E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Strom - Expertenstreit um Strompreisbremse für Industrie
Quelle: Fotolia / galaxy67
Strom

Expertenstreit um Strompreisbremse für Industrie

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach sich für eine Verlängerung und Modifizierung der aktuellen Strompreisbremse aus, gestützt auf eine Studie. Eine andere Studie lehnt dies ab.
Vor Journalisten in Berlin forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am 20. September eine Verlängerung und Modifizierung der aktuellen Strompreisbremse ab 1. Januar 2024. Dabei stützte DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sich auf ein Gutachten von Prof. Tom Krebs von der Universität Mannheim mit dem Titel: „Ökonomische Analyse einer Verlängerung und Modifizierung der Strompreisbremse“. Demnach müsse eine staatliche Preisgarantie für den Strompreis verlängert und an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden.

Dem Gutachten zufolge sei eine Verlängerung der Strompreisbremse für verlässliche Preise nötig, um 2024 wieder einen Wirtschaftsaufschwung zu erreichen. Der Garantiepreis solle für alle Gruppen gelten, mit Abstufungen nach dem Verbrauch. Einen garantierten Nettopreis von 10 Cent/kWh sollten Kunden über 30.000 kWh bekommen, Haushalts- und Gewerbekunden mit einem Jahresverbrauch von unter 30.000 kWh einen garantierten Bruttostrompreis von 35 Cent/kWh, was 5 Cent unter der aktuellen Preisbremse läge.

Energieintensive Großverbraucher sollen einen garantierten Preis von 6 Cent/kWh gegen eine Standortgarantie bekommen. Wenn sie zusätzlich eine Tarifbindung einhalten, sollen sie einen Nettostrompreis von 5 Cent/kWh garantiert bekommen. Dies solle für ihren gesamten Stromverbrauch gelten, nicht nur für 80 Prozent wie in der aktuellen Strompreisbremse.

Die DGB-Vorsitzende begründete dies damit, dass gerade diese Industriezweige bereits sehr effektiv arbeiteten und künftig für den Klimaschutz mehr Bereiche elektrifizieren sollten. Daher wäre hier die Beschränkung auf 80 Prozent des Verbrauchs kontraproduktiv und nur durch Herunterfahren der Produktion zu erreichen, warnte sie. Die aktuell gültige Strompreisbremse läuft zum Ende 2023 aus, ihre Verlängerung ist derzeit in der politischen Diskussion.
 

Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland halten

Ohne einen Brückenstrompreis ab 1. Januar 2024 seien weiterhin Arbeitsplätze und ganze Standorte bedroht, so die Gewerkschafterin. Voraussichtlich bis 2030 sei ein Brückenstrompreis nötig, bis die Marktverwerfungen durch den Ukrainekrieg abgeflaut und mehr erneuerbare Anlagen am Netz seien, was die Börsenpreise senke. Eine Überprüfung des Instruments solle aber schon nach zwei Jahren geschehen, so Krebs.

Finanziert werden solle die Unterstützung der Preise aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, sagte der Ökonom. Dieser habe noch einen Bestand von 140 Milliarden Euro. Die Maßnahmen würden nur etwa 20 bis maximal 60 Milliarden Euro kosten, berechnete Krebs. Diese Preisbremse bedeute auch keinen Konflikt mit anderen Förderungen der Regierung.

Die energieintensiven Unternehmen seien zu fördern, damit sie nicht ins Ausland abwandern, wodurch schlechtere Arbeits- und Klimaschutzbedingungen für die Produktion bestünden. Außerdem ginge sonst Wertschöpfung verloren und industrielle Basis, insbesondere wenn die Unternehmen − wie beispielsweise die Stahlindustrie − die Ausgangsprodukte für die Energiewende herstellten.

