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Energie & Management > Politik - Gasbranche will Technologieoffenheit für die Dekarbonisierung
Quelle: Fotolia / JFL Photography
Politik

Gasbranche will Technologieoffenheit für die Dekarbonisierung

Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) begrüßt viele Absichten der Ampelkoalition, mahnt zugleich aber bessere Entfaltungsmöglichkeiten für Gas in der Energiewende an.
Laut Koalitionsvertrag der drei Parteien in der neuen Bundesregierung werde es 2022 ein "ambitioniertes Update" der Nationalen Wasserstoffstrategie geben. Dies begrüßte Prof. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) in einem Online-Gespräch. Linke forderte „ein Ende der Farbenlehre“ für den Wasserstoff.

Das einzig wichtige Kriterium für Energiewende und Klimaschutz solle der Carbon Foodprint, also Klimagaseffekt einer Energie sein. Dabei fehle ihm im Koalitionsvertrag eine Biomethanstrategie. „Das Gasnetz in Deutschland transportiert doppelt so viel Energie wie das Stromnetz“, erinnerte Linke. Deshalb müsse es für die Energiewende genutzt werden.

Gasinfrastruktur schnell für Wasserstoff umrüsten

Sein Verband werde für den Umbau des Netzes für erneuerbare Gase aller Art wichtige Beiträge liefern, kündigte er an. Zum einen suche man den engen Austausch mit der neuen Regierung. Zum anderen werde der DVGW 2022 eine Roadmap zur Systemstabilität und Versorgungssicherheit auch bei Dekarbonisierung entwerfen. Wichtig sei es bei aller Erneuerung der Energieversorgung die Sozialverträglichkeit zu berücksichtigen. Die Umstellung der Gasnetze werde nicht der entscheidende Kostentreiber sein mit nur rund 45 Mrd. Euro Investitionen, sagte Linke. Im Verteilnetz genügten voraussichtlich 7 Mrd. Euro.

Die Ausrichtung der vorhandenen Gasinfrastruktur auf Wasserstoff habe Priorität. So will der Verband im kommenden Jahr eine Netzumstelldatenbank vorstellen, die eine Übersicht über nötige Investitionen liefert. Eine Materialübersicht soll „bis zur letzten Schraube“ die Wasserstofftauglichkeit aller verbauten Materialien auflisten und mögliche Alternativen nennen. Gasnetzbetreiber mit digitalen Datenbanken könnten künftig sogar automatisiert abgleichen, wo sie Teile austauschen müssen, um bereit für bis zu 100 % Wasserstoff zu sein. Bis zu 20 % Wasserstoff könne das Netz aber heute schon transportieren, sagte Linke.

Alle Technologien nutzen

Zudem werde ein detaillierter Gebietsnetztransformationsplan der Netzbetreiber für Umstellung auf 100% Wasserstoff entwickelt. Nun fehle noch der Wasserstoff. Die bisher bis 2030 geplanten Elektrolyseure liefern nur 28 Mrd. kWh Gas, das reiche nur für nur 3 % des heutigen Gasbedarfs. Daher solle man auch hier technologieoffen vorgehen und beispielsweise auch Pyrolyse weiter entwickeln. Diese sei unbegrenzt möglich und biete eine dreifach höhere Ausbeute an Wasserstoff als Elektrolyse, sagte Linke.

Um weiterhin eine hohe Versorgungssicherheit mit Energie zu garantieren, seien neue moderne Gaskraftwerke nötig, die auch Wasserstoff statt Erdgas nutzen können (H2-ready). Mindestens 43.000 MW Leistung seien hier nötig. Linke bedauerte, dass die Kraft-Wärmekopplung (KWK) wenig Erwähnung im Koalitionsvertrag fand. Diese sei wegen der Kopplung zum Wärmemarkt besonders wichtig. Es wäre möglich, im Wärmesektor zu 50 % die Klimagasemissionen bis 2030 zu senken, wenn alle heutigen Kohle-KWK durch Gasturbinen ersetzt würden. Später könnten diese dann auch mit erneuerbaren Gasen betrieben werden und völlig klimaneutral arbeiten, meinte er.

