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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Europas Flagge auf Windstrom drehen
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Europas Flagge auf Windstrom drehen

Der Ukraine-Krieg hat Westeuropa klargemacht, dass auch Erdgas keine sichere Alternative zur Kohle ist. Ein Grund, mehr Wind vor den Küsten zu Strom zu machen.
Die Offshore-Windbranche Branche wittert Morgenluft, weil die meisten EU-Staaten inzwischen ambitionierte nationale Ziele für den Ausbau der Windenergie haben. Die installierte Leistung von Windkraftanlagen in den europäischen Meeren werde sich bis 2026 gegenüber dem vergangenen Jahr auf 56.000 MW verdoppeln. Das prognostizierte der europäische Windenergie-Dachverband Wind Europe am 15. März bei der Präsentation einiger Kernzahlen von 2021.

Demnach schreitet der Zubau im Sinne der Aufnahme der Stromerzeugung bis 2025 in gemächlichem Tempo weiter und 2026 kommt dann auf einmal die doppelte Zubauleistung von 10.000 MW ans Netz. Den Grund sah Kommunikationsmanager Christoph Zipf im Hinzutritt neuer Offshore-Nationen: Belgien, Italien und Irland. Auch Frankreich hat in diesem Jahr seinen ersten produktiven Windpark am Ärmelkanal in Betrieb genommen. „Offshore-Wind ist keine Nordseeparty mehr“, kommentierte Zipf. Allerdings seien 30.000 MW jährlich an neuen Windkraftanlagen an Land und auf See nötig, um das EU-Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien am Strommarkt von 40 % bis 2030 zu erreichen. In den nächsten fünf Jahren seien aber nur 18.000 MW pro Jahr geplant, kritisierte der Branchenverband.

Haupthindernis sind Genehmigungen

Die Prognose der Zubauleistung auf See bis 2030 konnte Wind Europe immerhin von 111.000 auf 135.000 MW deutlich nach oben korrigieren, nachdem im Vorjahr Deutschland und vier andere Länder ihre Ausbauziele bekannt gegeben hatten. Doch Hersteller und Projektanten beklagen zugleich, dass die Genehmigungen der größte Engpass bleiben. „Europa lässt nicht einmal annähernd die benötigte Menge an neuen Windparks zu“, beklagt Wind Europe. Fast keiner der Mitgliedstaaten halte die in der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie geforderten Fristen für Genehmigungsverfahren ein. Das liege an allzu komplexen Verfahren und unterbesetzten Genehmigungsbehörden.

In einem Brief an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte Wind Europe, wie sich das geringe Volumen genehmigter Projekte auf Europas Windturbinenhersteller und die breitere Lieferkette auswirke. Die Branche müsse sich − erst durch die Covid-Pandemie, nun durch den russischen Angriff auf die Ukraine − mit höheren Preisen für Stahl und andere Rohstoffe auseinandersetzen und mit unterbrochenen internationalen Lieferketten. Im Jahr 2021 arbeiteten vier von fünf Windturbinenherstellern in Europa mit Verlust, schreibt Wind Europe.

Verlässliche Ausschreibungen nötig

Die europäische Windindustrie verliere Geld, schließe Fabriken und baue Arbeitsplätze ab, gerade jetzt, da sie wachsen sollte, um den enormen Ausbau der Windkraft in Europa zu bewältigen. „Wenn das so weitergeht, ist der Green Deal in Schwierigkeiten, ganz zu schweigen von Europas Energiesicherheitszielen“, sagte Giles Dickson, Chief Executive Officer von Wind Europe. Daher wird Unterstützung von der Politik gefordert. Der Senior-Berater für Offshore, Mattia Cecchinato, forderte europaweit einen Jahresturnus für die Ausschreibungen neuer Windturbinen und größere Ausschreibungsvolumina. Zudem solle jeweils nur eine einzige Behörde als One Stop Agency alle Genehmigungsfäden in der Hand halten.

