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Energie & Management > Klimaschutz - Europäisches Parlament sucht nach Kompromissen
Quelle: iStock / FrankyDeMeyer
Klimaschutz

Europäisches Parlament sucht nach Kompromissen

In Brüssel beginnen die Verhandlungen über den Klimapakt. Im Europäischen Parlament werden die ersten Kompromisse formuliert.
Die Reform und die Erweiterung des Emissionshandels (ETS) sind ein zentraler Bestandteil des Maßnahmenpaketes, das die EU-Kommission unter dem Namen "Fit for 55" im vergangenen Jahr vorgelegt hat. Damit sollen die Klimaziele, die sich die EU für 2030 und 2050 gesetzt hat, erreicht werden. Aber die Meinungen darüber zwischen den Abgeordneten gehen weit auseinander. Schon jetzt ist absehbar, dass es für die Vorschläge der Kommission in ihrer jetzigen Form keine Mehrheit gibt. Dem will der Berichterstatter des Europäischen Parlamentes, Peter Liese (CDU), mit einer Reihe von Kompromissen Rechnung tragen.

Einer der umstrittensten Punkte des Paketes ist der Aufbau eines neuen Emissionshandelssystems (ETS+) für den Verkehr und die Gebäudewirtschaft. Damit sollen in diesen Sektoren Anreize zur Senkung der CO2-Emissionen entstehen. Die Regierungen der osteuropäischen Länder, aber auch Frankreich oder Spanien lehnen diesen Ansatz ab: Sozial schwache Haushalte könnten die zusätzlichen Kosten nicht tragen. Im Europäischen Parlament führen die Grünen den Widerstand gegen das ETS+ an. Sie fürchten, hohe Kosten könnten den Klimaschutz politisch diskreditieren. Stattdessen sollte die EU strengere Abgaswerte für Pkw und Heizungssysteme beschließen.

Liese will den Mitgliedsstaaten, die ein Problem mit dem ETS+ haben, die Möglichkeit eröffnen, später einzusteigen. Die Einführung des ETS+ in der EU würde danach von 2026 auf 2025 vorgezogen. Einzelne Mitgliedsstaaten könnten das ETS+ aber erst 2028 einführen, sofern sie glaubhaft machen können, dass sie ihre Klimaziele bis dahin auf andere Weise erreichen. Darüber hinaus will Liese einen Unterschied zwischen privaten und gewerblichen Kunden machen. Mit Verboten alleine werde die EU ihre Klimaziele nicht erreichen. Er kommt damit vor allem den Liberalen entgegen, die unter einem starken französischen Einfluss stehen.

Wirksamere Anreize zur CO2-Senkung

In den bestehenden Emissionshandel für die Industrie und die Energiewirtschaft (ETS) will der Berichterstatter des Parlamentes wirksamere Anreize für die Senkung der Emissionen einbauen. So sollen Unternehmen, die keine fossilen Brennstoffe mehr verwenden, noch fünf Jahre lang kostenlose Emissionsrechte erhalten. Anlagen, die besonders klimafreundlich arbeiten, sollen einen Bonus erhalten, ineffiziente Anlagen würden weniger Gratiszertifikate bekommen.

Umstritten ist auch, ob energieintensive Branchen wie Stahl und Zement, die in Zukunft durch eine Grenzausgleichsabgabe (CBAM) geschützt werden, weiter Gratiszertifikate erhalten sollen. Die Kommission will den CBAM schrittweise über zehn Jahre einführen. Parallel dazu sollen die Gratiszertifikate jedes Jahr um 10 % zurückgeführt werden.

Die Lobbyisten der Industrie machen geltend, dass der CBAM nur innerhalb der EU einen gewissen Schutz vor der Konkurrenz aus Drittstaaten bietet. Auf dem Weltmarkt wären die europäischen Produkte durch die Kosten der Klimapolitik benachteiligt. Die kostenlose Zuteilung der Emissionsrechte dürfe erst dann beendet werden, wenn sich der CBAM als wirksam erwiesen habe. Liese will die Zertifikate, die der Industrie kostenlos zustehen, in eine "befristete Reserve" einbringen. Sie würden dann freigegeben, wenn sich der CBAM als weniger wirksam gegen die Verlagerung von Investitionen erweise als die Gratiszertifikate.

​Einbeziehung des Seeverkehrs vorverlegen

Der Berichterstatter will außerdem die Einbeziehung des Seeverkehrs in den Emissionshandel, die von der Kommission für 2026 vorgesehen ist, auf 2025 vorverlegen. Die Betreiber der Schiffe müssten dann für die Emissionen über die Hälfte der Strecke in einen europäischen Hafen, Emissionsrechte erwerben. Die Kommission soll darüber hinaus beauftragt werden, Abkommen mit Drittstaaten über eine Zusammenarbeit abzuschließen − mit dem Ziel, auch die Emissionen der anderen Hälfte des Seeweges in das ETS einzubeziehen.

Ob diese Vorschläge ausreichen, um eine Mehrheit für das Klimapaket herbeizuführen, ist nicht sicher. Die Einzelheiten seien jedoch verhandelbar, sagt Liese. Änderungsanträge zu seinem Bericht können bis Mitte Februar gestellt werden. Die erste Abstimmung im Umweltausschuss ist für Mitte Mai geplant, die Abstimmung im Plenum soll im Juni stattfinden. Aber auch dieser Zeitplan ist nicht in Stein gemeißelt.

