, führt als Vergleichsbeispiel die Photovoltaik an, die durch staatliche Förderung auf den Weg gebracht wurde. „Jetzt ist das die kostengünstigste Stromproduktion, die wir haben, das Thema ist ein Selbstläufer.“

Power Fuels werden per Elektrolyse gewonnen: Mit Strom aus erneuerbaren Energien wird aus Wasser Wasserstoff erzeugt. Der kann dann entweder direkt für die verschiedensten Anwendungen genutzt oder unter Zugabe von CO2 zu Methan weiterverarbeitet werden. Auf diese Weise ist in weiteren Schritten auch die Herstellung von flüssigen Kraftstoffen wie synthetischem Benzin, Diesel und Kerosin möglich. Ausgangsstoffe für die Chemieindustrie lassen sich durch weitere Verarbeitungsschritte ebenfalls erzeugen.

Die Vorteile dieser Verfahren: Die Treibstoffe werden klimaneutral erzeugt, sie lassen sich über bestehende Verteilwege transportieren und sie können mit herkömmlichen Kraftstoffen gemischt werden. Nachteile gibt es nicht viele, dafür aber einen ganz großen: der Preis. Der dürfte im Vergleich mit konventionellen Energieträgern nach verschiedenen Schätzungen zwei- bis viermal so hoch liegen. Insbesondere der hohe Strompreis für die Erzeugung inklusive Steuern und Abgaben fällt ins Gewicht.
Das wird sich aber nach Ansicht von Wendt ändern, wenn der Markt funktioniert, Nachfrage und Angebot da sind. Außerdem könne man sich darauf einstellen, dass ein erheblicher Teil des Wasserstoffs und der Power Fuels importiert wird. Und zwar aus sonnenstarken Ländern, die zu ganz anderen Preisen produzieren können. „Schon heute ist das nicht anders, 95 Prozent des Diesels werden aus dem Mittleren Osten eingeführt, das werden die gleichen Transportwege sein.“

Größter Handlungsbedarf im Schwerlastverkehr

Den dringendsten Handlungsbedarf sehen Fachleute im Bereich des Schwerlastverkehrs, der, was Umfang und Abgase angeht, erschreckende Zahlen aufweist. Er hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen und ist heutzutage für knapp ein Viertel der verkehrsbedingten Emissionen verantwortlich. Bis 2030 wird mit einem weiteren Anstieg gegenüber 2010 von 40 % gerechnet. Da besonders im Fernverkehr elektrische Antriebe bisher keine Alternative darstellen, gelten Power Fuels als geeignetes Mittel, um Verbesserungen zu erreichen. Sowohl Wasserstoff, Methan, Erdgas und Flüssiggas als auch synthetischer Diesel kommen dafür in Frage.

Der öffentliche Personennahverkehr bietet ebenfalls Chancen, etwa wenn größere Reichweiten gefragt sind, als sie mit batterieelektrischen Bussen machbar sind. In den vergangenen Jahren ist verstärkt auch die Bahn in die Kritik geraten. 40 % des deutschen Bahnverkehrs, so die Zahlen der Dena, sind nicht elektrifiziert. Der Schienenverkehr wird auch langfristig ohne Oberleitung bleiben und von Dieselloks sowie Dieseltriebwagen bedient. Pilotprojekte, diese durch Wasserstoffbrennstoffzellenantriebe zu ersetzen, sind im Gange, auch der Aufbau entsprechender Tankstellen.

Für den Flugverkehr, der bisher rund 2,2 Mio. Tonnen CO2-Emissionen verursacht, ist aus heutiger Sicht synthetisches Kerosin die einzige Alternative, um sauberer zu werden. Es könnte schon jetzt ohne Einschränkungen mit bestehenden Flugzeugen genutzt werden. Das Problem auch hier: der Preis, der ein Vielfaches über dem des konventionellen Treibstoffs liegt.

Die chemische Industrie schließlich könnte Power Fuels für die Herstellung von Grundchemikalien einsetzen, beispielsweise von Ammoniak, Methanol, Ethylen und Propylen. Aus ihnen lassen sich etwa Düngemittel und Kunststoffe herstellen. Zusätzlicher Anwendungsbereich in diesem Segment: Durch grünen Wasserstoff ließe sich auch der bisher mit Erdgas erzeugte Prozesswasserstoff ersetzen, was zu einer erheblichen CO2-Reduzierung führt. Immerhin emittierte die chemische Industrie im Jahr 2015 rund 44 Mio. Tonnen CO2.

Profitieren würde auch die Stahlbranche, die ihre CO2-Emissionen durch den Einsatz von grünem Wasserstoff in den jetzt noch kohle- und koksbetriebenen Hochöfen drastisch verringern könnte. Allerdings, so kritisieren nicht nur Umweltverbände, bietet das EU-Emissionshandelssystem kaum Anreize für den Einsatz von CO2-neutralem Wasserstoff in diesem Bereich.

