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Energie & Management > Gas - Gazpromchef Miller warnt vor langer Energiekrise
Quelle: Pixabay / Rudy and Peter Skitterians
Gas

Gazpromchef Miller warnt vor langer Energiekrise

Auf der "Russischen Energiewoche" umriss Gazpromchef Alexej Miller, wie es um die Gasvorsorge in Europa bestellt ist.
Geht es darum, ob Europa mit den Gasvorräten in Untergrundspeichern den Winter überstehen kann, sei zwischen der eingespeicherten Menge und dem Spitzenbedarf an Kältetagen zu unterscheiden, erklärte Miller auf der "Russischen Energiewoche" am 12. Oktober.
 
Zur Lage in Europa gebe es positive und pessimistische Prognosen, je nachdem, wie die Herbst-Winter-Periode verläuft. Bei einem ungewöhnlich kalten Winter gingen sehr pessimistische Prognosen davon aus, dass bis zum Ende der Heizsaison im März 2023 etwa 5 % in europäischen Speichern verblieben. "Europa wird überleben. Nur was passiert mit dem Einspeichern bis zum Winter 2023/2024? Dann wird deutlich, dass die Energiekrise nicht von kurzer Dauer war, und die Ursachen der Energiekrise systemisch sind", schloss Miller daraus.
 
In diesem Kontext warnte er vor den Auswirkungen von Winterpeaks: "Der Winter kann relativ warm sein, aber hier könnte es irgendeine Woche geben, die ungewöhnlich kalt ist. Und wie Sie wissen, können in dieser kurzen Zeit, Gott bewahre, ganze Städte, ganze Länder einfrieren." Dann könnten 800 Mio. mGas am Tag für Europa nicht ausreichen. Das sei ein Drittel des gesamten europäischen Verbrauchs. Miller zufolge lieferte Gazprom in den Vorjahren zu Spitzenbedarfszeiten im Winter am Tag 600 bis 700 Mio. m3 Gas.
 
Gasexporte haben sich halbiert
 
Umgerechnet auf ein Jahr sind das weit über 200 Mrd. Kubikmeter Gas. Gemessen an den Exportmengen nach Europa und in die Türkei der Vorjahre, die sich nahe diesem Bereich bewegten, halbiert sich der Export offenbar in diesem Jahr. Das gilt auch, wenn die Türkei wie im letzten Jahr 27 Mrd. Kubikmeter Gas aus Russland bezieht.
 
Aktuell fließen über die Ukraine und einen Strang der Schwarzmeerleitung "Turkish Stream" insgesamt rund 87 Mio. m3 Gas täglich nach Europa. Das sind aufs Jahr gerechnet über 30 Mrd. m3 Gas. Die Gasexporte nach Europa und in die Türkei für die ersten drei Quartale 2022 bezifferte Gazprom Anfang Oktober auf 86,9 Mrd. m3.
 
Die Exporte nach China bilanziert Gazprom extra. Diese könnten 15 bis 20 Mrd. m3 in diesem Jahr umfassen. Nimmt das zweite ostsibirische Gasfeld Kowyktinskoje zum Jahresende den Förderbetrieb auf, lässt sich das Transportvolumen über "Kraft Sibiriens 1" auf 38 Mrd. m3 erhöhen. Bis China vom Förderzentrum auf der Jamal-Halbinsel in Nordsibirien Gas importieren kann, dürften jedoch noch einige Jahre ins Land gehen.
 
Lieferoptionen für Europa
 
Um die Exportausfälle zu kompensieren, bot der russische Präsident Wladimir Putin jüngst an, die Gaslieferungen nach Europa über einen Strang von Nord Stream 2 und Turkish Stream aufzunehmen beziehungsweise zu erhöhen. Auch Miller warb dafür. "Tatsächlich steht der zweite Strang, Linie B, von Nord Stream 2 unter Druck." Kein Gas trete aus. Sollte sich betätigen, dass er unversehrt ist, werde Gazprom alle Anstrengungen unternehmen, diese Transportkapazitäten zeitnah zur Verfügung zu stellen. Schließlich habe Gazprom Nord Stream 2 nicht zum Selbstzweck in der Ostsee verlegt, sondern zur Versorgung von Kunden in Europa und Deutschland.
 
Seit Ende August liefert der russische Gaskonzern nach Deutschland kein Gas mehr. Das bestätigt auch eine Anfrage beim Fernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) zum Gasübergabepunkt Waidhaus an der tschechischen Grenze. Das Gas komme dort prinzipiell aus Deutschland.

"Es wird in Brandov nach Tschechien gebracht und ist eine Mischung der vorher importierten Mengen aus dem Westen. In diesem Kontext ist zu beachten, dass sich Mengen und Richtungen ändern: So gibt es mehr West-Ost- und Nord-Süd-Transporte", erklärte Carolin Kielhorn, Pressesprecherin bei OGE. Da die Türkei Medienberichten zufolge mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat und Gazprom um Zahlungsaufschub gebeten haben soll, erscheinen Gaslieferungen nach Deutschland vielversprechender zu sein. Möglicherweise schmerzt der Verlust dieser lukrativen Einnahmequelle mehr als gedacht.

