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Energie & Management > Windkraft Onshore - Gericht im Norden kippt windkraftfeindlichen Regionalplan
Quelle: Pixabay / Peter Dargatz
Windkraft Onshore

Gericht im Norden kippt windkraftfeindlichen Regionalplan

Das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht hat die regionale Windplanung für den Norden des nördlichsten Bundeslandes kassiert. Der Windverband äußert sich darüber unglücklich.
(dpa) − Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts Schleswig erklärte den Regionalplan für den Planungsraum 1 am 22. März für „unwirksam“, teilte eine Gerichtssprecherin mit. Das Gebiet umfasst die Kreise Nordfriesland und Schleswig−Flensburg sowie die Stadt Flensburg. Zur Begründung hieß es, die Festlegung von Vorranggebieten für die Windenergie leide an einem Abwägungsmangel.

Damit hatte die Normenkontrollklage einer Projektgesellschaft Erfolg, die im nördlichen Kreis Schleswig-Flensburg ein Windrad errichten wollte (Aktenzeichen: 5 KN 53/21). Das Gericht ließ eine Revision nicht zu.

Der Regionalplan führt die Landschaftsschutzgebiete Wiedingharder- und Gotteskoog sowie Ostenfeld - Schwabstedter Geest mit vorgelagerter Marsch im Kreis Nordfriesland als Tabugebiete für Windkraft auf. Die Ausweisung dieser Gebiete als Bereiche ohne Windräder beruhte laut Gericht jedoch auf Kreisverordnungen, die das OVG bereits im Mai 2020 mit Urteilen für unwirksam erklärt hatte. „Der Ausschluss dieser beiden Gebiete von der Windkraftplanung hätte demnach nur nach einer ergänzenden Abwägung erfolgen können; eine solche war jedoch unterblieben.“ Der Fehler betreffe den gesamten Planungsraum 1. Dadurch verändere sich das Verhältnis von Positiv- zu Negativflächen insgesamt. Deshalb könne nicht mit ausreichender Sicherheit angenommen werden, dass der Plan mit den übrigen Festsetzungen genauso beschlossen worden wäre. 

Mit dieser rechtlichen Würdigung hatte auch eine Bürgerwind-Gesellschaft in einem parallel verhandelten Verfahren Erfolg. Sie will eine Anlage im Gebiet Wiedingharder- und Gotteskoog aufstellen. Mit der Unwirksamkeit des Regionalplans stünden diesem Vorhaben keine Ziele der Raumordnung mehr entgegen, so der Senat. 

Das Gericht ließ eine Revision gegen die Entscheidungen vom 22. März nicht zu. Gegen den Regionalplan für den Norden sind sieben weitere Normenkontrollanträge und eine weitere Klage anhängig.

Windverband befürchtet Flaute

Der Landesverband Windenergie sprach von einer frustrierenden Situation. „Sie bringt erneut Rechtsunsicherheit in die Branche“, sagte Geschäftsführer Marcus Hrach der Deutschen Presse-Agentur. Die Landesregierung müsse schnell für Rechtssicherheit sorgen. Der Windkraftausbau dürfe nicht noch einmal wertvolle Jahre verlieren. „Noch so einen langen Prozess wie nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts von 2015 kann und darf es nicht noch einmal geben.“ 

Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD) sprach von einer „echten Klatsche“ für die Landesregierung. Die unterschiedliche Anwendung von Abwägungskriterien und die politisch motivierten Änderungen an den Planungen seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hätten sich mit Ansage zum Bumerang entwickelt.
 
 
Land prüft Rechtsmittel und mehr

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) will einen ungesteuerten Ausbau der Windkraft im Norden verhindern. Die Situation könne niemanden zufriedenstellen, erklärte sie in erster Reaktion auf das Urteil: „Es gilt, den enormen Druck zur Ausweisung von Windflächen in geordnete Bahnen zu lenken, um den Ausbau mit Akzeptanz und raumverträglich voranzubringen.“ Das Ministerium warte die schriftliche Urteilsbegründung ab und entscheide dann über Rechtsmittel. Es revidiere gerade ohnehin die Landesplanung mit dem Ziel, mehr Fläche bereitzustellen.