Thema wird bald Fahrt aufnehmen

Bei der Bereitstellung von industrieller Prozesswärme sind Power Fuels eine Option. Dafür wurden 2016 rund 126 Mio. Tonnen CO2 emittiert. 119 Mio. Tonnen waren es im Bereich Gebäudeheizung. 75 % der Raumwärme produzieren dabei Gasheizungen. Aufgrund der schleppenden Austauschraten, so vermutet man bei der Dena, wird das noch eine Weile so bleiben, voraussichtlich werden Gasthermen noch über das Jahr 2040 im Einsatz sein. Um trotzdem CO2-Neutralität herzustellen, könnte sukzessive Methan oder Wasserstoff in die bestehenden Netze eingespeist und damit fossiles Erdgas verdrängt werden.

Im Frühjahr, so schätzt Norman Wendt, wird das Thema Power Fuels richtig Fahrt aufnehmen. Dann würden wohl die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen und die Ziele in Gesetze gegossen sein. Bis jetzt reagiere die Wirtschaft verständlicherweise noch zurückhaltend. Viele kleinere Pilotanlagen stehen aber schon in den Startlöchern. E&M


Mittwoch, 20.01.2021, 09:00 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Mobilität - Grüner tanken mit Synfuels
Bild: lumen-digital / Shutterstock.com
Mobilität
Grüner tanken mit Synfuels
Der Verkauf von E-Fahrzeugen zieht an, die Autobranche ist auch hierzulande bereit, ihre Produktion umzustellen. Doch das löst nicht das Problem der Bestandsfahrzeuge.

Aktuelle Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes verdeutlichen die Situation: Die Autos auf deutschen Straßen werden immer älter. Brachten sie es 1960 gerade mal auf eine Lebensdauer von 3,7 Jahren, so sind es heutzutage 9,6 Jahre, ein neuer Rekord. 18 % − was nicht gerade wenig ist − sind sogar zwischen 15 und 29 Jahre alt. Auch ein Lastwagen, der heute zugelassen wird, ist noch durchschnittlich acht Jahre unterwegs, viele dürften es allerdings auf eine erheblich längere Einsatzzeit bringen: Experten geben hier Werte von bis zu 30 Jahre an.

Das zeigt: Will man den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor deutlich reduzieren − geplant sind mindestens 40 % bis 2030 − müssen nicht nur viele Elektroautos verkauft werden, sondern es gilt, eine Lösung für den Bestand der Benzin- und Dieselfahrzeuge zu finden. Gerade auch im Schwer- und Güterfernverkehr, wo der Batterieantrieb nicht weiterhilft.

„Die Zielerfüllung bei der CO2-Einsparung ist nicht möglich, ohne beim Kraftstoff etwas zu tun. Wir müssen alle Optionen nutzen, es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als mit allen Karten zu spielen, die wir haben“, erklärt Norman Wendt von der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Und dazu gehört neben dem E-Auto auch das Thema Power Fuels, auch bekannt als E-Fuels oder Synfuels.

Synthetische Kraftstoffe bieten sich als Lösung an. Bisher ist bei dem Thema noch reichlich Luft nach oben: Lediglich 5 % des Kraftstoffverbrauchs in der Bundesrepublik, so hat die Dena eruiert, gehen derzeit auf alternative oder herkömmliche Biokraftstoffe zurück. Auf der anderen Seite schlägt der Endenergieverbrauch im Verkehrssektor mit 30 % des Gesamtverbrauchs zu Buche − dem einzigen Bereich, der hierzulande bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf ganzer Linie versagt. Und das seit Jahren.

Beimischung bringt am schnellsten Ergebnisse

Die schnellste und erfolgversprechendste Anwendungsmöglichkeit für Power Fuels wäre die Beimischung in herkömmliche Treibstoffe. Hier könnte auch eine finanzielle Förderung durch die Politik recht einfach umgesetzt werden, ein Markt geschaffen und der Branche beim Hochlaufen der Produktion geholfen werden. Wendt, bei der Dena Teamleiter für nachhaltige Mobilität, führt als Vergleichsbeispiel die Photovoltaik an, die durch staatliche Förderung auf den Weg gebracht wurde. „Jetzt ist das die kostengünstigste Stromproduktion, die wir haben, das Thema ist ein Selbstläufer.“

Power Fuels werden per Elektrolyse gewonnen: Mit Strom aus erneuerbaren Energien wird aus Wasser Wasserstoff erzeugt. Der kann dann entweder direkt für die verschiedensten Anwendungen genutzt oder unter Zugabe von CO2 zu Methan weiterverarbeitet werden. Auf diese Weise ist in weiteren Schritten auch die Herstellung von flüssigen Kraftstoffen wie synthetischem Benzin, Diesel und Kerosin möglich. Ausgangsstoffe für die Chemieindustrie lassen sich durch weitere Verarbeitungsschritte ebenfalls erzeugen.

