E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Kohle - Globale Finanzströme werfen neues Licht auf den Kohleausstieg
Bild: DesignRage / Shutterstock.com
Kohle

Globale Finanzströme werfen neues Licht auf den Kohleausstieg

Deutschland steigt aus der Kohleverstromung aus - zugleich werden von Unternehmen hierzulande weltweit neue Kohlekraftwerke finanziert, zeigt eine Studie des Mercator-Instituts.
Das Weltklimaabkommen von Paris enthält nicht nur die Temperaturziele 1,5 und 2 Grad als maximal tolerierte Erderhitzung: Es zielt ausdrücklich auch auf die globalen Finanzströme und will diese „konsistent machen mit einem Pfad hin zu niedrigen Treibhausgasemissionen“.

Trotzdem wird die Kohleverstromung, die besonders viel CO2 freisetzt und in Asien nach wie vor boomt, auch mit viel Geld aus westlichen Industrieländern befeuert: in Form von Krediten, Kreditgarantien oder Investitionen in Unternehmensanleihen und -anteile. Das Ausmaß dieser Finanzströme zeigt jetzt eine Studie des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).

Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht. Leitautor Niccolo Manych, Doktorand in der MCC-Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung: „Die Aktivitäten etwa von Geschäftsbanken und Pensionsfonds bei der Kohle-Finanzierung haben in der Wissenschaft bislang wenig Aufmerksamkeit bekommen.“ Dabei stünden sie in zum Teil erheblichen Kontrast zur Kohlepolitik in den Heimatländern – und bezeichnenderweise gebe es für diese Finanzströme keine offizielle Statistik.

Immerhin konnte das Forschungsteam auf zwei "sehr solide" Datensätze von Nichtregierungsorganisationen zurückgreifen: Zum einen auf die vom US-Infodienst Global Energy Monitor erstellte Übersicht sämtlicher Kohleprojekte. Zum anderen die Expertise der deutschen Umweltschutzorganisation Urgewald: Diese hatte bei den Finanzinformationsdienstleistern Bloomberg, Thomson Reuters und IJGlobal die Finanzquellen von 250 im Kohle-Bereich aktiven Projektierungsgesellschaften recherchiert.

Demnach sind seit 2015, dem Jahr des Paris-Abkommens, neue Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 1.182.000 Megawatt beauftragt worden, das entspricht ungefähr 1.300 durchschnittlichen Kraftwerken. Über 500.000 Megawatt davon befinden sich momentan in Bau oder in Planung. Die Standorte der neuen Kohlemeiler und auch die Firmensitze der Projektierungsgesellschaften liegen fast alle in China, Indien, Vietnam, Indonesien und einigen weiteren asiatischen Ländern.

Doch die Finanzierung kommt laut MCC-Studie zu 40 % von Unternehmen aus den sogenannten Annex-I-Staaten der UN-Klimarahmenkonvention: im Wesentlichen Industrieländer, allen voran Japan, die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Schweiz. Bei Krediten sowie beim Kauf entsprechender Firmenanleihen und -anteile liege der Anteil sogar bei zwei Dritteln, hingegen werde die Finanzierung über Kreditgarantien von Banken aus China dominiert.

Achtmal soviel CO2 durch Kohleprojekt im Ausland

Den Kontrast zwischen dem mehr oder weniger entschlossenen Kohleausstieg der Industrienationen im Inland und ihren grenzüberschreitenden Finanzaktivitäten zeigt die Studie in einer brisanten Tabelle zur „finanzbasierten Bilanzierung der Kohle-Emissionen“. In dieser Betrachtung hat zum Beispiel Deutschland Emissionen in Höhe von 1,6 Mrd. Tonnen CO2 aus neuen Kohlekraftwerken in den Büchern, wenn man weltweit finanzierte Projekte ab 2015 und deren gesamte voraussichtliche Betriebsdauer im Blick hat. Das ist achtmal so viel wie das CO2 aus dem einzigen neuen Kohlekraftwerk im Inland, in Datteln im Ruhrgebiet. Japan kommt finanzbasiert sogar auf 18,3 Mrd. Tonnen.

„Unsere umfassende Bestandsaufnahme zeigt erstmals klipp und klar, wie bedeutsam beim Thema Kohle die Finanzströme sind. Das eröffnet auch westlichen Ländern Spielraum, hier politisch aktiv zu werden“, sagt Jan Steckel, Arbeitsgruppenleiter am MCC und Mitautor.

Die Studie skizziert mögliche Gegenstrategien – von erweiterten Berichtspflichten der Banken und Pensionsfonds oder freiwilligen Selbstverpflichtungen bis hin zu einer Steuer auf Kohle-Investitionen oder staatliche Sicherheiten für Investitionen in erneuerbare Energien.

Die Studie "Finance-based accounting of coal emissions" kann kostenlos von der Website der Fachzeitschrift Environmental Research Letters heruntergeladen werden.

