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Energie & Management > Personalie - Ex-Chef der Gasag als Feuerwehrmann für Osnabrück
Quelle: Shutterstock / Andrii Yalansk
Personalie

Ex-Chef der Gasag als Feuerwehrmann für Osnabrück

Die Stadtwerke Osnabrück setzen auf Stefan Grützmacher, um die aktuelle Krise mit Millionenverlusten zu überwinden. Der Ex-Chef der Berliner Gasag kommt indes nur als Feuerwehrmann.
Mit Präsentationen vor der Belegschaft und Medienvertretern hat Stefan Grützmacher am 5. Mai seinen ersten Arbeitstag als Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Osnabrück AG (SWO) angetreten. Binnen zwei Wochen hat das im Schlingerkurs befindliche Verbundunternehmen eine Nachfolgelösung für den gegangenen Manager Christoph Hüls gefunden. Sie gilt für den Übergang.

Die Bilanz für das Geschäftsjahr 2021 weist einen Fehlbetrag von 16,9 Mio. Euro aus, nach Jahrzehnten stabiler Gewinne des kommunalen Unternehmens. Beim Medientermin kritisierte die Oberbürgermeisterin und SWO-Aufsichtsratsvorsitzende Katharina Pötter (CDU) erneut, dass der Verlust „drei Monate“ zu spät offenkundig geworden sei.
 
Wollen die Stadtwerke Osnabrück gemeinsam aus der Krise führen: (v.l.) Interimsvorstand Stefan Grützmacher, Oberbürgermeisterin Katharina Pötter und Betriebsratsvorsitzender Franz-Josef Schriewer
Quelle: E&M / Volker Stephan


Das aufgelaufene Defizit und dessen noch zu klärende Umstände haben neben der „einvernehmlichen“ Vertragsauflösung mit Hüls, die zum 30. Juni wirksam wird, eine weitere Konsequenz: Das Controlling durch den Aufsichtsrat soll nach Aussagen der Oberbürgermeisterin effizienter werden, zunächst richtet der Aufsichtsrat dafür einen „Zukunftssicherungsausschuss“ als Untergremium ein. Pötter sprach von einer großen Verunsicherung in der Politik und bei den etwa 1.400 Mitarbeitende zählenden Stadtwerken angesichts der Entwicklung.

Stefan Grützmacher schon öfters Interimsmanager

Stefan Grützmacher (57) ist in der Energiebranche kein Unbekannter. Nach Stationen bei der Energiehandelsgesellschaft West, einem Einkaufsverbund von Stadtwerken mit Sitz in Münster, der Mannheimer MVV Energie AG und den Stadtwerken Kiel heuerte der gebürtige Rheinländer bei der Berliner Gasag an.

Dort endete sein Engagement nach dem fehlgeschlagenen Neuerwerb der Berliner Gasnetz-Konzession, zu der die Gasag-Anteilseigner Vattenfall, Gaz de France und Eon teils widerstreitende Auffassungen vertraten. Seither ist er als Berater tätig und sprang bereits als Feuerwehrmann für zwei angeschlagene Energieversorger in NRW ein – bei den Beste-Stadtwerken in und um Höxter sowie bei den Stadtwerken Münster.

Grützmachers grundsätzliche Haltung, keine fünf Jahre mehr als Vorstand eines Energieunternehmens arbeiten zu wollen, gelte auch für sein Engagement in Osnabrück. Er sieht seine Aufgabe darin, Lecks zu identifizieren und dem Aufsichtsrat Optionen aufzuzeigen, wie sie abzudichten seien. Zudem will er parallel mit dem Aufsichtsrat und der Kommune daran mitarbeiten, einem neuen Vorstand den Weg zu bereiten. Spätestens Ende März 2023 tritt der andere Geschäftsführer, Mobilitätsvorstand Stephan Rolfes, in den Ruhestand.

Möglichst bis zu Rolfes’ Ausscheiden will Oberbürgermeisterin Pötter über das künftige Profil der Stadtwerke und des Managements Klarheit hergestellt haben. Während Grützmacher die SWO wegen ausgedehnter Geschäftsfelder aktuell als Schiff mit „zu viel Tiefgang“ beschreibt, ist noch nicht auszumachen, von welchem "Ballast", also Verlustbringern der Versorger sich trennen wird.

