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Energie & Management > Europaeische Union - Gas und Kernkraft bleiben nachhaltig
Quelle: Shutterstock / Lightspring
Europaeische Union

Gas und Kernkraft bleiben nachhaltig

Die EU-Kommission hält trotz der Proteste aus den Umweltverbänden daran fest, dass Atomenergie und Gaskraftwerke unter bestimmten Bedingungen nachhaltig sind.
Das Kollegium beschloss am 2. Februar 2022 in Brüssel "mit überwältigender Mehrheit" die sogenannte Taxonomi-Verordnung nahezu unverändert gegenüber dem ersten Vorschlag, den die Kommission den Mitgliedsstaaten am 31. Dezember zugeleitet hatte. Dem hatten insbesondere Deutschland, Österreich und Luxemburg widersprochen. Wien und Luxemburg wollen jetzt gegen die Verordnung klagen. In Berlin wird darüber noch nachgedacht.

Die jetzt beschlossene Verordnung tritt in spätestens sechs Monaten automatisch in Kraft, wenn weder das Parlament noch der Ministerrat den Text mit qualifizierter Mehrheit zurückweisen. Sie sieht vor, dass Atom- und Gaskraftwerke unter bestimmten Bedingungen als "nachhaltig" gelten, sofern private Unternehmen "nachhaltige Investitionen" tätigen wollen.

Geschäfte in der Nuklearwirtschaft können dann als "nachhaltig" etikettiert werden, wenn sie die "beste verfügbare" Technologie verwenden oder in neue Technologien investieren, mit denen der atomare Müll reduziert wird. Bestehende Anlagen dürfen bis 2040 nachgerüstet werden, um ihre Lebensdauer zu verlängern. Außerdem muss ein Konzept für die Endlagerung des Atommülls existieren.

Gaskraftwerke, Heizkraftwerke und Fernwärmeanlagen werden dann als "nachhaltig" betrachtet, wenn sie über ihren gesamten Lebenszyklus weniger 100 Gramm CO2 pro erzeugter Kilowattstunde erzeugen. Anlagen, die bis 2030 genehmigt werden, gelten auch dann als "nachhaltig", wenn sie weniger als 270 g/KWh erzeugen. Für Kraftwerke gilt eine Obergrenze von durchschnittlich 550 kg CO2 pro Kilowatt über 20 Jahre.

Die Kraftwerke müssen dabei Kohle- oder Ölkraftwerke ersetzen und spätestens ab 2035 mit "emissionsarmen Gasen" (mindestens 70 % weniger Emissionen als Erdgas, gemeint ist vor allem "grüner" Wasserstoff) betrieben werden. Ursprünglich hatte die Kommission geplant, für 2026 und 2030 bereits Quoten für den Einsatz von emissionsarmen Gasen einzuführen. Davon sei man wieder abgekommen, heißt es jetzt in Brüssel, weil bis dahin voraussichtlich nicht genug emissionsarme Gase verfügbar seien.

Nachgeschärft wurden auch die Offenlegungspflichten für Unternehmen, die das Taxonomy-Label in Anspruch nehmen. Sie müssen publizieren, wieviel sie in nukleare Geschäfte oder Gasaktivitäten investiert haben und welche Ergebnisse sie damit erwirtschaften.

"Nicht perfekt", aber realistischer Kompromiss

Die zuständige Kommissarin Mairead McGuiness sagte nach der Sitzung des Kollegiums, die Stellungnahmen zum Entwurf der Kommission seien sehr unterschiedlich gewesen. Die jetzt verabschiedete Verordnung sei "nicht perfekt" aber ein realistischer Kompromiss. Die Kommission werde die Entwicklung genau beobachten und nachbessern, wenn sich dies als notwendig erweisen sollte.

Das gelte insbesondere für den Fall, dass Zusagen nicht eingehalten würden. Nach den Worten der Kommissarin werden die von der Taxonomy-Verordnung geforderten Bedingungen von unabhängigen Experten kontrolliert. Sollten sie nicht eingehalten werden, müssen die Mitgliedsstaaten einschreiten und notfalls auch mit Sanktionen für die Einhaltung sorgen.

Die Taxonomy-Verordnung habe keine direkten Auswirkungen für sogenannte "grüne Anleihen", sagte die Kommissarin weiter. Ob "grüne Anleihen" zur Finanzierung von Gas- oder Atomkraftwerken eingesetzt werden könnten, müssten das Europäische Parlament und der Ministerrat entscheiden. Das gelte auch für die von Frankreich anvisierte Freistellung von "nachhaltigen" Investitionen vom Stabilitäts- und Wachstumspakt.

McGuiness wies die Kritik am Vorgehen der Kommission zurück. Für die Umsetzung des Klimapaktes werde privates Kapital benötigt. Die Finanzmärkte müssten schnell Klarheit darüber haben, was als "nachhaltig" finanziert werden könne. Im Ãœbrigen gelte, dass die Taxonomy kein Instrument der Energiepolitik sei. Der Energie-Mix bleibe in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Die Europäische Investitionsbank hatte in der letzten Woche angekündigt, dass sie sich in keinem Fall an der Finanzierung von Atomkraftwerken beteiligen werde. 

