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Energie & Management > Wasserstoff - Fehlende Regelungen auf EU-Ebene bremsen den Markt aus
Quelle: Shutterstock / Alexander Limbach
Wasserstoff

Fehlende Regelungen auf EU-Ebene bremsen den Markt aus

Offene Punkte bei der Umsetzung der Wasserstoffstrategie auf EU-Ebene legt eine aktuelle Forschungsstudie offen und unterbreitet Lösungsoptionen. 
Auf Basis von Literaturauswertungen und Befragungen von Experten wollen die Forschenden des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit ihrer Studie Bilanz ziehen. Über ein Jahr ist es her, als die EU-Kommission ihre Wasserstoffstrategie vorgelegt hatte (wir berichteten). Ziel der Strategie ist es, bei der Herstellung und Verwendung von "grünem" Wasserstoff möglichst bald in industrielle Größenordnungen vorzustoßen. Bis 2024 sollen Wasserstoffelektrolyse-Anlagen mit einer Kapazität von 6.000 MW entstehen. 1 Mio. Tonnen Wasserstoff soll bis dahin produziert werden. 

Die Forschenden haben im Rahmen ihrer Studie "The potential of hydrogen for decarbonising EU industry" die offenen Punkte bei der Umsetzung der EU-Wasserstoffstrategie herausgefiltert. Auftraggeber der Studie war der Ausschuss für die Zukunft von Wissenschaft und Technologie (STOA) des Europäischen Parlaments. 

Große Unsicherheit bei Investoren

Die Studie bemängelt das Fehlen eines großflächigen Wasserstoffnetzes und − damit einhergehend − eines europäischen Wasserstoffmarktes. Als ein Hindernis bei der Umsetzung der EU-Pläne nennen die Wissenschaftler die hohen Kosten des Energieträgers Wasserstoff und die Unsicherheit aufseiten der Investoren. Nach Ansicht der Forschenden sollte der Einsatz des Wasserstoffs vorrangig in Bereichen erfolgen, in denen eine direkte Elektrifizierung durch erneuerbare Energien noch nicht gegeben ist. Klare Richtlinien für Wasserstoffanwendungen würden jedoch bislang noch fehlen, was zu einer großen Verunsicherung bei Investoren führt. In diesem Zusammenhang schlägt die Studie vor, Wasserstoffanwendungen zu hierarchisieren.

Zudem vermissen die Forschenden allgemeine Regeln für einen zukünftigen Wasserstoffmarkt sowie Infrastrukturregelungen. Diese gelte es schnellstmöglich aufzusetzen. Andernfalls könnten potenzielle Marktteilnehmer und Betreiber von Wasserstoffinfrastrukturen zögern, in mögliche Vorhaben zu investieren. 
 
Studie "The potential of hydrogen for decarbonising EU industry"
(zum Öffnen bitte auf das Dokument klicken)
Quelle: STOA

Beim Handel mit Wasserstoff sowohl auf den europäischen Märkten als auch bei Importen aus Nicht-EU-Ländern würden klare Spezifikationen für die gehandelten Produkte fehlen. Die Forschenden sprechen sich für verbindliche Zertifizierungssysteme aus, die strenge Kriterien sowohl für erneuerbaren als auch für kohlenstoffarmen Wasserstoff festlegen. Letzteres würde etwa die fossile Erzeugung von Wasserstoff − sogenannten blauen Wasserstoff − mit einschließen, bei dem der entstehende Kohlenstoff abgeschieden und gespeichert wird. 

Finanzierungslücke bei der großtechnischen Erzeugung schließen

Um die Investitionen in Wasserstoffmärkte und -infrastrukturen anzufachen, empfiehlt der Bericht die Einführung eines speziellen Zielsystems. Dieses ließe sich auf unterschiedliche Weise umsetzen, etwa mit verbindlichen Zielen für die Mitgliedstaaten. 

Zur Schließung der Finanzierungslücke bei der großtechnischen Erzeugung von grünem Wasserstoff nennt die Studie Kohlenstoffdifferenzverträge − sogenannte Carbon Contracts for Difference (CCfD). Feste CO2-Preise sollen hierbei Unternehmen der Stahl-, Zement-, Kalk- und Ammoniakindustrie langfristig Investitionen sichern. Die Differenz zu den tatsächlichen CO2-Kosten soll der Staat tragen. Unternehmen, die neue Produktionsmethoden auf der Basis von erneuerbarem Wasserstoff einführen, die teurer sind als fossil betriebene Alternativen, würden dadurch entschädigt.

Die in der Studie unterbreiteten Lösungsoptionen für die Anreizung eines EU-weiten Wasserstoffmarktes reichen von einer vollständigen Regulierung auf EU-Ebene bis zur Überlassung der Einzelheiten der Wasserstoffregulierung an die Mitgliedstaaten. Die Regeln für die Infrastrukturgesetzgebung auf EU-Ebene könnten laut der Wissenschaftler den bestehenden Rechtsvorschriften für die Gasinfrastruktur ähneln, mit klaren Regeln für die Entflechtung und den Zugang Dritter. Für eine begrenzte, nicht näher definierte Zeitspanne könnte diese aber Raum für Experimente lassen, etwa bezogen auf die Netzbetreiber und die Vergütung der Kosten.

Die über 100-seitige Studie "The potential of hydrogen for decarbonising EU industry" stellt das Fraunhofer-Institut auf seiner Internetseite zum Download bereit. 

