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Energie & Management > Elektrofahrzeuge - Europas größtes Elektro-Parkhaus als Vorbild für deutsche Städte
Quelle: Fotolia / JiSIGN
Elektrofahrzeuge

Europas größtes Elektro-Parkhaus als Vorbild für deutsche Städte

Ein Blick nach Schweden könnte die Diskussion um den Ausbau von Stromzapfsäulen befruchten. Dort hat ein Parkhaus mit 800 Ladepunkten eröffnet, das Vierfache des deutschen Bestwerts.
Es sind Zahlen, die im Elektromobil-Lager hierzulande Schwindel hervorrufen können. Stockholm will allein in seinem Großraum mit etwa 1,6 Mio. Menschen bis zum Jahr 2030 mehr als 100.000 Ladepunkte für E-Autos vorhalten. Bevorzugte Orte fürs Stromladen sind Parkhäuser und andere öffentliche Stellplätze, zuletzt vollendete in der schwedischen Hauptstadt eine Parkgarage ihre zweite Ausbaustufe mit nunmehr 800 Ladepunkten.

Zum Ende des Projekts im Jahr 2026 soll das neue Parkgebäude im Stadtteil Hagastaden über 1.000 Stellplätze verfügen, die sämtlich mit einer Ladetechnik des Weltmarktführers CTEK ausgestattet sind. CTEK feiert das gemeinsame Projekt als „größtes Elektro-Parkhaus in Europa“ und will nun in Deutschland Fuß fassen.

Hier sind Parkhäuser in Betrieb oder Planung, die zum Teil mit Stromladestellen ausgestattet sind und – wie in Heilbronn ab 2023 – auf maximal rund 200 Ladepunkte kommen. Das wäre ein Fünftel des Stockholmer Vorbilds. In Nürnberg betreibt der kommunale Versorger N-Ergie seit Juli 2021 ein „Parkhaus der Zukunft“ mit 128 Ladepunkten. Frankfurt will 2023 auf 300 Punkte in elf Tiefgaragen und Parkhäusern kommen.

Berlin bleibt bei Ausbauzielen um das Hundertfache zurück

Noch deutlicher wird der unterschiedliche Anspruch beim Ausbau, wenn es zum Vergleich der Stockholmer Ziele und jenen der deutschen Hauptstadt kommt. Während der Berliner Senat bis 2030 mindestens einen Ladepunkt je zehn Elektroautos schaffen will, arbeitet Stockholm parallel auf einen Ladepunkt je 16 Einwohner hin. Allein die unterschiedliche Bezugsgröße unterstreicht die weitaus größeren Ambitionen der Schweden.

Auch beim Ausbautempo liegen Welten zwischen Stockholm und Berlin: An der Spree mit seinen rund 4 Mio. Menschen müssten bis 2030 etwa 237.500 neue Ladepunkte entstehen, um in Relation auf das Pro-Kopf-Angebot Stockholms zu kommen. Die Planungen des Senats vom Dezember 2021 sehen allerdings vor, binnen acht Jahren lediglich 2.000 neue Punkte in städtischer Regie zu bauen und weitere 1.000 vorhandene Ladestellen von anderen Betreibern zu übernehmen. Damit erreicht Stockholm im selben Zeitraum in etwa das Hundertfache an Zubau.

 
Ladepunkte in Europas größtem Elektro-Parkhaus,
Stockholm-Hagastadan (Schweden)
Quelle: CTEK

Vor diesem Hintergrund verliert die Warnung von Kerstin Andreae, Deutschland strebe mit den Ausbauplänen der Bundesregierung auf ein „Überangebot“ an öffentlich zugänglichen Ladestationen zu, an Schärfe. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hält eine Million öffentlicher Ladepunkte, wie im „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ für 2030 als Zielmarke festgehalten, für überdimensioniert. Andreae ist vielmehr der Auffassung, dass republikweit 100.000 bis 250.000 Punkte ausreichten. Aktuell können E-Autofahrer in Deutschland gut 60.000 Punkte ansteuern.

Lade-Potenzial in Parkhäusern "schnell zu erschließen"

Nach dem Ansatz des BDEW, für den die Wirtschaftlichkeit der Ladestationen seiner Mitgliedsunternehmen im Vordergrund stehen, würde für ganz Deutschland 2030 also entweder genau die Anzahl an Stockholmer Stromtankstellen ausreichen oder etwa das Doppelte. Eine andere Ansicht als der Energiewirtschaftsverband vertritt in diesem Fall Reiner Priggen. Er sieht den Stockholmer Weg „als hervorragende Anregung für unsere Großstädte“, so der Vorsitzende des Landesverbands Erneuerbare Energien in Nordrhein Westfalen (LEE NRW) gegenüber unserer Redaktion.

