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Energie & Management > Nordrhein-Westfalen - Grüne tragen Windkraft-Altlast der FDP ab - Solarplan unklar
Quelle: Fotolia / vege
Nordrhein-Westfalen

Grüne tragen Windkraft-Altlast der FDP ab - Solarplan unklar

Verhalten optimistisch blickt die Erneuerbaren-Branche auf die mögliche NRW-Koalition aus CDU und Grünen. Altlasten der Vorgängerregierung sollen die Energiewende nicht länger bremsen.
Das Sondierungspapier von CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen weckt Erwartungen und Hoffnungen bei der Erneuerbaren-Branche. Die zwölfseitige Absichtserklärung, mit der die beiden Wahlgewinner in die am 31. Mai beginnenden Koalitionsverhandlungen gehen, könnte zumindest den weiteren Ausbau der Windenergie beflügeln.

In dem am letzten Mai-Wochenende vorgestellten Papier heißt es, die Abschaffung der pauschalen Abstandsregelung von Windturbinen zur Wohnbebauung sei „notwendig“. An anderer Stelle verweist das Schriftstück auf die „aktuelle Rechtsprechung“ des Oberverwaltungsgerichts in Münster, das häufiger eine Distanz zu Siedlungen im Umfang der dreifachen Höhe einer Windkraftanlage (3H) als ausreichend erachtete − das wäre bei derzeitiger Technik ein Abstand von bis zu 750 Metern. In Summe deutet vieles darauf hin, dass die Grünen damit die missliebige 1.000-Meter-Abstandsregelung der schwarz-gelben Vorgängerregierung aus der Welt schaffen könnten.

Treibende Kraft hinter der 1.000-Meter-Regelung, die als Hinderungsgrund für viele Neu- und Repowering-Projekte angesehen wird, war seinerzeit der Juniorpartner in der Koalition, die FDP. Sie war 2017 mit strammem Anti-Windkraft-Kurs auf Stimmenfang gegangen. In Ostwestfalen-Lippe etwa zeigten Wahlplakate der Liberalen ein von (nicht existenten) Windrädern umstelltes Hermannsdenkmal. Ursprünglich wollte Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) sogar 1.500 Meter durchsetzen.

Branchenverband fordert schnell Klarheit über Windkraft-Zubau

Fünf Jahre später diktiert offenbar der nächste Juniorpartner im Düsseldorfer Kabinett die Erneuerbaren-Strategie – nun mit umgekehrten Vorzeichen. Mit 200 neuen Windturbinen pro Jahr sollen in der fünf Jahre langen Legislaturperiode etwa 5.000 MW an Leistung hinzukommen. Hierbei ist zu klären, ob es sich um den Nettozubau handelt oder erneuerte Anlagen (Repowering) und verlorene Standorte einzurechnen sind.

Reiner Priggen, Vorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW) und Grünen-Mitglied, sagte gegenüber unserer Redaktion, er empfinde das Papier der designierten Koalition „als Signal in Ordnung“. Er interpretiere die Formulierungen zum Abstand von Windenergieanlagen so, dass „die 1.000-Meter-Regelung fällt“. Gleichwohl forderte Priggen „Klarheit“ über die neuen Vorgaben, neue Abstandssetzungen dürften nicht auch – wie bei CDU/FDP – für zersplitterte Kleinstsiedlungen gelten. Einen „offenen Prüfprozess“ dürfe es in diesem Punkt nicht geben. „In NRW sind in den vergangenen vier Jahren nur 60 Windkraftanlagen pro Jahr entstanden“, so Priggen, taktische Verzögerungen seien zu vermeiden, um das Ziel von 200 Anlagen pro Jahr nicht zu gefährden.

Um den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen, präsentierte der LEE NRW gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am 30. Mai die Ergebnisse einer vom LEE NRW in Auftrag gegebenen Studie. Sie schließt an das von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) formulierte Ziel an, 2 % der Fläche Deutschlands für Windenergie bereitzustellen. Die Studie für NRW besage, dass im bevölkerungsreichsten Bundesland mit 95.000 Hektar etwa 2,8 % der Landesfläche für Windenergie nutzbar seien. Die Berechnungen stammen vom Hannoveraner Datenanalyse-Unternehmen Nefino.