Klagen gegen andere Regionalpläne anhängig

Anfang Juni will sich das Gericht mit dem Regionalplan 2 für Kiel und Neumünster sowie die Kreise Plön und Rendsburg - Eckernförde befassen. Dagegen wenden sich zwei Klägerinnen. Die Gemeinde Krummbek (Kreis Plön) meint, dass ein Vorranggebiet zu nah an ihr Gemeindegebiet heranreiche und ihre eigene Planungshoheit verletze. Eine private Antragstellerin wendet sich gegen die Aussparung ihrer Grundstücke im Kreis Rendsburg-Eckernförde, die in der Nähe einer Potenzialfläche gelegen sind.

Zudem gibt es weitere 43 Normenkontrollanträge und zwei Klagen gegen den Regionalplan für den Süden des Landes.

Was Schwarz-Grün im Norden beschlossen hatte

Erst Ende 2020 hatte die schwarz-grüne Landesregierung neue Regionalpläne beschlossen und 344 Vorranggebiete für Windenergie mit einer Gesamtfläche von 32.000 Hektar ausgewiesen. Das entspricht 2 Prozent der Landesfläche. Von 3.200 Anlagen stehen 2.317 innerhalb der Vorranggebiete. Dort ist nicht nur ein Neubau von Anlagen möglich, sondern auch ein langfristiges Repowering, also der Ersatz alter Windmühlen durch leistungsstärkere neue.

Die 977 Anlagen außerhalb der Vorranggebiete haben Bestandsschutz, müssen mittelfristig aber abgebaut werden. 

2015 hatte das Oberverwaltungsgericht die damaligen Regionalpläne gekippt. Um einen Wildwuchs zu verhindern, verhängte das Land daraufhin ein Moratorium für Neubauten. Jahrelang wurden neue Anlagen nur in Ausnahmefällen genehmigt. Mittlerweile gibt es wieder mehr Genehmigungen.

Mittwoch, 22.03.2023, 18:01 Uhr
dpa
Energie & Management > Windkraft Onshore - Gericht im Norden kippt windkraftfeindlichen Regionalplan
Quelle: Pixabay / Peter Dargatz
Windkraft Onshore
Gericht im Norden kippt windkraftfeindlichen Regionalplan
Das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht hat die regionale Windplanung für den Norden des nördlichsten Bundeslandes kassiert. Der Windverband äußert sich darüber unglücklich.
(dpa) − Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts Schleswig erklärte den Regionalplan für den Planungsraum 1 am 22. März für „unwirksam“, teilte eine Gerichtssprecherin mit. Das Gebiet umfasst die Kreise Nordfriesland und Schleswig−Flensburg sowie die Stadt Flensburg. Zur Begründung hieß es, die Festlegung von Vorranggebieten für die Windenergie leide an einem Abwägungsmangel.

Damit hatte die Normenkontrollklage einer Projektgesellschaft Erfolg, die im nördlichen Kreis Schleswig-Flensburg ein Windrad errichten wollte (Aktenzeichen: 5 KN 53/21). Das Gericht ließ eine Revision nicht zu.

Der Regionalplan führt die Landschaftsschutzgebiete Wiedingharder- und Gotteskoog sowie Ostenfeld - Schwabstedter Geest mit vorgelagerter Marsch im Kreis Nordfriesland als Tabugebiete für Windkraft auf. Die Ausweisung dieser Gebiete als Bereiche ohne Windräder beruhte laut Gericht jedoch auf Kreisverordnungen, die das OVG bereits im Mai 2020 mit Urteilen für unwirksam erklärt hatte. „Der Ausschluss dieser beiden Gebiete von der Windkraftplanung hätte demnach nur nach einer ergänzenden Abwägung erfolgen können; eine solche war jedoch unterblieben.“ Der Fehler betreffe den gesamten Planungsraum 1. Dadurch verändere sich das Verhältnis von Positiv- zu Negativflächen insgesamt. Deshalb könne nicht mit ausreichender Sicherheit angenommen werden, dass der Plan mit den übrigen Festsetzungen genauso beschlossen worden wäre. 