Gemünzt auf die Revierstadt Essen, gerne auch Energie-Hauptstadt Deutschlands genannt, würde das Stockholmer Beispiel bis 2030 den Ausbau auf gut 36.000 Ladepunkte erforderlich machen. Essen hat etwas weniger als 600.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Laut Ladesäulenregister, ein Web-Angebot des BDEW-Unternehmens Energie Codes und Services GmbH, verfügt Essen aktuell über weniger als 1.000 öffentliche Ladepunkte.

Priggen sieht grundsätzlich einen „sehr mühsamen Prozess“, den öffentlichen Raum mit Lademöglichkeiten auszustatten. Daher verspricht er sich von Ladestationen in Parkhäusern „ein wesentlich größeres, schnell zu erschließendes Potenzial“. Laut der Statistik-Plattform Statista, die Zahlen des Elektromobilitätsdienstleisters Chargemap aufbereitet, ist etwa jede vierte Ladestation in Parkhäusern oder an öffentlichen Parkplätzen vorzufinden (Stand: November 2021).
 

Allerdings haben Projekte wie das Stockholmer auch ihren Preis. Dort nimmt die städtische Parkraumbewirtschaftungsgesellschaft Stockholm Parkering 67 Mio. Euro für das unterirdische Parkhaus Hagastaden in die Hand, davon sind 2 Mio. Euro allein für die Ladeinfrastruktur aufzubringen. Bei der Quartiersgarage in Heilbronn rechneten die federführenden Stadtwerke zuletzt mit Gesamtinvestitionen in Höhe von 18,1 Mio. Euro. Je nach Ausbaufahrplan wäre ein Zigfaches an Gesamtausgaben für ausreichend viele „Elektro-Parkhäuser“ nötig. Eine Herkulesaufgabe für Stadtwerke und öffentliche Hand, sofern die Privatwirtschaft bei solchen Projekten nicht – wovon nicht auszugehen ist – Schlange steht.

Donnerstag, 16.06.2022, 09:02 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Elektrofahrzeuge - Europas größtes Elektro-Parkhaus als Vorbild für deutsche Städte
Quelle: Fotolia / JiSIGN
Elektrofahrzeuge
Europas größtes Elektro-Parkhaus als Vorbild für deutsche Städte
Ein Blick nach Schweden könnte die Diskussion um den Ausbau von Stromzapfsäulen befruchten. Dort hat ein Parkhaus mit 800 Ladepunkten eröffnet, das Vierfache des deutschen Bestwerts.
Es sind Zahlen, die im Elektromobil-Lager hierzulande Schwindel hervorrufen können. Stockholm will allein in seinem Großraum mit etwa 1,6 Mio. Menschen bis zum Jahr 2030 mehr als 100.000 Ladepunkte für E-Autos vorhalten. Bevorzugte Orte fürs Stromladen sind Parkhäuser und andere öffentliche Stellplätze, zuletzt vollendete in der schwedischen Hauptstadt eine Parkgarage ihre zweite Ausbaustufe mit nunmehr 800 Ladepunkten.

Zum Ende des Projekts im Jahr 2026 soll das neue Parkgebäude im Stadtteil Hagastaden über 1.000 Stellplätze verfügen, die sämtlich mit einer Ladetechnik des Weltmarktführers CTEK ausgestattet sind. CTEK feiert das gemeinsame Projekt als „größtes Elektro-Parkhaus in Europa“ und will nun in Deutschland Fuß fassen.

Hier sind Parkhäuser in Betrieb oder Planung, die zum Teil mit Stromladestellen ausgestattet sind und – wie in Heilbronn ab 2023 – auf maximal rund 200 Ladepunkte kommen. Das wäre ein Fünftel des Stockholmer Vorbilds. In Nürnberg betreibt der kommunale Versorger N-Ergie seit Juli 2021 ein „Parkhaus der Zukunft“ mit 128 Ladepunkten. Frankfurt will 2023 auf 300 Punkte in elf Tiefgaragen und Parkhäusern kommen.

