Verbraucher haben von Energielieferanten jetzt Schreiben erhalten, die auf einen Lieferstopp aufgrund einer „Netzabmeldung“ hinweisen.
Die Nachricht konnte sich Werner Schmidt (Name von der Redaktion geändert) erst nicht erklären. „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass zum 22.10.2021 eine Netzabmeldung durchgeführt werden muss. Konkret bedeutet dies, dass wir Sie ab der Abmeldung nicht mehr versorgen können und der Vertrag beendet wird“, las er in einem Schreiben, das ihm der Gaslieferant in sein Postfach im Online-Kundenportal hinterlegt hatte. Eine Netzabmeldung sei von zahlreichen Faktoren abhängig, „auf die wir bedauerlicherweise keinen Einfluss haben“, heißt es darin weiter. Das Schreiben, das der Redaktion vorliegt, ist datiert vom 1. Oktober. Am 16. Oktober hat es Schmidt gesehen, der so etwas vorher noch nie erlebt hat. „Diese Vorgehensweise finde ich äußerst fragwürdig“, sagt er.
Schmidts Tarif lag zuletzt bei 4,26 Cent je kWh. In der Sorge, in den vergleichsweise teuren Grundversorgungstarif zu fallen, wandte er sich prompt an den kommunalen Versorger in seiner Region in Nordrhein-Westfalen. Jetzt bezahlt er 6,05 Cent. Zu dem Anbieter, der ihm die Netzabmeldung mitteilte, war er vor einem Jahr gewechselt. Es handelt sich um die Regionale Energiewerke GmbH (REW) mit Sitz in Düsseldorf. Die Mitteilung des Unternehmens an Schmidt ist offenbar kein Einzelfall.
Dem Online-Portal „
Verbraucherhilfe-Stromanbieter“ liegen nach eigener Aussage weitere dieser Schreiben vor. „Kunden der Regionale Energiewerke wurden in einem Schreiben ohne persönliche Anrede und ohne Bezug zum Vertrag informiert, dass sie innerhalb von drei Wochen vom Netz abgemeldet werden müssen“, berichtet der Betreiber der Verbraucher-Website, Matthias Moeschler. „Da die Verträge der betroffenen Kunden nicht zum 22.10.2021 endeten, hat der Anbieter anscheinend die Verträge einseitig und vor-zeitig aufgekündigt“, vermutet Moeschler. Anstatt von einer Kündigung zu sprechen, werde „vielmehr suggeriert, das Unternehmen müsse so handeln“.
Anbieter stellt Ausgleich in AussichtREW widerspricht. Der Geschäftsbetrieb laufe normal, sagte ein Sprecher des Anbieters am Telefon. Wie es zu dem Schreiben gekommen ist, dafür hat er nur eine Vermutung: „Wir als Versorger vermuten, dass es an der Edifact-Kommunikation mit dem Netzbetreiber liegen könnte“, sagt er. Mehr sagen möchte der REW-Mitarbeiter nicht.
Mehr sagt eine E-Mail, die eine seiner Kolleginnen an einen Kunden am 18. Oktober verschickt hat. „Mit Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir die mit Ihnen vereinbarten Endkundenpreise aufgrund nicht vorhersehbarer Preisentwicklung und Extremsituationen am Energiemarkt nicht halten konnten." Gemäß der AGB werde der Vertrag aus wichtigem Grund beendet. Man sorge auch nach der Abmeldung dafür, dass „für Sie keine Nachteile entstehen“. Aufwendungen durch eine kurzzeitige Belieferung in der Grundversorgung „werden von uns ausgeglichen“, verspricht REW.
Netzabmeldung „erhalten“Der Hinweis auf eine Netzabmeldung findet sich auch Kundenschreiben des Unternehmens Energieversorgung Rheinland (EVR). Der Anbieter, er residiert ebenfalls in Düsseldorf, sieht sich nach eigener Darstellung vor vollendete Tatsachen gestellt: „Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben für Ihre Lieferstelle einen Netzabmeldung zum 31.10.2021 erhalten, welche wir hiermit bedauerlicherweise bestätigen möchten“, informiert die EVR Verbraucher. Das Schreiben ähnelt dem der REW. Wiederum wird etwa darauf hingewiesen, dass eine „Netzabmeldung von zahlreichem Faktoren abhängig ist“, auf die man leider keinen Einfluss habe.
Was sind die Hauptgründe, dass es zu solchen Abmeldungen kommt? Und sieht sich EVR vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Beschaffungspreise für Strom und Gas gezwungen, Lieferverträge mit Endkunden aufzulösen? Fragen an das Unternehmen per E-Mail, blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Auch telefonisch war niemand erreichbar.
Stadtwerke sehen Entwicklung mit SorgeDas Portal „Verbraucherhilfe Stromanbieter“ listet inzwischen gut ein halbes Dutzend Anbieter auf, die die Versorgung teilweise eingestellt haben. Kommunale Energieversorger bekommen Entwicklung zu spüren. „Wir beobachten mit Sorge das Verhalten einiger Marktteilnehmer, die sich aus kommerziellen Gründen ihrer Versorgungspflicht zu entziehen versuchen, indem sie diese auf die Grundversorger abwälzen“ Glücklicherweise sehen wir hier in Aachen bislang nur Einzelfälle“, sagt Eva Wußing, Sprecherin der Stadtwerke Aachen.
Der kommunale Versorger Rheinenergie achtet auf die Namen, die sich Wettbewerber in der Region geben. „Fakt ist, dass wir mitunter im Rahmen unserer Markenüberwachung prüfen, ob es zu starke Namensähnlichkeiten zu uns gibt, dann würden wir dagegen auch rechtlich vorgehen“, sagt Firmensprecher Christoph Preuß. Namen wie Regionale Energiewerke oder Energieversorgung Rheinland „könnten den Schluss nahelegen, man sei kommunal basiert, aber sie sind nicht ,nah' genug an unserem Namen, um gegebenfalls wegen Verwechslungsgefahr einzuschreiten“. Viele Kunden würden auch nicht unterscheiden „zwischen kommunalen Versorgern oder ,echten' Stadtwerken, „so lange der Preis stimmt“.
Dienstag, 19.10.2021, 16:47 Uhr
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