Auf allgemeine Solarpflicht deutet bei CDU und Grünen nichts hin

Dirk Jansen, NRW-Geschäftsleiter des BUND, brachte erneut von Unwetter oder Schädlingsbefall in Mitleidenschaft gezogene Waldflächen als Windkraft-Standorte ins Spiel. Diese Forstflächen hatte Pinkwart zuletzt erst angesichts der neuen Klimaziele der Berliner Ampelkoalition ins Auge gefasst. Jansen betonte nun: „Es gibt keine Gründe des Naturschutzes, Windenergieanlagen in Forsten grundsätzlich auszuschließen.“ Für Reiner Priggen ist neben mehr Windkraft in Wirtschaftswäldern für die Ausbauziele entscheidend, die geltenden pauschalen Abstände zu Wohnbebauung, Flugradaranlagen und seismologischen Stationen zu verringern. Dies alles sei in der Flächenpotenzial-Studie bereits einberechnet.

In einem anderen Erneuerbaren-Bereich scheinen die Grünen bei der CDU (noch) auf Granit zu beißen. Eine Pflicht zum Errichten von Solaranlagen auf Neubauten findet sich als Formulierung nicht im Sondierungspapier. Darin verabreden die möglichen Koalitionäre lediglich, die Voraussetzungen schaffen zu wollen, „dass sämtliche für Photovoltaik geeignete Flächen (bebaute und versiegelte Flächen, Verkehrswege, Wasser- und schwache Agrarflächen usw.), genutzt werden können“. Auch hier erwartet Reiner Priggen weitere Aufschlüsse im detaillierteren Koalitionsvertrag.

Er verwies zugleich darauf, dass die Solarpflicht durchaus umstritten sei. Der Bundesverband Solarwirtschaft etwa lehne sie ab. Priggen selbst kann sich auch eine stufenweise Einführung nach Gebäudetypen vorstellen. „Viele vermissen etwas“, sagte Priggen mit Blick auf das Sondierungsergebnis, „insgesamt bin ich aber nicht pessimistisch.“

Montag, 30.05.2022, 15:54 Uhr
Volker Stephan
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Nordrhein-Westfalen
Grüne tragen Windkraft-Altlast der FDP ab - Solarplan unklar
Verhalten optimistisch blickt die Erneuerbaren-Branche auf die mögliche NRW-Koalition aus CDU und Grünen. Altlasten der Vorgängerregierung sollen die Energiewende nicht länger bremsen.
Das Sondierungspapier von CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen weckt Erwartungen und Hoffnungen bei der Erneuerbaren-Branche. Die zwölfseitige Absichtserklärung, mit der die beiden Wahlgewinner in die am 31. Mai beginnenden Koalitionsverhandlungen gehen, könnte zumindest den weiteren Ausbau der Windenergie beflügeln.

In dem am letzten Mai-Wochenende vorgestellten Papier heißt es, die Abschaffung der pauschalen Abstandsregelung von Windturbinen zur Wohnbebauung sei „notwendig“. An anderer Stelle verweist das Schriftstück auf die „aktuelle Rechtsprechung“ des Oberverwaltungsgerichts in Münster, das häufiger eine Distanz zu Siedlungen im Umfang der dreifachen Höhe einer Windkraftanlage (3H) als ausreichend erachtete − das wäre bei derzeitiger Technik ein Abstand von bis zu 750 Metern. In Summe deutet vieles darauf hin, dass die Grünen damit die missliebige 1.000-Meter-Abstandsregelung der schwarz-gelben Vorgängerregierung aus der Welt schaffen könnten.

Treibende Kraft hinter der 1.000-Meter-Regelung, die als Hinderungsgrund für viele Neu- und Repowering-Projekte angesehen wird, war seinerzeit der Juniorpartner in der Koalition, die FDP. Sie war 2017 mit strammem Anti-Windkraft-Kurs auf Stimmenfang gegangen. In Ostwestfalen-Lippe etwa zeigten Wahlplakate der Liberalen ein von (nicht existenten) Windrädern umstelltes Hermannsdenkmal. Ursprünglich wollte Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) sogar 1.500 Meter durchsetzen.