Mit dieser rechtlichen Würdigung hatte auch eine Bürgerwind-Gesellschaft in einem parallel verhandelten Verfahren Erfolg. Sie will eine Anlage im Gebiet Wiedingharder- und Gotteskoog aufstellen. Mit der Unwirksamkeit des Regionalplans stünden diesem Vorhaben keine Ziele der Raumordnung mehr entgegen, so der Senat. 

Das Gericht ließ eine Revision gegen die Entscheidungen vom 22. März nicht zu. Gegen den Regionalplan für den Norden sind sieben weitere Normenkontrollanträge und eine weitere Klage anhängig.

Windverband befürchtet Flaute

Der Landesverband Windenergie sprach von einer frustrierenden Situation. „Sie bringt erneut Rechtsunsicherheit in die Branche“, sagte Geschäftsführer Marcus Hrach der Deutschen Presse-Agentur. Die Landesregierung müsse schnell für Rechtssicherheit sorgen. Der Windkraftausbau dürfe nicht noch einmal wertvolle Jahre verlieren. „Noch so einen langen Prozess wie nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts von 2015 kann und darf es nicht noch einmal geben.“ 

Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD) sprach von einer „echten Klatsche“ für die Landesregierung. Die unterschiedliche Anwendung von Abwägungskriterien und die politisch motivierten Änderungen an den Planungen seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hätten sich mit Ansage zum Bumerang entwickelt.
 
 
Land prüft Rechtsmittel und mehr

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) will einen ungesteuerten Ausbau der Windkraft im Norden verhindern. Die Situation könne niemanden zufriedenstellen, erklärte sie in erster Reaktion auf das Urteil: „Es gilt, den enormen Druck zur Ausweisung von Windflächen in geordnete Bahnen zu lenken, um den Ausbau mit Akzeptanz und raumverträglich voranzubringen.“ Das Ministerium warte die schriftliche Urteilsbegründung ab und entscheide dann über Rechtsmittel. Es revidiere gerade ohnehin die Landesplanung mit dem Ziel, mehr Fläche bereitzustellen.

Klagen gegen andere Regionalpläne anhängig

Anfang Juni will sich das Gericht mit dem Regionalplan 2 für Kiel und Neumünster sowie die Kreise Plön und Rendsburg - Eckernförde befassen. Dagegen wenden sich zwei Klägerinnen. Die Gemeinde Krummbek (Kreis Plön) meint, dass ein Vorranggebiet zu nah an ihr Gemeindegebiet heranreiche und ihre eigene Planungshoheit verletze. Eine private Antragstellerin wendet sich gegen die Aussparung ihrer Grundstücke im Kreis Rendsburg-Eckernförde, die in der Nähe einer Potenzialfläche gelegen sind.

Zudem gibt es weitere 43 Normenkontrollanträge und zwei Klagen gegen den Regionalplan für den Süden des Landes.

Was Schwarz-Grün im Norden beschlossen hatte

Erst Ende 2020 hatte die schwarz-grüne Landesregierung neue Regionalpläne beschlossen und 344 Vorranggebiete für Windenergie mit einer Gesamtfläche von 32.000 Hektar ausgewiesen. Das entspricht 2 Prozent der Landesfläche. Von 3.200 Anlagen stehen 2.317 innerhalb der Vorranggebiete. Dort ist nicht nur ein Neubau von Anlagen möglich, sondern auch ein langfristiges Repowering, also der Ersatz alter Windmühlen durch leistungsstärkere neue.

Die 977 Anlagen außerhalb der Vorranggebiete haben Bestandsschutz, müssen mittelfristig aber abgebaut werden. 

2015 hatte das Oberverwaltungsgericht die damaligen Regionalpläne gekippt. Um einen Wildwuchs zu verhindern, verhängte das Land daraufhin ein Moratorium für Neubauten. Jahrelang wurden neue Anlagen nur in Ausnahmefällen genehmigt. Mittlerweile gibt es wieder mehr Genehmigungen.

Mittwoch, 22.03.2023, 18:01 Uhr
dpa

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