Schneller Hochlauf klimaneutraler Gase nötig

Dabei gehe es nicht nur um Wasserstoff, der teuer sein werde, appellierte Linke. Es gelte auch das Potential von Biogas- und Synthesegas zu heben, das er mit 300 Mrd. kWh bezifferte. So könne ein Drittel davon aus der Vergärung von Biomasse und Abfällen kommen. Dafür müssten die heute vorhandenen ländlichen 9.000 Biogasanlagen an Gasnetze angeschlossen werden, um ihr Rohbiogas zentral zu klimaneutralem Biomethan aufzubereiten. Statt es zu verstromen, könne es besser als Gas auch für die Wärmeerzeugung genutzt werden.

Dafür seien kommunale Wärmepläne dringend erforderlich. Ein anderes Drittel des Gaspotentials könne aus thermokatalytischer Zersetzung beispielsweise von Holzresten kommen, auch hier sei eine Wärmenutzung sinnvoll. Das restliche Drittel könne man erschließen, indem das heutige CO2 aus Biogasanlagen aufgefangen und genutzt werde, da es ja klimaneutral aus Pflanzen stamme.

Wasserstoff auch für Mobilität und Haushalte

Auch im Mobilitätssektor sollten Gase eine Rolle spielen, kritisierte Linke den Koalitionsvertrag, zum Beispiel im Schwerlastverkehr. Zudem müsse man auch den deutschen Mittelstand berücksichtigen, wenn es um klimafreundliche Gasversorgung geht, nicht nur die Großindustrie. Für die Endkunden seien jetzt klare Aussagen der Politik nötig, was zukunftsfähig sein wird, damit die richtigen neuen Geräte angeschafft werden. Dazu sollten auch Gasgeräte gehören, die H2-ready sind, forderte er. „Ich traue es der Koalition zu, dass sie die Balance des Versorgungsdreiecks gerade wegen ihrer Dreistimmigkeit von Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen wahrt“, sagte Linke.

Mittwoch, 1.12.2021, 15:52 Uhr
Susanne Harmsen
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Gasbranche will Technologieoffenheit für die Dekarbonisierung
Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) begrüßt viele Absichten der Ampelkoalition, mahnt zugleich aber bessere Entfaltungsmöglichkeiten für Gas in der Energiewende an.
Laut Koalitionsvertrag der drei Parteien in der neuen Bundesregierung werde es 2022 ein "ambitioniertes Update" der Nationalen Wasserstoffstrategie geben. Dies begrüßte Prof. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) in einem Online-Gespräch. Linke forderte „ein Ende der Farbenlehre“ für den Wasserstoff.

Das einzig wichtige Kriterium für Energiewende und Klimaschutz solle der Carbon Foodprint, also Klimagaseffekt einer Energie sein. Dabei fehle ihm im Koalitionsvertrag eine Biomethanstrategie. „Das Gasnetz in Deutschland transportiert doppelt so viel Energie wie das Stromnetz“, erinnerte Linke. Deshalb müsse es für die Energiewende genutzt werden.

Gasinfrastruktur schnell für Wasserstoff umrüsten

Sein Verband werde für den Umbau des Netzes für erneuerbare Gase aller Art wichtige Beiträge liefern, kündigte er an. Zum einen suche man den engen Austausch mit der neuen Regierung. Zum anderen werde der DVGW 2022 eine Roadmap zur Systemstabilität und Versorgungssicherheit auch bei Dekarbonisierung entwerfen. Wichtig sei es bei aller Erneuerung der Energieversorgung die Sozialverträglichkeit zu berücksichtigen. Die Umstellung der Gasnetze werde nicht der entscheidende Kostentreiber sein mit nur rund 45 Mrd. Euro Investitionen, sagte Linke. Im Verteilnetz genügten voraussichtlich 7 Mrd. Euro.