Donnerstag, 13.01.2022, 14:30 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Klimaschutz - Europäisches Parlament sucht nach Kompromissen
Quelle: iStock / FrankyDeMeyer
Klimaschutz
Europäisches Parlament sucht nach Kompromissen
In Brüssel beginnen die Verhandlungen über den Klimapakt. Im Europäischen Parlament werden die ersten Kompromisse formuliert.
Die Reform und die Erweiterung des Emissionshandels (ETS) sind ein zentraler Bestandteil des Maßnahmenpaketes, das die EU-Kommission unter dem Namen "Fit for 55" im vergangenen Jahr vorgelegt hat. Damit sollen die Klimaziele, die sich die EU für 2030 und 2050 gesetzt hat, erreicht werden. Aber die Meinungen darüber zwischen den Abgeordneten gehen weit auseinander. Schon jetzt ist absehbar, dass es für die Vorschläge der Kommission in ihrer jetzigen Form keine Mehrheit gibt. Dem will der Berichterstatter des Europäischen Parlamentes, Peter Liese (CDU), mit einer Reihe von Kompromissen Rechnung tragen.

Einer der umstrittensten Punkte des Paketes ist der Aufbau eines neuen Emissionshandelssystems (ETS+) für den Verkehr und die Gebäudewirtschaft. Damit sollen in diesen Sektoren Anreize zur Senkung der CO2-Emissionen entstehen. Die Regierungen der osteuropäischen Länder, aber auch Frankreich oder Spanien lehnen diesen Ansatz ab: Sozial schwache Haushalte könnten die zusätzlichen Kosten nicht tragen. Im Europäischen Parlament führen die Grünen den Widerstand gegen das ETS+ an. Sie fürchten, hohe Kosten könnten den Klimaschutz politisch diskreditieren. Stattdessen sollte die EU strengere Abgaswerte für Pkw und Heizungssysteme beschließen.

Liese will den Mitgliedsstaaten, die ein Problem mit dem ETS+ haben, die Möglichkeit eröffnen, später einzusteigen. Die Einführung des ETS+ in der EU würde danach von 2026 auf 2025 vorgezogen. Einzelne Mitgliedsstaaten könnten das ETS+ aber erst 2028 einführen, sofern sie glaubhaft machen können, dass sie ihre Klimaziele bis dahin auf andere Weise erreichen. Darüber hinaus will Liese einen Unterschied zwischen privaten und gewerblichen Kunden machen. Mit Verboten alleine werde die EU ihre Klimaziele nicht erreichen. Er kommt damit vor allem den Liberalen entgegen, die unter einem starken französischen Einfluss stehen.

Wirksamere Anreize zur CO2-Senkung

In den bestehenden Emissionshandel für die Industrie und die Energiewirtschaft (ETS) will der Berichterstatter des Parlamentes wirksamere Anreize für die Senkung der Emissionen einbauen. So sollen Unternehmen, die keine fossilen Brennstoffe mehr verwenden, noch fünf Jahre lang kostenlose Emissionsrechte erhalten. Anlagen, die besonders klimafreundlich arbeiten, sollen einen Bonus erhalten, ineffiziente Anlagen würden weniger Gratiszertifikate bekommen.

Umstritten ist auch, ob energieintensive Branchen wie Stahl und Zement, die in Zukunft durch eine Grenzausgleichsabgabe (CBAM) geschützt werden, weiter Gratiszertifikate erhalten sollen. Die Kommission will den CBAM schrittweise über zehn Jahre einführen. Parallel dazu sollen die Gratiszertifikate jedes Jahr um 10 % zurückgeführt werden.

Die Lobbyisten der Industrie machen geltend, dass der CBAM nur innerhalb der EU einen gewissen Schutz vor der Konkurrenz aus Drittstaaten bietet. Auf dem Weltmarkt wären die europäischen Produkte durch die Kosten der Klimapolitik benachteiligt. Die kostenlose Zuteilung der Emissionsrechte dürfe erst dann beendet werden, wenn sich der CBAM als wirksam erwiesen habe. Liese will die Zertifikate, die der Industrie kostenlos zustehen, in eine "befristete Reserve" einbringen. Sie würden dann freigegeben, wenn sich der CBAM als weniger wirksam gegen die Verlagerung von Investitionen erweise als die Gratiszertifikate.

​Einbeziehung des Seeverkehrs vorverlegen

Der Berichterstatter will außerdem die Einbeziehung des Seeverkehrs in den Emissionshandel, die von der Kommission für 2026 vorgesehen ist, auf 2025 vorverlegen. Die Betreiber der Schiffe müssten dann für die Emissionen über die Hälfte der Strecke in einen europäischen Hafen, Emissionsrechte erwerben. Die Kommission soll darüber hinaus beauftragt werden, Abkommen mit Drittstaaten über eine Zusammenarbeit abzuschließen − mit dem Ziel, auch die Emissionen der anderen Hälfte des Seeweges in das ETS einzubeziehen.

Ob diese Vorschläge ausreichen, um eine Mehrheit für das Klimapaket herbeizuführen, ist nicht sicher. Die Einzelheiten seien jedoch verhandelbar, sagt Liese. Änderungsanträge zu seinem Bericht können bis Mitte Februar gestellt werden. Die erste Abstimmung im Umweltausschuss ist für Mitte Mai geplant, die Abstimmung im Plenum soll im Juni stattfinden. Aber auch dieser Zeitplan ist nicht in Stein gemeißelt.

Donnerstag, 13.01.2022, 14:30 Uhr
Tom Weingärtner

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