Die Vorteile dieser Verfahren: Die Treibstoffe werden klimaneutral erzeugt, sie lassen sich über bestehende Verteilwege transportieren und sie können mit herkömmlichen Kraftstoffen gemischt werden. Nachteile gibt es nicht viele, dafür aber einen ganz großen: der Preis. Der dürfte im Vergleich mit konventionellen Energieträgern nach verschiedenen Schätzungen zwei- bis viermal so hoch liegen. Insbesondere der hohe Strompreis für die Erzeugung inklusive Steuern und Abgaben fällt ins Gewicht.
Das wird sich aber nach Ansicht von Wendt ändern, wenn der Markt funktioniert, Nachfrage und Angebot da sind. Außerdem könne man sich darauf einstellen, dass ein erheblicher Teil des Wasserstoffs und der Power Fuels importiert wird. Und zwar aus sonnenstarken Ländern, die zu ganz anderen Preisen produzieren können. „Schon heute ist das nicht anders, 95 Prozent des Diesels werden aus dem Mittleren Osten eingeführt, das werden die gleichen Transportwege sein.“

Größter Handlungsbedarf im Schwerlastverkehr

Den dringendsten Handlungsbedarf sehen Fachleute im Bereich des Schwerlastverkehrs, der, was Umfang und Abgase angeht, erschreckende Zahlen aufweist. Er hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen und ist heutzutage für knapp ein Viertel der verkehrsbedingten Emissionen verantwortlich. Bis 2030 wird mit einem weiteren Anstieg gegenüber 2010 von 40 % gerechnet. Da besonders im Fernverkehr elektrische Antriebe bisher keine Alternative darstellen, gelten Power Fuels als geeignetes Mittel, um Verbesserungen zu erreichen. Sowohl Wasserstoff, Methan, Erdgas und Flüssiggas als auch synthetischer Diesel kommen dafür in Frage.

Der öffentliche Personennahverkehr bietet ebenfalls Chancen, etwa wenn größere Reichweiten gefragt sind, als sie mit batterieelektrischen Bussen machbar sind. In den vergangenen Jahren ist verstärkt auch die Bahn in die Kritik geraten. 40 % des deutschen Bahnverkehrs, so die Zahlen der Dena, sind nicht elektrifiziert. Der Schienenverkehr wird auch langfristig ohne Oberleitung bleiben und von Dieselloks sowie Dieseltriebwagen bedient. Pilotprojekte, diese durch Wasserstoffbrennstoffzellenantriebe zu ersetzen, sind im Gange, auch der Aufbau entsprechender Tankstellen.

Für den Flugverkehr, der bisher rund 2,2 Mio. Tonnen CO2-Emissionen verursacht, ist aus heutiger Sicht synthetisches Kerosin die einzige Alternative, um sauberer zu werden. Es könnte schon jetzt ohne Einschränkungen mit bestehenden Flugzeugen genutzt werden. Das Problem auch hier: der Preis, der ein Vielfaches über dem des konventionellen Treibstoffs liegt.

Die chemische Industrie schließlich könnte Power Fuels für die Herstellung von Grundchemikalien einsetzen, beispielsweise von Ammoniak, Methanol, Ethylen und Propylen. Aus ihnen lassen sich etwa Düngemittel und Kunststoffe herstellen. Zusätzlicher Anwendungsbereich in diesem Segment: Durch grünen Wasserstoff ließe sich auch der bisher mit Erdgas erzeugte Prozesswasserstoff ersetzen, was zu einer erheblichen CO2-Reduzierung führt. Immerhin emittierte die chemische Industrie im Jahr 2015 rund 44 Mio. Tonnen CO2.

Profitieren würde auch die Stahlbranche, die ihre CO2-Emissionen durch den Einsatz von grünem Wasserstoff in den jetzt noch kohle- und koksbetriebenen Hochöfen drastisch verringern könnte. Allerdings, so kritisieren nicht nur Umweltverbände, bietet das EU-Emissionshandelssystem kaum Anreize für den Einsatz von CO2-neutralem Wasserstoff in diesem Bereich.

Thema wird bald Fahrt aufnehmen

Bei der Bereitstellung von industrieller Prozesswärme sind Power Fuels eine Option. Dafür wurden 2016 rund 126 Mio. Tonnen CO2 emittiert. 119 Mio. Tonnen waren es im Bereich Gebäudeheizung. 75 % der Raumwärme produzieren dabei Gasheizungen. Aufgrund der schleppenden Austauschraten, so vermutet man bei der Dena, wird das noch eine Weile so bleiben, voraussichtlich werden Gasthermen noch über das Jahr 2040 im Einsatz sein. Um trotzdem CO2-Neutralität herzustellen, könnte sukzessive Methan oder Wasserstoff in die bestehenden Netze eingespeist und damit fossiles Erdgas verdrängt werden.

Im Frühjahr, so schätzt Norman Wendt, wird das Thema Power Fuels richtig Fahrt aufnehmen. Dann würden wohl die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen und die Ziele in Gesetze gegossen sein. Bis jetzt reagiere die Wirtschaft verständlicherweise noch zurückhaltend. Viele kleinere Pilotanlagen stehen aber schon in den Startlöchern. E&M


Mittwoch, 20.01.2021, 09:00 Uhr
Günter Drewnitzky

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