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Früher und preiswerter als die neuen Gaskraftwerke der Kraftwerksstrategie könnten Biogasanlagen das Stromnetz stabilisieren. So argumentieren die Flexperten in einem Webinar.
„Der Bioenergie soll eine klare Zukunftsperspektive gegeben und bestehende Hemmnisse beseitigt werden“, forderte Uwe Welteke-Fabricius vom Netzwerk Flexperten in einem Webinar. Laut aktuellen Studien stünde auch ohne den Anbau von Biomasse ein großes Potenzial an Reststoffen zur Verfügung, um daraus Biogas, Biomethan oder biogenen Wasserstoff zu produzieren. Dieser wäre vielfältig einsetzbar − als Treibstoff, zur Stromerzeugung oder für Nahwärmenetze, sagte er.
Der Einsatz diene dem Klimaschutz in zweifacher Hinsicht, weil die Reststoffe nicht ungenutzt zerfallen und dabei Treibhausgase (THG) freisetzen. Zudem werde ihr energetisches Potenzial genutzt, das nur so viel CO2 freisetzt, wie die Pflanzen zuvor aus der Atmosphäre entnommen haben. Ausdrücklich begrüßte Welteke-Fabricius die Entschließung des Bundesrates, die „Rolle von Biogas und Biomethan für die Energiewende zu stärken“, die von Schleswig-Holstein initiiert wurde. Fünf Bundesländer wollen mehr steuerbare Speicherkraftwerke aus Biomasse.
Vorhandene Biogasanlagen vor dem AusAktuell bestehe allerdings die Gefahr, dass die bestehenden rund 9.000 Biogasanlagen allmählich außer Betrieb gehen. Das liege an den nach 20 Jahren wegfallenden Entgelten nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Der Verband befürchtet, dass es in dieser Legislaturperiode keine Nationale Biomassestrategie (Nabis) mehr geben wird. „Die Bioenergie-Reformen können nicht auf die Nabis warten“, mahnte Welteke-Fabricius.
Aus Verbandssicht habe Biogasverstromung mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass der Strom zu teuer sei und unflexibel als Grundlast ins Netz ginge. Dies wollen die Flexperten ändern. So gebe es bereits 300 Anlagen in Deutschland, die dank angeschlossenem Gasspeicher und flexiblem Betrieb netzdienlich in Ergänzung zum Sonnen- und Windstrom arbeiten. Die Kosten für diese Umstellung sollten gefördert werden, weil das Wertschöpfung in Deutschland schaffe und günstiger wäre als neue Erdgaskraftwerke mit der Option, später Wasserstoff zu nutzen.
Flexibilisierung fördernDabei schließe der flexible Anlagenbetrieb für den Strommarkt keinesfalls die Wärmelieferung aus, unterstrich Welteke-Fabricius. Auch der Netzanschluss sei laut einer Studie des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) kein Hinderungsgrund mehr, da eine Gesetzesänderung kürzlich die gemeinsame Nutzung von Anschlusspunkten für verschiedenen Anlagen erlaube. Spezialisierte Fahrplananbieter und agile Direktvermarkter könnten auch für optimale Erträge der Anlagen sorgen.
Vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) fordert die Branche nun, die Ausschreibungsmengen für Förderung nach dem EEG zu erhöhen − auf bis zu 3.000
MW installierte Leistung. Zudem solle der Flexibilitätszuschlag an die Inflation angepasst werden auf 120
Euro/kW im Jahr. Die Gebotsgrenze könne um 3 bis 5
Cent/kWh angehoben werden, wenn Betreiber ökologisch wertvolle Substrate verwenden. So solle es einen Flexibilitätszuschlag auch für Klärgas, Grubengas, Gülle-Kleinanlagen und Wasserstoff-Hybrid-Kraftwerke geben.
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Installierte Leistung in einer grünen Kraftwerksstrategie (zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken) Quelle: Netzwerk Flexibilität |
Die Verstromung werde künftig in drastisch weniger jährlichen Betriebsstunden erfolgen. Dafür müssten die Anlagen eine höhere installierte Leistung bekommen. Biogas könnte auch von einer marktlichen Lösung profitieren, wenn es eine Grüngasquote gebe − wie für Biotreibstoffe an der Tankstelle. Das könne über Auflagen an die Gasverkäufer durchgesetzt werden und sei mit handelbaren THG-Zertifikaten umsetzbar. Allerdings müsse der Staat Mindest-Quotenpreise garantieren, damit Anlagenbauer Bankkredite bekommen können, sagte Welteke-Fabricius.
Grüne Kraftwerksstrategie schneller und preiswerter als fossileDie grüne Kraftwerksstrategie solle Absicherung und Ergänzung zur fossilen sein, schlägt der Verband vor. Ab sofort bis 2026 sollten 3.000
MW Wasserstoff-Hybrid-Kraftwerke, 7.000
MW Biogas-Speicherkraftwerke und 5.000
MW KWK-Flexibilisierung ausgeschrieben und gefördert werden. Ende 2026 solle eine Evaluierung erfolgen und verlängern, was sich bewährt hat oder halbieren, was nicht so erfolgreich war.
„Mein Tipp ist, dass die grüne Kraftwerksstrategie 15.000
MW in Betrieb hat, bevor das erste H2-ready-Gaskraftwerk fertig ist“, sagte Welteke-Fabricius. Die grüne Strategie könne nach seiner Rechnung bis 2045 gegenüber den zunächst fossil betriebenen neu zu bauenden Kraftwerken 20 bis 30
Milliarden Euro preiswerter sein. In der künftigen hundertprozentig erneuerbaren Energiewelt entstehe ein produktiver Wettbewerb zwischen den Flexibilitäten wie Stromspeicher (Batterien und Demand Side Management), Biogas-Speicherkraftwerken, Renewable Natural Gas (RNG aus Biogas-CO2 und Hydrolyse-H2), so die Flexperten.
Montag, 17.06.2024, 17:39 Uhr
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