Deutschlands CO2-Ausstoß sank laut Agora Energiewende auf den niedrigsten Stand seit 70 Jahren. Leider lag das an der gedrosselten Industrieproduktion wegen der hohen Energiepreise.
Die CO2-Emissionen in Deutschland sind 2023 auf 673
Millionen Tonnen gesunken, damit 46
Prozent weniger als 1990. Das sei der niedrigste Stand seit 70
Jahren, meldet die Denkfabrik Agora Energiewende am 4.
Januar. Leider sanken die Emissionen hauptsächlich wegen der hohen Energiepreise und führten in der energieintensiven Industrie zu Produktionsrückgängen. Ein Großteil der Minderung gehe auch auf einen unerwartet starken Rückgang des Kohleverbrauchs zurück.
Für dauerhafte Emissionseinsparungen muss die Bundesregierung 2024 die Lücken in der Klimapolitik schließen, vor allem im Verkehrs- und Gebäudebereich, forderte Agora deshalb. Deutschlanddirektor Simon Müller sagte: „Den Agora-Berechnungen zufolge sind nur rund 15
Prozent des CO2-Rückgangs langfristige Einsparungen, die sich vor allem aus dem Zubau erneuerbarer Energien, Effizienzsteigerungen sowie dem Umstieg auf CO2-ärmere oder klimafreundliche Brennstoffe beziehungsweise Alternativen ergeben.“
Verkehrs- und Gebäudesektor verfehlen ZieleDaher halte der Großteil der Emissionseinsparungen 2023 weder industrie- noch klimapolitisch nach. Konjunkturbedingt könnten sie schnell wieder steigen oder sich längerfristig Teile der Industrieproduktion ins Ausland verlagern. Gebäude und Verkehr stießen 2023 nahezu gleich viel CO2 aus wie 2022, weshalb die Politik hier dringend handeln müsse. Deutschland verfehle voraussichtlich bereits 2024 seine europäisch vereinbarten Klimaziele aus der sogenannten Effort Sharing Regulation. Das müsse dann mit dem Zukauf von Emissionsrechten aus anderen EU-Mitgliedstaaten kompensiert werden – ansonsten drohen Strafzahlungen.
Habeck ist teils erfreut, teils besorgtBundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) freute sich über die Zahlen. Der Rückgang der Kohleverstromung und der Rekordbeitrag aus Erneuerbaren seien wichtige Schritte für den Klimaschutz. Die Tatsache, dass Deutschland erstmals Stromimporteur wurde, zeige, dass der EU-Binnenmarkt für Strom funktioniert und günstiger Ökostrom nach Deutschland floss, so Habeck.
Er wolle, dass Deutschland ein starker Industriestandort bleibt und klimaneutral wird. Deswegen werde die Ampel die Industrieprogramme aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) umsetzen, die Stromsteuer für zahlreiche Unternehmen senken und das Wachstumschancengesetz verwirklichen. Habeck hofft, dass das Gebäudeenergiegesetz (GEG), gepaart mit der Förderung für klimafreundliche Heizungen, den CO2-Ausstoß weiter mindert. „Und was den Verkehr anbetrifft, ist bekannt, dass (...) hier mehr nötig ist“, schloss Habeck.
Umweltschützer fordern TempolimitDie Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die „katastrophale CO2-Bilanz im Gebäude- und Verkehrssektor“. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch nannte die Zahlen eine „schallende Ohrfeige“ für Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Ein Tempolimit von 100/80/30 km/h würde laut DUH mit einer jährlichen CO2-Einsparung von 11
Millionen Tonnen die Klimalücke des Verkehrs beinahe vollständig stopfen.
Die Treibhausgas-Bilanz von Agora zeigt, dass 2023 im Verkehr die Obergrenze von 133
Millionen Tonnen CO2 um 12
Millionen Tonnen überschritten wurde. Im Gebäudesektor betrug der Überschuss an CO2 8
Millionen Tonnen gegenüber der Vorgabe von 101
Millionen Tonnen CO2. Im November 2023 hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung dazu verurteilt, Klimaschutzsofortprogramme vorzulegen, die die Einhaltung der CO2-Obergrenzen aus dem Klimaschutzgesetz sicherstellen (wir berichteten).
|
Die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern sank 2023, insbesondere die Kohleverstromung - Zur Vollansicht auf die Grafik klicken - Quelle: Agora Energiewende |
Energiebranche auf KlimaschutzkursDie CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung sanken um 46 Millionen Tonnen auf 177
Millionen Tonnen – und haben sich damit im Vergleich zu 1990 mehr als halbiert. Der Emissionsrückgang von 21
Prozent gegenüber 2022 war überwiegend auf den starken Rückgang der Kohleverstromung zurückzuführen. Die Gesamtemissionen der Energiewirtschaft inklusive Raffinerien und Fernwärme betrugen 210
Millionen Tonnen CO2 und lagen damit 46
Millionen Tonnen (18
Prozent) unter dem Vorjahresniveau.
Diese Entwicklung begründet Agora so:
- Der Stromverbrauch ging in Folge der fossilen Energiekrise gegenüber 2022 außergewöhnlich um 3,9 Prozent zurück.
- Zudem führte die europaweit starke Ökostrom-Erzeugung dazu, dass Deutschland mehr Strom importierte, statt diesen in heimischen Kohleblöcken zu produzieren. Deutschland exportierte 2023 58 Milliarden kWh seines Stroms und importierte 69 Milliarden kWh. 49 Prozent der Importe stammten dabei aus Erneuerbaren, 24 Prozent aus Kernkraft.
- Obendrein produzierten die heimischen grünen Kraftwerke 5 Prozent mehr Strom.
Die
Agora-Studie zu den Treibhausgasemissionen 2023 steht im Internet bereit.
Donnerstag, 4.01.2024, 15:50 Uhr
© 2024 Energie & Management GmbH