Donnerstag, 13.10.2022, 14:03 Uhr
Josephine Bollinger-Kanne
Energie & Management > Gas - Gazpromchef Miller warnt vor langer Energiekrise
Quelle: Pixabay / Rudy and Peter Skitterians
Gas
Gazpromchef Miller warnt vor langer Energiekrise
Auf der "Russischen Energiewoche" umriss Gazpromchef Alexej Miller, wie es um die Gasvorsorge in Europa bestellt ist.
Geht es darum, ob Europa mit den Gasvorräten in Untergrundspeichern den Winter überstehen kann, sei zwischen der eingespeicherten Menge und dem Spitzenbedarf an Kältetagen zu unterscheiden, erklärte Miller auf der "Russischen Energiewoche" am 12. Oktober.
 
Zur Lage in Europa gebe es positive und pessimistische Prognosen, je nachdem, wie die Herbst-Winter-Periode verläuft. Bei einem ungewöhnlich kalten Winter gingen sehr pessimistische Prognosen davon aus, dass bis zum Ende der Heizsaison im März 2023 etwa 5 % in europäischen Speichern verblieben. "Europa wird überleben. Nur was passiert mit dem Einspeichern bis zum Winter 2023/2024? Dann wird deutlich, dass die Energiekrise nicht von kurzer Dauer war, und die Ursachen der Energiekrise systemisch sind", schloss Miller daraus.
 
In diesem Kontext warnte er vor den Auswirkungen von Winterpeaks: "Der Winter kann relativ warm sein, aber hier könnte es irgendeine Woche geben, die ungewöhnlich kalt ist. Und wie Sie wissen, können in dieser kurzen Zeit, Gott bewahre, ganze Städte, ganze Länder einfrieren." Dann könnten 800 Mio. mGas am Tag für Europa nicht ausreichen. Das sei ein Drittel des gesamten europäischen Verbrauchs. Miller zufolge lieferte Gazprom in den Vorjahren zu Spitzenbedarfszeiten im Winter am Tag 600 bis 700 Mio. m3 Gas.
 
Gasexporte haben sich halbiert
 
Umgerechnet auf ein Jahr sind das weit über 200 Mrd. Kubikmeter Gas. Gemessen an den Exportmengen nach Europa und in die Türkei der Vorjahre, die sich nahe diesem Bereich bewegten, halbiert sich der Export offenbar in diesem Jahr. Das gilt auch, wenn die Türkei wie im letzten Jahr 27 Mrd. Kubikmeter Gas aus Russland bezieht.
 
Aktuell fließen über die Ukraine und einen Strang der Schwarzmeerleitung "Turkish Stream" insgesamt rund 87 Mio. m3 Gas täglich nach Europa. Das sind aufs Jahr gerechnet über 30 Mrd. m3 Gas. Die Gasexporte nach Europa und in die Türkei für die ersten drei Quartale 2022 bezifferte Gazprom Anfang Oktober auf 86,9 Mrd. m3.
 
Die Exporte nach China bilanziert Gazprom extra. Diese könnten 15 bis 20 Mrd. m3 in diesem Jahr umfassen. Nimmt das zweite ostsibirische Gasfeld Kowyktinskoje zum Jahresende den Förderbetrieb auf, lässt sich das Transportvolumen über "Kraft Sibiriens 1" auf 38 Mrd. m3 erhöhen. Bis China vom Förderzentrum auf der Jamal-Halbinsel in Nordsibirien Gas importieren kann, dürften jedoch noch einige Jahre ins Land gehen.
 
Lieferoptionen für Europa
 
Um die Exportausfälle zu kompensieren, bot der russische Präsident Wladimir Putin jüngst an, die Gaslieferungen nach Europa über einen Strang von Nord Stream 2 und Turkish Stream aufzunehmen beziehungsweise zu erhöhen. Auch Miller warb dafür. "Tatsächlich steht der zweite Strang, Linie B, von Nord Stream 2 unter Druck." Kein Gas trete aus. Sollte sich betätigen, dass er unversehrt ist, werde Gazprom alle Anstrengungen unternehmen, diese Transportkapazitäten zeitnah zur Verfügung zu stellen. Schließlich habe Gazprom Nord Stream 2 nicht zum Selbstzweck in der Ostsee verlegt, sondern zur Versorgung von Kunden in Europa und Deutschland.
 
Seit Ende August liefert der russische Gaskonzern nach Deutschland kein Gas mehr. Das bestätigt auch eine Anfrage beim Fernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) zum Gasübergabepunkt Waidhaus an der tschechischen Grenze. Das Gas komme dort prinzipiell aus Deutschland.

"Es wird in Brandov nach Tschechien gebracht und ist eine Mischung der vorher importierten Mengen aus dem Westen. In diesem Kontext ist zu beachten, dass sich Mengen und Richtungen ändern: So gibt es mehr West-Ost- und Nord-Süd-Transporte", erklärte Carolin Kielhorn, Pressesprecherin bei OGE. Da die Türkei Medienberichten zufolge mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat und Gazprom um Zahlungsaufschub gebeten haben soll, erscheinen Gaslieferungen nach Deutschland vielversprechender zu sein. Möglicherweise schmerzt der Verlust dieser lukrativen Einnahmequelle mehr als gedacht.

Donnerstag, 13.10.2022, 14:03 Uhr
Josephine Bollinger-Kanne

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