Mittwoch, 24.03.2021, 15:12 Uhr
Peter Koller
Energie & Management > Kohle - Globale Finanzströme werfen neues Licht auf den Kohleausstieg
Bild: DesignRage / Shutterstock.com
Kohle
Globale Finanzströme werfen neues Licht auf den Kohleausstieg
Deutschland steigt aus der Kohleverstromung aus - zugleich werden von Unternehmen hierzulande weltweit neue Kohlekraftwerke finanziert, zeigt eine Studie des Mercator-Instituts.
Das Weltklimaabkommen von Paris enthält nicht nur die Temperaturziele 1,5 und 2 Grad als maximal tolerierte Erderhitzung: Es zielt ausdrücklich auch auf die globalen Finanzströme und will diese „konsistent machen mit einem Pfad hin zu niedrigen Treibhausgasemissionen“.

Trotzdem wird die Kohleverstromung, die besonders viel CO2 freisetzt und in Asien nach wie vor boomt, auch mit viel Geld aus westlichen Industrieländern befeuert: in Form von Krediten, Kreditgarantien oder Investitionen in Unternehmensanleihen und -anteile. Das Ausmaß dieser Finanzströme zeigt jetzt eine Studie des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).

Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht. Leitautor Niccolo Manych, Doktorand in der MCC-Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung: „Die Aktivitäten etwa von Geschäftsbanken und Pensionsfonds bei der Kohle-Finanzierung haben in der Wissenschaft bislang wenig Aufmerksamkeit bekommen.“ Dabei stünden sie in zum Teil erheblichen Kontrast zur Kohlepolitik in den Heimatländern – und bezeichnenderweise gebe es für diese Finanzströme keine offizielle Statistik.

Immerhin konnte das Forschungsteam auf zwei "sehr solide" Datensätze von Nichtregierungsorganisationen zurückgreifen: Zum einen auf die vom US-Infodienst Global Energy Monitor erstellte Übersicht sämtlicher Kohleprojekte. Zum anderen die Expertise der deutschen Umweltschutzorganisation Urgewald: Diese hatte bei den Finanzinformationsdienstleistern Bloomberg, Thomson Reuters und IJGlobal die Finanzquellen von 250 im Kohle-Bereich aktiven Projektierungsgesellschaften recherchiert.

Demnach sind seit 2015, dem Jahr des Paris-Abkommens, neue Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 1.182.000 Megawatt beauftragt worden, das entspricht ungefähr 1.300 durchschnittlichen Kraftwerken. Über 500.000 Megawatt davon befinden sich momentan in Bau oder in Planung. Die Standorte der neuen Kohlemeiler und auch die Firmensitze der Projektierungsgesellschaften liegen fast alle in China, Indien, Vietnam, Indonesien und einigen weiteren asiatischen Ländern.

Doch die Finanzierung kommt laut MCC-Studie zu 40 % von Unternehmen aus den sogenannten Annex-I-Staaten der UN-Klimarahmenkonvention: im Wesentlichen Industrieländer, allen voran Japan, die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Schweiz. Bei Krediten sowie beim Kauf entsprechender Firmenanleihen und -anteile liege der Anteil sogar bei zwei Dritteln, hingegen werde die Finanzierung über Kreditgarantien von Banken aus China dominiert.

Achtmal soviel CO2 durch Kohleprojekt im Ausland

Den Kontrast zwischen dem mehr oder weniger entschlossenen Kohleausstieg der Industrienationen im Inland und ihren grenzüberschreitenden Finanzaktivitäten zeigt die Studie in einer brisanten Tabelle zur „finanzbasierten Bilanzierung der Kohle-Emissionen“. In dieser Betrachtung hat zum Beispiel Deutschland Emissionen in Höhe von 1,6 Mrd. Tonnen CO2 aus neuen Kohlekraftwerken in den Büchern, wenn man weltweit finanzierte Projekte ab 2015 und deren gesamte voraussichtliche Betriebsdauer im Blick hat. Das ist achtmal so viel wie das CO2 aus dem einzigen neuen Kohlekraftwerk im Inland, in Datteln im Ruhrgebiet. Japan kommt finanzbasiert sogar auf 18,3 Mrd. Tonnen.

„Unsere umfassende Bestandsaufnahme zeigt erstmals klipp und klar, wie bedeutsam beim Thema Kohle die Finanzströme sind. Das eröffnet auch westlichen Ländern Spielraum, hier politisch aktiv zu werden“, sagt Jan Steckel, Arbeitsgruppenleiter am MCC und Mitautor.

Die Studie skizziert mögliche Gegenstrategien – von erweiterten Berichtspflichten der Banken und Pensionsfonds oder freiwilligen Selbstverpflichtungen bis hin zu einer Steuer auf Kohle-Investitionen oder staatliche Sicherheiten für Investitionen in erneuerbare Energien.

Die Studie "Finance-based accounting of coal emissions" kann kostenlos von der Website der Fachzeitschrift Environmental Research Letters heruntergeladen werden.

Mittwoch, 24.03.2021, 15:12 Uhr
Peter Koller

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.