Die Ausrichtung der vorhandenen Gasinfrastruktur auf Wasserstoff habe Priorität. So will der Verband im kommenden Jahr eine Netzumstelldatenbank vorstellen, die eine Übersicht über nötige Investitionen liefert. Eine Materialübersicht soll „bis zur letzten Schraube“ die Wasserstofftauglichkeit aller verbauten Materialien auflisten und mögliche Alternativen nennen. Gasnetzbetreiber mit digitalen Datenbanken könnten künftig sogar automatisiert abgleichen, wo sie Teile austauschen müssen, um bereit für bis zu 100 % Wasserstoff zu sein. Bis zu 20 % Wasserstoff könne das Netz aber heute schon transportieren, sagte Linke.

Alle Technologien nutzen

Zudem werde ein detaillierter Gebietsnetztransformationsplan der Netzbetreiber für Umstellung auf 100% Wasserstoff entwickelt. Nun fehle noch der Wasserstoff. Die bisher bis 2030 geplanten Elektrolyseure liefern nur 28 Mrd. kWh Gas, das reiche nur für nur 3 % des heutigen Gasbedarfs. Daher solle man auch hier technologieoffen vorgehen und beispielsweise auch Pyrolyse weiter entwickeln. Diese sei unbegrenzt möglich und biete eine dreifach höhere Ausbeute an Wasserstoff als Elektrolyse, sagte Linke.

Um weiterhin eine hohe Versorgungssicherheit mit Energie zu garantieren, seien neue moderne Gaskraftwerke nötig, die auch Wasserstoff statt Erdgas nutzen können (H2-ready). Mindestens 43.000 MW Leistung seien hier nötig. Linke bedauerte, dass die Kraft-Wärmekopplung (KWK) wenig Erwähnung im Koalitionsvertrag fand. Diese sei wegen der Kopplung zum Wärmemarkt besonders wichtig. Es wäre möglich, im Wärmesektor zu 50 % die Klimagasemissionen bis 2030 zu senken, wenn alle heutigen Kohle-KWK durch Gasturbinen ersetzt würden. Später könnten diese dann auch mit erneuerbaren Gasen betrieben werden und völlig klimaneutral arbeiten, meinte er.

Schneller Hochlauf klimaneutraler Gase nötig

Dabei gehe es nicht nur um Wasserstoff, der teuer sein werde, appellierte Linke. Es gelte auch das Potential von Biogas- und Synthesegas zu heben, das er mit 300 Mrd. kWh bezifferte. So könne ein Drittel davon aus der Vergärung von Biomasse und Abfällen kommen. Dafür müssten die heute vorhandenen ländlichen 9.000 Biogasanlagen an Gasnetze angeschlossen werden, um ihr Rohbiogas zentral zu klimaneutralem Biomethan aufzubereiten. Statt es zu verstromen, könne es besser als Gas auch für die Wärmeerzeugung genutzt werden.

Dafür seien kommunale Wärmepläne dringend erforderlich. Ein anderes Drittel des Gaspotentials könne aus thermokatalytischer Zersetzung beispielsweise von Holzresten kommen, auch hier sei eine Wärmenutzung sinnvoll. Das restliche Drittel könne man erschließen, indem das heutige CO2 aus Biogasanlagen aufgefangen und genutzt werde, da es ja klimaneutral aus Pflanzen stamme.

Wasserstoff auch für Mobilität und Haushalte

Auch im Mobilitätssektor sollten Gase eine Rolle spielen, kritisierte Linke den Koalitionsvertrag, zum Beispiel im Schwerlastverkehr. Zudem müsse man auch den deutschen Mittelstand berücksichtigen, wenn es um klimafreundliche Gasversorgung geht, nicht nur die Großindustrie. Für die Endkunden seien jetzt klare Aussagen der Politik nötig, was zukunftsfähig sein wird, damit die richtigen neuen Geräte angeschafft werden. Dazu sollten auch Gasgeräte gehören, die H2-ready sind, forderte er. „Ich traue es der Koalition zu, dass sie die Balance des Versorgungsdreiecks gerade wegen ihrer Dreistimmigkeit von Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen wahrt“, sagte Linke.

Mittwoch, 1.12.2021, 15:52 Uhr
Susanne Harmsen

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