Der grüne Europaabgeordnete Bas Eikhout warf der Kommission vor, mit der Aufnahme von Gas und Atomkraft untergrabe sie die Glaubwürdigkeit der Taxonomy als zuverlässigem Standard für nachhaltige Investitionen und beschädige den gesamten Klimapakt. Gegner der Verordnung gibt es auch bei den Linken und den Konservativen. Die Grünen wollen in den kommenden Wochen versuchen, eine Mehrheit gegen die Taxonomy-Verordnung zu organisieren.

Auch die Sozialdemokraten kritisieren: mit der Verordnung werde die Atomenergie "grün gewaschen". Die Ãœbergangskriterien für die Nutzung von Gas seien "unzureichend". Die SPD werde sich ebenfalls für eine Ablehnung der Verordnung einsetzen, sagte der Abgeordnete Joachim Schuster. Der Abgeordnete Markus Ferber (CSU) erwartet im Fall einer Abstimmung angesichts der "Kritik sowohl an den Inhalten als auch am Verfahren" ein knappes Ergebnis. 

Die konservative ECR-Fraktion signalisiert dagegen Unterstützung für den Vorschlag der Kommission, mit dem "die Dekarbonisierung beschleunigt" werde. Die Kommission habe anerkannt, dass die Atomkraft als "saubere Energiequelle" nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft gebraucht werde. 

​Energiewirtschaft reagiert positiv

Positiv fallen auch die Reaktionen der Energiewirtschaft aus. Die Kommission habe richtig erkannt, dass "Investitionen in wasserstofffähige Gaskraftwerke zwingend notwendig" seien, sagt BDEW-Chefin Kerstin Andreae. Um die Kohle zu ersetzen, würden "für eine Ãœbergangszeit noch Erdgaskraftwerke und dauerhaft wasserstoffffähige Gaskraftwerke" benötigt, um eine "gesicherte, regelbare Leistung" bereitzustellen. Die Aufnahme der Kernkraft in die Taxonomy sei dagegen "ein Fehler". 

Der VKU begrüßt zwar, dass die Kommission Gas als Übergangstechnologie anerkennt und auf die Quoten für 2026 und 2030 verzichtet. Die zusätzlichen Konditionen seien für die meisten Stadtwerke aber "zu restriktiv", sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebig.

Mittwoch, 2.02.2022, 16:42 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - Gas und Kernkraft bleiben nachhaltig
Quelle: Shutterstock / Lightspring
Europaeische Union
Gas und Kernkraft bleiben nachhaltig
Die EU-Kommission hält trotz der Proteste aus den Umweltverbänden daran fest, dass Atomenergie und Gaskraftwerke unter bestimmten Bedingungen nachhaltig sind.
Das Kollegium beschloss am 2. Februar 2022 in Brüssel "mit überwältigender Mehrheit" die sogenannte Taxonomi-Verordnung nahezu unverändert gegenüber dem ersten Vorschlag, den die Kommission den Mitgliedsstaaten am 31. Dezember zugeleitet hatte. Dem hatten insbesondere Deutschland, Österreich und Luxemburg widersprochen. Wien und Luxemburg wollen jetzt gegen die Verordnung klagen. In Berlin wird darüber noch nachgedacht.

Die jetzt beschlossene Verordnung tritt in spätestens sechs Monaten automatisch in Kraft, wenn weder das Parlament noch der Ministerrat den Text mit qualifizierter Mehrheit zurückweisen. Sie sieht vor, dass Atom- und Gaskraftwerke unter bestimmten Bedingungen als "nachhaltig" gelten, sofern private Unternehmen "nachhaltige Investitionen" tätigen wollen.

Geschäfte in der Nuklearwirtschaft können dann als "nachhaltig" etikettiert werden, wenn sie die "beste verfügbare" Technologie verwenden oder in neue Technologien investieren, mit denen der atomare Müll reduziert wird. Bestehende Anlagen dürfen bis 2040 nachgerüstet werden, um ihre Lebensdauer zu verlängern. Außerdem muss ein Konzept für die Endlagerung des Atommülls existieren.

Gaskraftwerke, Heizkraftwerke und Fernwärmeanlagen werden dann als "nachhaltig" betrachtet, wenn sie über ihren gesamten Lebenszyklus weniger 100 Gramm CO2 pro erzeugter Kilowattstunde erzeugen. Anlagen, die bis 2030 genehmigt werden, gelten auch dann als "nachhaltig", wenn sie weniger als 270 g/KWh erzeugen. Für Kraftwerke gilt eine Obergrenze von durchschnittlich 550 kg CO2 pro Kilowatt über 20 Jahre.