Darüber hinaus müssten die Länder vorausschauend in Infrastruktur und Häfen investieren, damit genug Umschlags- und Lagerflächen für die Großprojekte bereitstehen. Denn moderne Anlagen werden immer größer. Für die britischen Windparks „Sofia“ und „Dogger Bank (Phase C)“ wurden 14-MW-Turbinen geordert. Das bedeutet Turmhöhen von 260 Metern und Rotorenradien von rund 220 Metern. Viel Platzbedarf also in der Vorfertigung und beim Transport. Die heutzutage kleinsten Anlagen haben 7 MW Leistung und sind „nur“ 180 Meter hoch.

2021 belief sich der europaweite Ausbau auf 3.300 MW in acht Windparks, fünf waren schwimmende Projekte oder hatten Floating-Elemente. 2021 wurden im Durchschnitt 11,2 MW Leistung pro Turbine bestellt. Bei den in Betrieb gehenden Anlagen liegt die Leistung im Mittel noch bei 8,5 MW. Dieser Zuwachs um 31 % schreibe einen langjährigen Trend fort, erläuterte Lizet Ramirez, Analystin für Offshore bei Wind Europe. Insgesamt investierte die Branche 16,6 Mrd. Euro, davon 4,8 Mrd. in den Zubau. Die Kapitalkosten pro installiertes Megawatt lägen im Schnitt bei 3,5 Mio. Euro, sagte Ramirez.

Industrie braucht sichere und bezahlbare Energie

Die Windkraft lasse neue Jobs entstehen und trage zur Entwicklung strukturschwacher Küstenregionen bei, wirbt die Branche. Wichtig sei allerdings ein kontinuierlicher und verlässlicher Markt, damit die Wertschöpfung im Land erfolgt, so der Appell an die nationalen Regierungen der EU. Europa muss aktuell noch 58 % seines Energiebedarfs importieren. Daher schaden Preiserhöhungen wie bei den fossilen Brennstoffen seit dem vergangenen Herbst den Volkswirtschaften erheblich. Mehr erneuerbare Energien „made in Europe“ verringern die Abhängigkeit von unzuverlässigen Quellen, sind kostengünstiger und helfen, die Klimaschutzverpflichtungen zu erfüllen, wirbt die Windbranche.

Dabei hat sie auch die Industrie auf ihrer Seite, denn besonders energieintensive Branchen wie Stahl und Chemie leiden unter hohen Preisen, Emissionsabgaben und Versorgungsengpässen. So sagte Marco Mensink, Generaldirektor des europäischen Chemieverbands Cefic: „Windenergie ist unerlässlich, um die enormen Mengen an erneuerbarem Strom zu liefern, die die Chemiebranche benötigt − zuverlässig und kostengünstig.“ Da Europa derzeit noch nicht genug neue Kapazitäten hinzufügt, müssten Europäische Kommission und nationale Regierungen schnell handeln, forderte Mensink.

Für die europäische Stahlindustrie erklärte Eurofer-Generaldirektor Axel Eggert, dass die Branche sich um eine CO2-neutrale Produktion in Europa bemühe. Das aber erfordere bis 2030 etwa 150 Mrd. kWh erneuerbaren, erschwinglichen Strom, bis 2050 wären es dann 400 Mrd. kWh. „Wenn wir keinen schmutzigen Stahl nach Europa importieren wollen, muss die EU jetzt die heimische Produktion von Windenergie und anderen erneuerbaren Energien ausbauen“, appellierte Eggert.

Offshore-Windenergie ist ein Baustein, um fossile Energieträger zu ersetzen, weil Anlagen auf dem Meer beinahe zu jeder Stunde des Jahres Strom liefern und ähnlich hohe Betriebsstunden wie konventionelle Kraftwerke erreichen. Die Ausbeute beträgt im Schnitt das 2- bis 2,5-Fache von Windkraftanlagen an Land, mit Ausnahme extrem guter Küstenstandorte, wie Bernd Neddermann vom Deutschen Windenergie-Institut (Dewi) erläuterte. Naturschützer mahnen allerdings an, dass in Europa ein ordnungspolitischer Rahmen für den Ausbau von Offshore-Windenergie im Rahmen der ökologischen Tragfähigkeitsgrenzen und unter Berücksichtigung von Nullnutzungszonen fehlt. Zudem störten Lärm und Verkehr während der Bauarbeiten die Meeresbewohner.