Das Klimageld für die Bürger müsse trotzdem kommen. Es gegen die Strompreisbremse zu stellen, halte er für einen gefährlichen Fehler: „Nur wenn die Regierung einen Todeswunsch hat“, warnte Krebs. Die Strompreisbremse sei nur ein Baustein, für den sozialen Ausgleich kleiner Einkommen genüge sie nicht, sagte auch Fahimi. So müsse das Klimageld schnell eingeführt werden. Auch seien weitere Hilfen für Geringverdiener nötig, um die insgesamt steigenden Energiepreise und Maßnahmen zur Senkung des Verbrauchs fossiler Energieträger zu finanzieren.

DIW-Studie hält Industriestrompreis für unnötig

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) simulierte Auswirkungen steigender Strompreise für energieintensive Unternehmen. Sie kommt zum Schluss, dass ein Industriestrompreis die Kosten für Unternehmen mit extrem hoher Stromintensität lediglich dämpfen würde und „gesamtwirtschaftlich nicht zielführend“ sei.

 
Strompreisentwicklung nach Branchen -
Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken
Quelle: DIW Berlin

Laut den Szenarien der Studie leide nur eine sehr begrenzte Zahl an Unternehmen in einzelnen Industriezweigen stark unter höheren Strompreisen. Dies betreffe Teile der Industriegasherstellung und der Produktion von Aluminium, Zement und anorganischen Chemikalien. „Eine größere Abwanderungswelle von Unternehmen aufgrund der aktuellen Strompreise erscheint daher unwahrscheinlich“, folgert die Studie.

Die Wissenschaftler raten daher dazu, in einem ersten Schritt Schlüsselsektoren beziehungsweise Unternehmen zu identifizieren, die von strategischer Bedeutung für nationale Wertschöpfungsketten sind. Nur für diese klar definierten Schlüsselindustrien sollte bestimmt werden, ob sie mit Subventionen gefördert oder durch Einfuhren aus anderen Ländern ersetzt werden können.

Die Studie von Prof. Krebs zur Modifizierung der Strompreisbremse steht im Internet bereit.

Die Studie des DIW Berlin gegen einen Industriestrompreis steht als PDF zum Download bereit.

Mittwoch, 20.09.2023, 12:43 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Strom - Expertenstreit um Strompreisbremse für Industrie
Quelle: Fotolia / galaxy67
Strom
Expertenstreit um Strompreisbremse für Industrie
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach sich für eine Verlängerung und Modifizierung der aktuellen Strompreisbremse aus, gestützt auf eine Studie. Eine andere Studie lehnt dies ab.
Vor Journalisten in Berlin forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am 20. September eine Verlängerung und Modifizierung der aktuellen Strompreisbremse ab 1. Januar 2024. Dabei stützte DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sich auf ein Gutachten von Prof. Tom Krebs von der Universität Mannheim mit dem Titel: „Ökonomische Analyse einer Verlängerung und Modifizierung der Strompreisbremse“. Demnach müsse eine staatliche Preisgarantie für den Strompreis verlängert und an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden.

Dem Gutachten zufolge sei eine Verlängerung der Strompreisbremse für verlässliche Preise nötig, um 2024 wieder einen Wirtschaftsaufschwung zu erreichen. Der Garantiepreis solle für alle Gruppen gelten, mit Abstufungen nach dem Verbrauch. Einen garantierten Nettopreis von 10 Cent/kWh sollten Kunden über 30.000 kWh bekommen, Haushalts- und Gewerbekunden mit einem Jahresverbrauch von unter 30.000 kWh einen garantierten Bruttostrompreis von 35 Cent/kWh, was 5 Cent unter der aktuellen Preisbremse läge.

Energieintensive Großverbraucher sollen einen garantierten Preis von 6 Cent/kWh gegen eine Standortgarantie bekommen. Wenn sie zusätzlich eine Tarifbindung einhalten, sollen sie einen Nettostrompreis von 5 Cent/kWh garantiert bekommen. Dies solle für ihren gesamten Stromverbrauch gelten, nicht nur für 80 Prozent wie in der aktuellen Strompreisbremse.