30-Mio.-Projekt für Altreifen-Recycling wohl ohne Chance

Katharina Pötter deutete indes an, dass sie für zusätzliche Großinvestitionen aktuell keinen Spielraum sieht. Dies würde das Aus für ein Pieswerk im Osnabrücker Hafen bedeuten, das über Pyrolyseverfahren aus Altreifen Rohstoffe rückgewinnt wie Gas, Koks, Öl und Stahlschrott. Sie werde dem Aufsichtsrat jedenfalls vorschlagen, das 30-Mio.-Euro-Projekt zu beerdigen. Baubeginn sollte bereits 2023 sein.

Um die Millionen-Defizite zu mindern, die sich auch für 2022 erneut ankündigen, will Interimsmanager Grützmacher die Sparten analysieren und Vorschläge unterbreiten. Energie und Verkehr dürften unangetastet bleiben, ebenso die modernen Bäder. Gleichwohl will Grützmacher, der am 1. Juni formell Vorstandsvorsitzender wird, auch kurzfristig prüfen, warum die SWO im Energiehandelsbereich „massiv Geld verloren“ habe und wie hier gegenzusteuern sein könne.

In der Direktvermarktung von Strom für externe Betreiber erneuerbarer Produktionsanlagen sei ebenfalls „ein nennenswerter negativer Betrag aufgelaufen“. Ein Klotz am Bein für die Südniedersachsen ist in diesem Sektor ferner die Beteiligung am Kohlekraftwerk Lünen.

Dass die Alarmstimmung in Osnabrück noch im Rahmen bleibt, dazu trägt der über die Jahre angesetzte Speck bei. Das entstandene Minus in 2021 und auch die erwarteten Fehlbeträge für das laufende Geschäftsjahr decken die Stadtwerke aus vorhandenem Vermögen. Das Eigenkapital schrumpft dafür zunächst auf etwa 150 Mio. Euro. Die Bilanz stellen die SWO traditionell erst etwas später im Jahr offiziell vor. Katharina Pötter wollte nicht ausschließen, dass der ausgeschiedene Geschäftsführer Hüls für entstandenen Schaden noch haftbar gemacht werde.

Donnerstag, 5.05.2022, 15:10 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Personalie - Ex-Chef der Gasag als Feuerwehrmann für Osnabrück
Quelle: Shutterstock / Andrii Yalansk
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Ex-Chef der Gasag als Feuerwehrmann für Osnabrück
Die Stadtwerke Osnabrück setzen auf Stefan Grützmacher, um die aktuelle Krise mit Millionenverlusten zu überwinden. Der Ex-Chef der Berliner Gasag kommt indes nur als Feuerwehrmann.
Mit Präsentationen vor der Belegschaft und Medienvertretern hat Stefan Grützmacher am 5. Mai seinen ersten Arbeitstag als Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Osnabrück AG (SWO) angetreten. Binnen zwei Wochen hat das im Schlingerkurs befindliche Verbundunternehmen eine Nachfolgelösung für den gegangenen Manager Christoph Hüls gefunden. Sie gilt für den Übergang.

Die Bilanz für das Geschäftsjahr 2021 weist einen Fehlbetrag von 16,9 Mio. Euro aus, nach Jahrzehnten stabiler Gewinne des kommunalen Unternehmens. Beim Medientermin kritisierte die Oberbürgermeisterin und SWO-Aufsichtsratsvorsitzende Katharina Pötter (CDU) erneut, dass der Verlust „drei Monate“ zu spät offenkundig geworden sei.
 
Wollen die Stadtwerke Osnabrück gemeinsam aus der Krise führen: (v.l.) Interimsvorstand Stefan Grützmacher, Oberbürgermeisterin Katharina Pötter und Betriebsratsvorsitzender Franz-Josef Schriewer
Quelle: E&M / Volker Stephan


Das aufgelaufene Defizit und dessen noch zu klärende Umstände haben neben der „einvernehmlichen“ Vertragsauflösung mit Hüls, die zum 30. Juni wirksam wird, eine weitere Konsequenz: Das Controlling durch den Aufsichtsrat soll nach Aussagen der Oberbürgermeisterin effizienter werden, zunächst richtet der Aufsichtsrat dafür einen „Zukunftssicherungsausschuss“ als Untergremium ein. Pötter sprach von einer großen Verunsicherung in der Politik und bei den etwa 1.400 Mitarbeitende zählenden Stadtwerken angesichts der Entwicklung.