Dienstag, 26.04.2022, 09:00 Uhr
Georg Eble / Susanne Harmsen
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Europas Flagge auf Windstrom drehen
Quelle: E&M
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Europas Flagge auf Windstrom drehen
Der Ukraine-Krieg hat Westeuropa klargemacht, dass auch Erdgas keine sichere Alternative zur Kohle ist. Ein Grund, mehr Wind vor den Küsten zu Strom zu machen.
Die Offshore-Windbranche Branche wittert Morgenluft, weil die meisten EU-Staaten inzwischen ambitionierte nationale Ziele für den Ausbau der Windenergie haben. Die installierte Leistung von Windkraftanlagen in den europäischen Meeren werde sich bis 2026 gegenüber dem vergangenen Jahr auf 56.000 MW verdoppeln. Das prognostizierte der europäische Windenergie-Dachverband Wind Europe am 15. März bei der Präsentation einiger Kernzahlen von 2021.

Demnach schreitet der Zubau im Sinne der Aufnahme der Stromerzeugung bis 2025 in gemächlichem Tempo weiter und 2026 kommt dann auf einmal die doppelte Zubauleistung von 10.000 MW ans Netz. Den Grund sah Kommunikationsmanager Christoph Zipf im Hinzutritt neuer Offshore-Nationen: Belgien, Italien und Irland. Auch Frankreich hat in diesem Jahr seinen ersten produktiven Windpark am Ärmelkanal in Betrieb genommen. „Offshore-Wind ist keine Nordseeparty mehr“, kommentierte Zipf. Allerdings seien 30.000 MW jährlich an neuen Windkraftanlagen an Land und auf See nötig, um das EU-Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien am Strommarkt von 40 % bis 2030 zu erreichen. In den nächsten fünf Jahren seien aber nur 18.000 MW pro Jahr geplant, kritisierte der Branchenverband.

Haupthindernis sind Genehmigungen

Die Prognose der Zubauleistung auf See bis 2030 konnte Wind Europe immerhin von 111.000 auf 135.000 MW deutlich nach oben korrigieren, nachdem im Vorjahr Deutschland und vier andere Länder ihre Ausbauziele bekannt gegeben hatten. Doch Hersteller und Projektanten beklagen zugleich, dass die Genehmigungen der größte Engpass bleiben. „Europa lässt nicht einmal annähernd die benötigte Menge an neuen Windparks zu“, beklagt Wind Europe. Fast keiner der Mitgliedstaaten halte die in der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie geforderten Fristen für Genehmigungsverfahren ein. Das liege an allzu komplexen Verfahren und unterbesetzten Genehmigungsbehörden.

In einem Brief an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte Wind Europe, wie sich das geringe Volumen genehmigter Projekte auf Europas Windturbinenhersteller und die breitere Lieferkette auswirke. Die Branche müsse sich − erst durch die Covid-Pandemie, nun durch den russischen Angriff auf die Ukraine − mit höheren Preisen für Stahl und andere Rohstoffe auseinandersetzen und mit unterbrochenen internationalen Lieferketten. Im Jahr 2021 arbeiteten vier von fünf Windturbinenherstellern in Europa mit Verlust, schreibt Wind Europe.

Verlässliche Ausschreibungen nötig

Die europäische Windindustrie verliere Geld, schließe Fabriken und baue Arbeitsplätze ab, gerade jetzt, da sie wachsen sollte, um den enormen Ausbau der Windkraft in Europa zu bewältigen. „Wenn das so weitergeht, ist der Green Deal in Schwierigkeiten, ganz zu schweigen von Europas Energiesicherheitszielen“, sagte Giles Dickson, Chief Executive Officer von Wind Europe. Daher wird Unterstützung von der Politik gefordert. Der Senior-Berater für Offshore, Mattia Cecchinato, forderte europaweit einen Jahresturnus für die Ausschreibungen neuer Windturbinen und größere Ausschreibungsvolumina. Zudem solle jeweils nur eine einzige Behörde als One Stop Agency alle Genehmigungsfäden in der Hand halten.

