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Infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ordnen sich weltweit Energiemärkte neu. Vor allem Erdgasflüsse müssen neu ausgerichtet werden, konstatiert eine Studie des EWI.
Im Auftrag der Brancheninitiative Zukunft Gas hat das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) Szenarien untersucht, die einen beschränkten Handel mit Russland betrachten. Vor allem „Entwicklungen globaler Gasmärkte bis 2030“ prognostiziert diese Studie. Das EWI befasst sich dabei sowohl mit der künftigen Importstruktur und entstehenden Regasifizierungskapazitäten in der EU als auch mit der Entwicklung weltweiter Exportstrukturen in Russland und den USA.
Demnach fordert das Ausbleiben der großen Mengen russischen Erdgases aus Pipelines den weltweiten Ausbau von Verflüssigungskapazitäten für den Transport von Erdgas per Schiff als LNG. Dazu mahnte Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Gas, die Politik: „Für die Neuausrichtung der Gasversorgung ohne Russland ist eine klare Strategie erforderlich.“ Die neuen Energiepartner besonders in den USA erwarteten stabile Signale für langfristige Investitionen. Der Bau von Verflüssigungsanlagen koste zehnmal mehr als für Regasifizierung. Investoren forderten daher Abnahmegarantien für ihr Flüssigerdgas für rund 20
Jahre, bevor sie zusätzliche Anlagen zum Beispiel für den Export nach Europa errichteten.
Höhere Preise ohne russisches ErdgasOhne den Abnehmer Europa werde Russland etwa ein Drittel weniger Erdgas bis 2026 verkaufen können, prognostizierte Eren Cam, Head of Energy Commodities des EWI. Falls ein Pipeline-Ausbau nach China gelänge, wären bis 2030 immer noch 20
% weniger abzusetzen wegen mangelnder Transportkapazitäten.
Die fehlenden Gasmengen auf dem Weltmarkt durch die Drosselung der russischen Lieferungen führten auch langfristig zu höheren Preisen, so die EWI-Studie. Die USA entwickelten sich voraussichtlich künftig zur wichtigsten Bezugsquelle für LNG in Deutschland und Europa.
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Gaspreisentwicklung in Nordwesteuropa bis 2030 Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken Quelle: EWI |
Das EWI untersucht in verschiedenen Szenarien den künftigen Gashandel zwischen der EU und Russland und deren Auswirkungen auf die globalen Handelsbeziehungen. Der europäische Bedarf nach LNG steigt demnach deutlich, abhängig von gedrosselten oder ganz ausbleibenden Lieferungen von Pipeline-Gas aus Russland.
Alternative Gaslieferungen für EuropaFür den Fall, dass der Gasimport aus Russland dauerhaft zum Erliegen käme, würden die drei verbleibenden Pipeline-Korridore von Norwegen, Aserbaidschan und Algerien in die EU stark ausgelastet werden. Zusätzliches Gas kann von dort nur in begrenztem Umfang bezogen werden. Norwegen kann seine Produktion nach aktuellen Schätzungen noch bis 2028 steigern. Danach wird die Produktion zurückgehen. Importe aus Nordafrika werden voraussichtlich abnehmen, weil im Zuge des zu erwartenden Wirtschaftswachstums die heimische Nachfrage dort anziehen wird.
In allen untersuchten Szenarien steigen daher die Importe aus den USA im Vergleich zu 2021 deutlich an. Sollte zwischen Russland und der EU kein Gas mehr gehandelt werden, erreichen die USA einen Anteil an den Gesamtimporten der EU von 40
%. Damit würde die EU zu einem der wichtigsten Absatzmärkte für US-Erdgas neben Asien werden. Dagegen sei das Wachstum der aus Katar kommenden Mengen beschränkt, weil dieses Verträge mit asiatischen Ländern hat. Auch Australien oder Kanada bedienen in erster Linie Asien.
Importe diversifizieren und Gas sparenDie starke Fokussierung auf die USA birgt neue Herausforderungen: „Mit Blick in die unmittelbare Zukunft ist Deutschland gefragt, die angestrebte Diversifizierung der Bezugsquellen nicht aus den Augen zu verlieren“, forderte Kehler. Nur so könne die europäische Gasversorgung tragfähig und sicher werden.
Zur Entspannung der Preise könnte auch eine geringere Gasnachfrage beitragen. Laut der Studie wäre das beispielsweise durch Elektrifizierung, Effizienzgewinne und die Produktion von Biomethan als Erdgas-Substitut erreichbar.
Mit Blick auf die aktuelle Preissituation rechnet Kehler bereits von 2024 an mit einer Entspannung: „Der zügige Ausbau der LNG-Terminals in Europa wird Import-Engpässe beseitigen und die europäischen und asiatischen Preise angleichen.“ Eine Rückkehr zu den Niedrigpreisen von 2018 erwarten die Studienautoren des EWI allerdings frühestens für 2026 und auch nur bei einem zumindest begrenzten Handel mit Russland. Ohne Gashandel mit Russland könnten die Großhandelspreise in Nordwesteuropa auch im Jahr 2026 noch über 90
Euro/MWh liegen. Sinke die Nachfrage aber global, könne das Preisniveau von 2018 auch ohne russisches Gas bis 2030 wieder erreicht werden.
Die gesamte
EWI-Studie „Entwicklung der globalen Gasmärkte bis 2030“ steht als PDF zum Download bereit.
Donnerstag, 22.09.2022, 13:13 Uhr
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