Die DGB-Vorsitzende begründete dies damit, dass gerade diese Industriezweige bereits sehr effektiv arbeiteten und künftig für den Klimaschutz mehr Bereiche elektrifizieren sollten. Daher wäre hier die Beschränkung auf 80 Prozent des Verbrauchs kontraproduktiv und nur durch Herunterfahren der Produktion zu erreichen, warnte sie. Die aktuell gültige Strompreisbremse läuft zum Ende 2023 aus, ihre Verlängerung ist derzeit in der politischen Diskussion.
 

Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland halten

Ohne einen Brückenstrompreis ab 1. Januar 2024 seien weiterhin Arbeitsplätze und ganze Standorte bedroht, so die Gewerkschafterin. Voraussichtlich bis 2030 sei ein Brückenstrompreis nötig, bis die Marktverwerfungen durch den Ukrainekrieg abgeflaut und mehr erneuerbare Anlagen am Netz seien, was die Börsenpreise senke. Eine Überprüfung des Instruments solle aber schon nach zwei Jahren geschehen, so Krebs.

Finanziert werden solle die Unterstützung der Preise aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, sagte der Ökonom. Dieser habe noch einen Bestand von 140 Milliarden Euro. Die Maßnahmen würden nur etwa 20 bis maximal 60 Milliarden Euro kosten, berechnete Krebs. Diese Preisbremse bedeute auch keinen Konflikt mit anderen Förderungen der Regierung.

Die energieintensiven Unternehmen seien zu fördern, damit sie nicht ins Ausland abwandern, wodurch schlechtere Arbeits- und Klimaschutzbedingungen für die Produktion bestünden. Außerdem ginge sonst Wertschöpfung verloren und industrielle Basis, insbesondere wenn die Unternehmen − wie beispielsweise die Stahlindustrie − die Ausgangsprodukte für die Energiewende herstellten.

Das Klimageld für die Bürger müsse trotzdem kommen. Es gegen die Strompreisbremse zu stellen, halte er für einen gefährlichen Fehler: „Nur wenn die Regierung einen Todeswunsch hat“, warnte Krebs. Die Strompreisbremse sei nur ein Baustein, für den sozialen Ausgleich kleiner Einkommen genüge sie nicht, sagte auch Fahimi. So müsse das Klimageld schnell eingeführt werden. Auch seien weitere Hilfen für Geringverdiener nötig, um die insgesamt steigenden Energiepreise und Maßnahmen zur Senkung des Verbrauchs fossiler Energieträger zu finanzieren.

DIW-Studie hält Industriestrompreis für unnötig

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) simulierte Auswirkungen steigender Strompreise für energieintensive Unternehmen. Sie kommt zum Schluss, dass ein Industriestrompreis die Kosten für Unternehmen mit extrem hoher Stromintensität lediglich dämpfen würde und „gesamtwirtschaftlich nicht zielführend“ sei.

 
Strompreisentwicklung nach Branchen -
Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken
Quelle: DIW Berlin

Laut den Szenarien der Studie leide nur eine sehr begrenzte Zahl an Unternehmen in einzelnen Industriezweigen stark unter höheren Strompreisen. Dies betreffe Teile der Industriegasherstellung und der Produktion von Aluminium, Zement und anorganischen Chemikalien. „Eine größere Abwanderungswelle von Unternehmen aufgrund der aktuellen Strompreise erscheint daher unwahrscheinlich“, folgert die Studie.

Die Wissenschaftler raten daher dazu, in einem ersten Schritt Schlüsselsektoren beziehungsweise Unternehmen zu identifizieren, die von strategischer Bedeutung für nationale Wertschöpfungsketten sind. Nur für diese klar definierten Schlüsselindustrien sollte bestimmt werden, ob sie mit Subventionen gefördert oder durch Einfuhren aus anderen Ländern ersetzt werden können.

Die Studie von Prof. Krebs zur Modifizierung der Strompreisbremse steht im Internet bereit.

Die Studie des DIW Berlin gegen einen Industriestrompreis steht als PDF zum Download bereit.

Mittwoch, 20.09.2023, 12:43 Uhr
Susanne Harmsen

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.