Die Kraftwerke müssen dabei Kohle- oder Ölkraftwerke ersetzen und spätestens ab 2035 mit "emissionsarmen Gasen" (mindestens 70 % weniger Emissionen als Erdgas, gemeint ist vor allem "grüner" Wasserstoff) betrieben werden. Ursprünglich hatte die Kommission geplant, für 2026 und 2030 bereits Quoten für den Einsatz von emissionsarmen Gasen einzuführen. Davon sei man wieder abgekommen, heißt es jetzt in Brüssel, weil bis dahin voraussichtlich nicht genug emissionsarme Gase verfügbar seien.

Nachgeschärft wurden auch die Offenlegungspflichten für Unternehmen, die das Taxonomy-Label in Anspruch nehmen. Sie müssen publizieren, wieviel sie in nukleare Geschäfte oder Gasaktivitäten investiert haben und welche Ergebnisse sie damit erwirtschaften.

"Nicht perfekt", aber realistischer Kompromiss

Die zuständige Kommissarin Mairead McGuiness sagte nach der Sitzung des Kollegiums, die Stellungnahmen zum Entwurf der Kommission seien sehr unterschiedlich gewesen. Die jetzt verabschiedete Verordnung sei "nicht perfekt" aber ein realistischer Kompromiss. Die Kommission werde die Entwicklung genau beobachten und nachbessern, wenn sich dies als notwendig erweisen sollte.

Das gelte insbesondere für den Fall, dass Zusagen nicht eingehalten würden. Nach den Worten der Kommissarin werden die von der Taxonomy-Verordnung geforderten Bedingungen von unabhängigen Experten kontrolliert. Sollten sie nicht eingehalten werden, müssen die Mitgliedsstaaten einschreiten und notfalls auch mit Sanktionen für die Einhaltung sorgen.

Die Taxonomy-Verordnung habe keine direkten Auswirkungen für sogenannte "grüne Anleihen", sagte die Kommissarin weiter. Ob "grüne Anleihen" zur Finanzierung von Gas- oder Atomkraftwerken eingesetzt werden könnten, müssten das Europäische Parlament und der Ministerrat entscheiden. Das gelte auch für die von Frankreich anvisierte Freistellung von "nachhaltigen" Investitionen vom Stabilitäts- und Wachstumspakt.

McGuiness wies die Kritik am Vorgehen der Kommission zurück. Für die Umsetzung des Klimapaktes werde privates Kapital benötigt. Die Finanzmärkte müssten schnell Klarheit darüber haben, was als "nachhaltig" finanziert werden könne. Im Ãœbrigen gelte, dass die Taxonomy kein Instrument der Energiepolitik sei. Der Energie-Mix bleibe in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Die Europäische Investitionsbank hatte in der letzten Woche angekündigt, dass sie sich in keinem Fall an der Finanzierung von Atomkraftwerken beteiligen werde. 

Der grüne Europaabgeordnete Bas Eikhout warf der Kommission vor, mit der Aufnahme von Gas und Atomkraft untergrabe sie die Glaubwürdigkeit der Taxonomy als zuverlässigem Standard für nachhaltige Investitionen und beschädige den gesamten Klimapakt. Gegner der Verordnung gibt es auch bei den Linken und den Konservativen. Die Grünen wollen in den kommenden Wochen versuchen, eine Mehrheit gegen die Taxonomy-Verordnung zu organisieren.

Auch die Sozialdemokraten kritisieren: mit der Verordnung werde die Atomenergie "grün gewaschen". Die Ãœbergangskriterien für die Nutzung von Gas seien "unzureichend". Die SPD werde sich ebenfalls für eine Ablehnung der Verordnung einsetzen, sagte der Abgeordnete Joachim Schuster. Der Abgeordnete Markus Ferber (CSU) erwartet im Fall einer Abstimmung angesichts der "Kritik sowohl an den Inhalten als auch am Verfahren" ein knappes Ergebnis. 

Die konservative ECR-Fraktion signalisiert dagegen Unterstützung für den Vorschlag der Kommission, mit dem "die Dekarbonisierung beschleunigt" werde. Die Kommission habe anerkannt, dass die Atomkraft als "saubere Energiequelle" nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft gebraucht werde. 

​Energiewirtschaft reagiert positiv

Positiv fallen auch die Reaktionen der Energiewirtschaft aus. Die Kommission habe richtig erkannt, dass "Investitionen in wasserstofffähige Gaskraftwerke zwingend notwendig" seien, sagt BDEW-Chefin Kerstin Andreae. Um die Kohle zu ersetzen, würden "für eine Ãœbergangszeit noch Erdgaskraftwerke und dauerhaft wasserstoffffähige Gaskraftwerke" benötigt, um eine "gesicherte, regelbare Leistung" bereitzustellen. Die Aufnahme der Kernkraft in die Taxonomy sei dagegen "ein Fehler". 

Der VKU begrüßt zwar, dass die Kommission Gas als Übergangstechnologie anerkennt und auf die Quoten für 2026 und 2030 verzichtet. Die zusätzlichen Konditionen seien für die meisten Stadtwerke aber "zu restriktiv", sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebig.

Mittwoch, 2.02.2022, 16:42 Uhr
Tom Weingärtner

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