Branchenverband fordert schnell Klarheit über Windkraft-Zubau

Fünf Jahre später diktiert offenbar der nächste Juniorpartner im Düsseldorfer Kabinett die Erneuerbaren-Strategie – nun mit umgekehrten Vorzeichen. Mit 200 neuen Windturbinen pro Jahr sollen in der fünf Jahre langen Legislaturperiode etwa 5.000 MW an Leistung hinzukommen. Hierbei ist zu klären, ob es sich um den Nettozubau handelt oder erneuerte Anlagen (Repowering) und verlorene Standorte einzurechnen sind.

Reiner Priggen, Vorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW) und Grünen-Mitglied, sagte gegenüber unserer Redaktion, er empfinde das Papier der designierten Koalition „als Signal in Ordnung“. Er interpretiere die Formulierungen zum Abstand von Windenergieanlagen so, dass „die 1.000-Meter-Regelung fällt“. Gleichwohl forderte Priggen „Klarheit“ über die neuen Vorgaben, neue Abstandssetzungen dürften nicht auch – wie bei CDU/FDP – für zersplitterte Kleinstsiedlungen gelten. Einen „offenen Prüfprozess“ dürfe es in diesem Punkt nicht geben. „In NRW sind in den vergangenen vier Jahren nur 60 Windkraftanlagen pro Jahr entstanden“, so Priggen, taktische Verzögerungen seien zu vermeiden, um das Ziel von 200 Anlagen pro Jahr nicht zu gefährden.

Um den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen, präsentierte der LEE NRW gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am 30. Mai die Ergebnisse einer vom LEE NRW in Auftrag gegebenen Studie. Sie schließt an das von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) formulierte Ziel an, 2 % der Fläche Deutschlands für Windenergie bereitzustellen. Die Studie für NRW besage, dass im bevölkerungsreichsten Bundesland mit 95.000 Hektar etwa 2,8 % der Landesfläche für Windenergie nutzbar seien. Die Berechnungen stammen vom Hannoveraner Datenanalyse-Unternehmen Nefino.

Auf allgemeine Solarpflicht deutet bei CDU und Grünen nichts hin

Dirk Jansen, NRW-Geschäftsleiter des BUND, brachte erneut von Unwetter oder Schädlingsbefall in Mitleidenschaft gezogene Waldflächen als Windkraft-Standorte ins Spiel. Diese Forstflächen hatte Pinkwart zuletzt erst angesichts der neuen Klimaziele der Berliner Ampelkoalition ins Auge gefasst. Jansen betonte nun: „Es gibt keine Gründe des Naturschutzes, Windenergieanlagen in Forsten grundsätzlich auszuschließen.“ Für Reiner Priggen ist neben mehr Windkraft in Wirtschaftswäldern für die Ausbauziele entscheidend, die geltenden pauschalen Abstände zu Wohnbebauung, Flugradaranlagen und seismologischen Stationen zu verringern. Dies alles sei in der Flächenpotenzial-Studie bereits einberechnet.

In einem anderen Erneuerbaren-Bereich scheinen die Grünen bei der CDU (noch) auf Granit zu beißen. Eine Pflicht zum Errichten von Solaranlagen auf Neubauten findet sich als Formulierung nicht im Sondierungspapier. Darin verabreden die möglichen Koalitionäre lediglich, die Voraussetzungen schaffen zu wollen, „dass sämtliche für Photovoltaik geeignete Flächen (bebaute und versiegelte Flächen, Verkehrswege, Wasser- und schwache Agrarflächen usw.), genutzt werden können“. Auch hier erwartet Reiner Priggen weitere Aufschlüsse im detaillierteren Koalitionsvertrag.

Er verwies zugleich darauf, dass die Solarpflicht durchaus umstritten sei. Der Bundesverband Solarwirtschaft etwa lehne sie ab. Priggen selbst kann sich auch eine stufenweise Einführung nach Gebäudetypen vorstellen. „Viele vermissen etwas“, sagte Priggen mit Blick auf das Sondierungsergebnis, „insgesamt bin ich aber nicht pessimistisch.“

Montag, 30.05.2022, 15:54 Uhr
Volker Stephan

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