Der LNG-Tanker "Ish" an der Regasifizierungseinheit "Höegh Gannet" in Brunsbüttel. Quelle: RWE
Der schnelle Bau von schwimmenden LNG-Terminals in Deutschland war nötig. Zumindest darüber herrschte Einigkeit unter den Teilnehmern der 148. Europe-Calling-Diskussionsrunde.
Unterschiedliche Ansichten über die aktuelle Planung von Kapazitäten und Laufzeiten bei Flüssigerdgas(LNG)-Importen nach Deutschland haben die Diskussionen der vergangenen Wochen geprägt. Vor allem zur Frage, ob neben den derzeitigen FSRU (Floating Storage and Regasification Units) feste Terminals erforderlich sind, gab und gibt es kein klares Meinungsbild. Vertreter unterschiedlicher Ansichten hatte der Webinar-Veranstalter Europe Calling jetzt zusammengebracht.
Dabei erläuterten Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, der Europäischen Kommission, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ihre Standpunkte. Mechthild Wörsdörfer, stellvertretende Direktorin der EU-Generaldirektion Energie, stellte mit Blick auf die von Russland gestoppten Energielieferungen heraus, dass man 2022 gut und ohne Blackouts durch eine Krise gekommen sei, die so noch nie da war. Die drei entscheidenden Konsequenzen müssten jetzt sein: Energie sparen, ganz weg von russischem Gas und schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien.
Auch die Ausgangslage mit Blick auf den Winter 2023/24 sei mit Speicherständen von aktuell 56 Prozent in der EU und 64 Prozent in Deutschland gut. Alles andere als selbstverständlich - sanken doch die Gasimporte aus Russland von 50 auf 8 Prozent. Vor allem der starke Import von LNG nach Europa hat das ausgeglichen, erklärte Wörsdörfer.
Jetzt gelte es, das bisher auf Ost-West-Flüsse ausgerichtete Gasnetz in Europa so umzubauen, dass sich gezielt die Verbrauchszentren versorgen lassen. Gerade in Deutschland hätten sich hier Defizite gezeigt, die durch die neuen Terminals behoben werden können.
„Wir haben keine Ãœberkapazitäten, im Gegenteil“
Energie-Staatssekretär Patrick Graichen verwies auf die hohe Abhängigkeit von Energie aus Russland vor dem Ukrainekrieg: 50 Prozent bei Gas und Kohle, 35 Prozent bei Öl. Eine solche Ausgangslage sei auf ein „klares Versagen der Vorgängerregierung“ zurückzuführen.
Und: Man plane auch in Zukunft nicht mehr mit russischem Gas. Zu den LNG-Terminals erklärte er, in Summe könnten die FSRU nicht einmal halb so viel Gas importieren, wie zuvor aus Russland gekommen war. „Wir haben keine Ãœberkapazitäten, im Gegenteil.“
Die festen Terminals, die bis 2026 in Stade, Wilhelmshaven und Brunsbüttel entstehen sollen, würden außerdem die schwimmenden Regasifizierungseinheiten ablösen. Die würden dann allenfalls noch als Backup gebraucht. Im Übrigen müssten sich die stationären Anlagen zum Import grüner Energieträger eignen; das sei schon jetzt vorgeschrieben.
Graichen betonte das Thema Versorgungssicherheit: Gerade die Krise habe gezeigt, wie wichtig Sicherheitsreserven sind. Schließlich handele es sich bei der LNG-Infrastruktur um eine anfällige Technik. Das habe der Brand im Freeport-Terminal in den USA gezeigt, der zu einem halbjährigen Ausfall der Anlage geführt hatte.
Im Ãœbrigens seien es nicht die Importkapazitäten, die den Klimaschutzzielen widersprechen: „Zentral für die den Klimaschutz ist die Wärmewende und die Umstellung der Heizungen.“
Mechthild Wörsdörfer verwies darauf, dass Deutschland in Zukunft auch eine Rolle als Gasexporteur in Osteuropa übernehmen müsse. „Bis 2027 ist das Ziel 0 Prozent russisches Gas in Europa.“ Auch Österreich beziehe noch viel Gas aus Russland, das ersetzt werden muss.
Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt beim DIW, sah dagegen keine Notwendigkeit für den Bau fester LNG-Terminals. Sie stellten zum einen ein hohes wirtschaftliches Risiko dar. Zum anderen torpediere ein zu langes Festhalten an klimaschädlichem Erdgas die Klimaziele. Die Gefahr einer Deckungslücke hält sie für „sehr gering“. Um die Emissionen zu senken, müsse der Anteil von Gas an der Energieversorgung möglichst schnell sinken.
DUH: Viele Sicherheitspuffer
Ähnlich äußerte sich teilweise Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der DUH. Die Planungen müssten dahin gehen, die weggebrochenen Erdgasanteile nicht eins zu eins zu ersetzen, sondern nur einen Teil davon. Beim Ersatz von Kohlekraftwerken komme man zwar nicht um Gasblöcke herum, müsse aber auch hier den Anteil gering halten. Das Gleiche gelte für Gaskraftwerke, die als Backup für die Erneuerbaren erforderlich sind. In dem Zusammenhang forderte Müller-Kraenner einen weiteren Ausbau der Stromnetze in der EU, der die Versorgung mit Erneuerbaren-Strom stabiler machen könne.
Zu den LNG-Kapazitäten erklärte Müller-Kraenner, es seien schon „sehr, sehr viele Sicherheitspuffer eingebaut“.
Einig zeigte er sich mit Staatssekretär Graichen beim Thema Wärmewende: Der DUH-Geschäftsführer forderte noch in diesem Jahr eine anspruchsvolle Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG).
Freitag, 17.03.2023, 14:08 Uhr
Günter Drewnitzky
© 2024 Energie & Management GmbH