Freitag, 10.12.2021, 12:50 Uhr
Davina Spohn
Energie & Management > Wasserstoff - Fehlende Regelungen auf EU-Ebene bremsen den Markt aus
Quelle: Shutterstock / Alexander Limbach
Wasserstoff
Fehlende Regelungen auf EU-Ebene bremsen den Markt aus
Offene Punkte bei der Umsetzung der Wasserstoffstrategie auf EU-Ebene legt eine aktuelle Forschungsstudie offen und unterbreitet Lösungsoptionen. 
Auf Basis von Literaturauswertungen und Befragungen von Experten wollen die Forschenden des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit ihrer Studie Bilanz ziehen. Über ein Jahr ist es her, als die EU-Kommission ihre Wasserstoffstrategie vorgelegt hatte (wir berichteten). Ziel der Strategie ist es, bei der Herstellung und Verwendung von "grünem" Wasserstoff möglichst bald in industrielle Größenordnungen vorzustoßen. Bis 2024 sollen Wasserstoffelektrolyse-Anlagen mit einer Kapazität von 6.000 MW entstehen. 1 Mio. Tonnen Wasserstoff soll bis dahin produziert werden. 

Die Forschenden haben im Rahmen ihrer Studie "The potential of hydrogen for decarbonising EU industry" die offenen Punkte bei der Umsetzung der EU-Wasserstoffstrategie herausgefiltert. Auftraggeber der Studie war der Ausschuss für die Zukunft von Wissenschaft und Technologie (STOA) des Europäischen Parlaments. 

Große Unsicherheit bei Investoren

Die Studie bemängelt das Fehlen eines großflächigen Wasserstoffnetzes und − damit einhergehend − eines europäischen Wasserstoffmarktes. Als ein Hindernis bei der Umsetzung der EU-Pläne nennen die Wissenschaftler die hohen Kosten des Energieträgers Wasserstoff und die Unsicherheit aufseiten der Investoren. Nach Ansicht der Forschenden sollte der Einsatz des Wasserstoffs vorrangig in Bereichen erfolgen, in denen eine direkte Elektrifizierung durch erneuerbare Energien noch nicht gegeben ist. Klare Richtlinien für Wasserstoffanwendungen würden jedoch bislang noch fehlen, was zu einer großen Verunsicherung bei Investoren führt. In diesem Zusammenhang schlägt die Studie vor, Wasserstoffanwendungen zu hierarchisieren.

Zudem vermissen die Forschenden allgemeine Regeln für einen zukünftigen Wasserstoffmarkt sowie Infrastrukturregelungen. Diese gelte es schnellstmöglich aufzusetzen. Andernfalls könnten potenzielle Marktteilnehmer und Betreiber von Wasserstoffinfrastrukturen zögern, in mögliche Vorhaben zu investieren. 
 
Studie "The potential of hydrogen for decarbonising EU industry"
(zum Öffnen bitte auf das Dokument klicken)
Quelle: STOA

Beim Handel mit Wasserstoff sowohl auf den europäischen Märkten als auch bei Importen aus Nicht-EU-Ländern würden klare Spezifikationen für die gehandelten Produkte fehlen. Die Forschenden sprechen sich für verbindliche Zertifizierungssysteme aus, die strenge Kriterien sowohl für erneuerbaren als auch für kohlenstoffarmen Wasserstoff festlegen. Letzteres würde etwa die fossile Erzeugung von Wasserstoff − sogenannten blauen Wasserstoff − mit einschließen, bei dem der entstehende Kohlenstoff abgeschieden und gespeichert wird. 

Finanzierungslücke bei der großtechnischen Erzeugung schließen

Um die Investitionen in Wasserstoffmärkte und -infrastrukturen anzufachen, empfiehlt der Bericht die Einführung eines speziellen Zielsystems. Dieses ließe sich auf unterschiedliche Weise umsetzen, etwa mit verbindlichen Zielen für die Mitgliedstaaten. 

Zur Schließung der Finanzierungslücke bei der großtechnischen Erzeugung von grünem Wasserstoff nennt die Studie Kohlenstoffdifferenzverträge − sogenannte Carbon Contracts for Difference (CCfD). Feste CO2-Preise sollen hierbei Unternehmen der Stahl-, Zement-, Kalk- und Ammoniakindustrie langfristig Investitionen sichern. Die Differenz zu den tatsächlichen CO2-Kosten soll der Staat tragen. Unternehmen, die neue Produktionsmethoden auf der Basis von erneuerbarem Wasserstoff einführen, die teurer sind als fossil betriebene Alternativen, würden dadurch entschädigt.

Die in der Studie unterbreiteten Lösungsoptionen für die Anreizung eines EU-weiten Wasserstoffmarktes reichen von einer vollständigen Regulierung auf EU-Ebene bis zur Überlassung der Einzelheiten der Wasserstoffregulierung an die Mitgliedstaaten. Die Regeln für die Infrastrukturgesetzgebung auf EU-Ebene könnten laut der Wissenschaftler den bestehenden Rechtsvorschriften für die Gasinfrastruktur ähneln, mit klaren Regeln für die Entflechtung und den Zugang Dritter. Für eine begrenzte, nicht näher definierte Zeitspanne könnte diese aber Raum für Experimente lassen, etwa bezogen auf die Netzbetreiber und die Vergütung der Kosten.

Die über 100-seitige Studie "The potential of hydrogen for decarbonising EU industry" stellt das Fraunhofer-Institut auf seiner Internetseite zum Download bereit. 

Freitag, 10.12.2021, 12:50 Uhr
Davina Spohn

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