Darüber hinaus müssten die Länder vorausschauend in Infrastruktur und Häfen investieren, damit genug Umschlags- und Lagerflächen für die Großprojekte bereitstehen. Denn moderne Anlagen werden immer größer. Für die britischen Windparks „Sofia“ und „Dogger Bank (Phase C)“ wurden 14-MW-Turbinen geordert. Das bedeutet Turmhöhen von 260 Metern und Rotorenradien von rund 220 Metern. Viel Platzbedarf also in der Vorfertigung und beim Transport. Die heutzutage kleinsten Anlagen haben 7 MW Leistung und sind „nur“ 180 Meter hoch.

2021 belief sich der europaweite Ausbau auf 3.300 MW in acht Windparks, fünf waren schwimmende Projekte oder hatten Floating-Elemente. 2021 wurden im Durchschnitt 11,2 MW Leistung pro Turbine bestellt. Bei den in Betrieb gehenden Anlagen liegt die Leistung im Mittel noch bei 8,5 MW. Dieser Zuwachs um 31 % schreibe einen langjährigen Trend fort, erläuterte Lizet Ramirez, Analystin für Offshore bei Wind Europe. Insgesamt investierte die Branche 16,6 Mrd. Euro, davon 4,8 Mrd. in den Zubau. Die Kapitalkosten pro installiertes Megawatt lägen im Schnitt bei 3,5 Mio. Euro, sagte Ramirez.

Industrie braucht sichere und bezahlbare Energie

Die Windkraft lasse neue Jobs entstehen und trage zur Entwicklung strukturschwacher Küstenregionen bei, wirbt die Branche. Wichtig sei allerdings ein kontinuierlicher und verlässlicher Markt, damit die Wertschöpfung im Land erfolgt, so der Appell an die nationalen Regierungen der EU. Europa muss aktuell noch 58 % seines Energiebedarfs importieren. Daher schaden Preiserhöhungen wie bei den fossilen Brennstoffen seit dem vergangenen Herbst den Volkswirtschaften erheblich. Mehr erneuerbare Energien „made in Europe“ verringern die Abhängigkeit von unzuverlässigen Quellen, sind kostengünstiger und helfen, die Klimaschutzverpflichtungen zu erfüllen, wirbt die Windbranche.

Dabei hat sie auch die Industrie auf ihrer Seite, denn besonders energieintensive Branchen wie Stahl und Chemie leiden unter hohen Preisen, Emissionsabgaben und Versorgungsengpässen. So sagte Marco Mensink, Generaldirektor des europäischen Chemieverbands Cefic: „Windenergie ist unerlässlich, um die enormen Mengen an erneuerbarem Strom zu liefern, die die Chemiebranche benötigt − zuverlässig und kostengünstig.“ Da Europa derzeit noch nicht genug neue Kapazitäten hinzufügt, müssten Europäische Kommission und nationale Regierungen schnell handeln, forderte Mensink.

Für die europäische Stahlindustrie erklärte Eurofer-Generaldirektor Axel Eggert, dass die Branche sich um eine CO2-neutrale Produktion in Europa bemühe. Das aber erfordere bis 2030 etwa 150 Mrd. kWh erneuerbaren, erschwinglichen Strom, bis 2050 wären es dann 400 Mrd. kWh. „Wenn wir keinen schmutzigen Stahl nach Europa importieren wollen, muss die EU jetzt die heimische Produktion von Windenergie und anderen erneuerbaren Energien ausbauen“, appellierte Eggert.

Offshore-Windenergie ist ein Baustein, um fossile Energieträger zu ersetzen, weil Anlagen auf dem Meer beinahe zu jeder Stunde des Jahres Strom liefern und ähnlich hohe Betriebsstunden wie konventionelle Kraftwerke erreichen. Die Ausbeute beträgt im Schnitt das 2- bis 2,5-Fache von Windkraftanlagen an Land, mit Ausnahme extrem guter Küstenstandorte, wie Bernd Neddermann vom Deutschen Windenergie-Institut (Dewi) erläuterte. Naturschützer mahnen allerdings an, dass in Europa ein ordnungspolitischer Rahmen für den Ausbau von Offshore-Windenergie im Rahmen der ökologischen Tragfähigkeitsgrenzen und unter Berücksichtigung von Nullnutzungszonen fehlt. Zudem störten Lärm und Verkehr während der Bauarbeiten die Meeresbewohner.

Dienstag, 26.04.2022, 09:00 Uhr
Georg Eble / Susanne Harmsen

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