Berlin bleibt bei Ausbauzielen um das Hundertfache zurück

Noch deutlicher wird der unterschiedliche Anspruch beim Ausbau, wenn es zum Vergleich der Stockholmer Ziele und jenen der deutschen Hauptstadt kommt. Während der Berliner Senat bis 2030 mindestens einen Ladepunkt je zehn Elektroautos schaffen will, arbeitet Stockholm parallel auf einen Ladepunkt je 16 Einwohner hin. Allein die unterschiedliche Bezugsgröße unterstreicht die weitaus größeren Ambitionen der Schweden.

Auch beim Ausbautempo liegen Welten zwischen Stockholm und Berlin: An der Spree mit seinen rund 4 Mio. Menschen müssten bis 2030 etwa 237.500 neue Ladepunkte entstehen, um in Relation auf das Pro-Kopf-Angebot Stockholms zu kommen. Die Planungen des Senats vom Dezember 2021 sehen allerdings vor, binnen acht Jahren lediglich 2.000 neue Punkte in städtischer Regie zu bauen und weitere 1.000 vorhandene Ladestellen von anderen Betreibern zu übernehmen. Damit erreicht Stockholm im selben Zeitraum in etwa das Hundertfache an Zubau.

 
Ladepunkte in Europas größtem Elektro-Parkhaus,
Stockholm-Hagastadan (Schweden)
Quelle: CTEK

Vor diesem Hintergrund verliert die Warnung von Kerstin Andreae, Deutschland strebe mit den Ausbauplänen der Bundesregierung auf ein „Überangebot“ an öffentlich zugänglichen Ladestationen zu, an Schärfe. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hält eine Million öffentlicher Ladepunkte, wie im „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ für 2030 als Zielmarke festgehalten, für überdimensioniert. Andreae ist vielmehr der Auffassung, dass republikweit 100.000 bis 250.000 Punkte ausreichten. Aktuell können E-Autofahrer in Deutschland gut 60.000 Punkte ansteuern.

Lade-Potenzial in Parkhäusern "schnell zu erschließen"

Nach dem Ansatz des BDEW, für den die Wirtschaftlichkeit der Ladestationen seiner Mitgliedsunternehmen im Vordergrund stehen, würde für ganz Deutschland 2030 also entweder genau die Anzahl an Stockholmer Stromtankstellen ausreichen oder etwa das Doppelte. Eine andere Ansicht als der Energiewirtschaftsverband vertritt in diesem Fall Reiner Priggen. Er sieht den Stockholmer Weg „als hervorragende Anregung für unsere Großstädte“, so der Vorsitzende des Landesverbands Erneuerbare Energien in Nordrhein Westfalen (LEE NRW) gegenüber unserer Redaktion.

Gemünzt auf die Revierstadt Essen, gerne auch Energie-Hauptstadt Deutschlands genannt, würde das Stockholmer Beispiel bis 2030 den Ausbau auf gut 36.000 Ladepunkte erforderlich machen. Essen hat etwas weniger als 600.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Laut Ladesäulenregister, ein Web-Angebot des BDEW-Unternehmens Energie Codes und Services GmbH, verfügt Essen aktuell über weniger als 1.000 öffentliche Ladepunkte.

Priggen sieht grundsätzlich einen „sehr mühsamen Prozess“, den öffentlichen Raum mit Lademöglichkeiten auszustatten. Daher verspricht er sich von Ladestationen in Parkhäusern „ein wesentlich größeres, schnell zu erschließendes Potenzial“. Laut der Statistik-Plattform Statista, die Zahlen des Elektromobilitätsdienstleisters Chargemap aufbereitet, ist etwa jede vierte Ladestation in Parkhäusern oder an öffentlichen Parkplätzen vorzufinden (Stand: November 2021).
 

Allerdings haben Projekte wie das Stockholmer auch ihren Preis. Dort nimmt die städtische Parkraumbewirtschaftungsgesellschaft Stockholm Parkering 67 Mio. Euro für das unterirdische Parkhaus Hagastaden in die Hand, davon sind 2 Mio. Euro allein für die Ladeinfrastruktur aufzubringen. Bei der Quartiersgarage in Heilbronn rechneten die federführenden Stadtwerke zuletzt mit Gesamtinvestitionen in Höhe von 18,1 Mio. Euro. Je nach Ausbaufahrplan wäre ein Zigfaches an Gesamtausgaben für ausreichend viele „Elektro-Parkhäuser“ nötig. Eine Herkulesaufgabe für Stadtwerke und öffentliche Hand, sofern die Privatwirtschaft bei solchen Projekten nicht – wovon nicht auszugehen ist – Schlange steht.

Donnerstag, 16.06.2022, 09:02 Uhr
Volker Stephan

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