Stefan Grützmacher schon öfters Interimsmanager

Stefan Grützmacher (57) ist in der Energiebranche kein Unbekannter. Nach Stationen bei der Energiehandelsgesellschaft West, einem Einkaufsverbund von Stadtwerken mit Sitz in Münster, der Mannheimer MVV Energie AG und den Stadtwerken Kiel heuerte der gebürtige Rheinländer bei der Berliner Gasag an.

Dort endete sein Engagement nach dem fehlgeschlagenen Neuerwerb der Berliner Gasnetz-Konzession, zu der die Gasag-Anteilseigner Vattenfall, Gaz de France und Eon teils widerstreitende Auffassungen vertraten. Seither ist er als Berater tätig und sprang bereits als Feuerwehrmann für zwei angeschlagene Energieversorger in NRW ein – bei den Beste-Stadtwerken in und um Höxter sowie bei den Stadtwerken Münster.

Grützmachers grundsätzliche Haltung, keine fünf Jahre mehr als Vorstand eines Energieunternehmens arbeiten zu wollen, gelte auch für sein Engagement in Osnabrück. Er sieht seine Aufgabe darin, Lecks zu identifizieren und dem Aufsichtsrat Optionen aufzuzeigen, wie sie abzudichten seien. Zudem will er parallel mit dem Aufsichtsrat und der Kommune daran mitarbeiten, einem neuen Vorstand den Weg zu bereiten. Spätestens Ende März 2023 tritt der andere Geschäftsführer, Mobilitätsvorstand Stephan Rolfes, in den Ruhestand.

Möglichst bis zu Rolfes’ Ausscheiden will Oberbürgermeisterin Pötter über das künftige Profil der Stadtwerke und des Managements Klarheit hergestellt haben. Während Grützmacher die SWO wegen ausgedehnter Geschäftsfelder aktuell als Schiff mit „zu viel Tiefgang“ beschreibt, ist noch nicht auszumachen, von welchem "Ballast", also Verlustbringern der Versorger sich trennen wird.

30-Mio.-Projekt für Altreifen-Recycling wohl ohne Chance

Katharina Pötter deutete indes an, dass sie für zusätzliche Großinvestitionen aktuell keinen Spielraum sieht. Dies würde das Aus für ein Pieswerk im Osnabrücker Hafen bedeuten, das über Pyrolyseverfahren aus Altreifen Rohstoffe rückgewinnt wie Gas, Koks, Öl und Stahlschrott. Sie werde dem Aufsichtsrat jedenfalls vorschlagen, das 30-Mio.-Euro-Projekt zu beerdigen. Baubeginn sollte bereits 2023 sein.

Um die Millionen-Defizite zu mindern, die sich auch für 2022 erneut ankündigen, will Interimsmanager Grützmacher die Sparten analysieren und Vorschläge unterbreiten. Energie und Verkehr dürften unangetastet bleiben, ebenso die modernen Bäder. Gleichwohl will Grützmacher, der am 1. Juni formell Vorstandsvorsitzender wird, auch kurzfristig prüfen, warum die SWO im Energiehandelsbereich „massiv Geld verloren“ habe und wie hier gegenzusteuern sein könne.

In der Direktvermarktung von Strom für externe Betreiber erneuerbarer Produktionsanlagen sei ebenfalls „ein nennenswerter negativer Betrag aufgelaufen“. Ein Klotz am Bein für die Südniedersachsen ist in diesem Sektor ferner die Beteiligung am Kohlekraftwerk Lünen.

Dass die Alarmstimmung in Osnabrück noch im Rahmen bleibt, dazu trägt der über die Jahre angesetzte Speck bei. Das entstandene Minus in 2021 und auch die erwarteten Fehlbeträge für das laufende Geschäftsjahr decken die Stadtwerke aus vorhandenem Vermögen. Das Eigenkapital schrumpft dafür zunächst auf etwa 150 Mio. Euro. Die Bilanz stellen die SWO traditionell erst etwas später im Jahr offiziell vor. Katharina Pötter wollte nicht ausschließen, dass der ausgeschiedene Geschäftsführer Hüls für entstandenen Schaden noch haftbar gemacht werde.

Donnerstag, 5.05.2022, 15:10 Uhr
Volker Stephan

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