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Energie & Management > Gasnetz - Europäischer Gaseinkauf vor dem Aus?
Quelle: Fotolia / tomas
Gasnetz

Europäischer Gaseinkauf vor dem Aus?

Führende Verbände der internationalen Gaswirtschaft und des Energiehandels haben die EU aufgefordert, den gemeinsamen Gaseinkauf auslaufen zu lassen.
In einem Brief an die Europäische Kommission und die Botschafter der Mitgliedsstaaten raten vier Verbände davon ab, den abgestimmten Einkauf von Gas über die von der Kommission betriebene Plattform Aggregate EU zu einer Dauereinrichtung zu machen. In jedem Fall müsse die Beteiligung am gemeinsamen Gaseinkauf freiwillig bleiben, schreiben darin die Vereinigung der europäischen Öl- und Gasproduzenten (IOGP Europe), die Europäische Vereinigung der Energiehändler (Efet), die Vereinigung der Europäischen Energiebörsen (Europex) und die Internationale Gasunion (IGU).

Ãœberlegungen, einen vergleichbaren Mechanismus für Wasserstoff oder Kohlenwasserstoff-Derivate zu etablieren, halten die vier Verbünde für verfrüht. Zur Begründung verweisen sie auf das geringe Volumen, das bislang über die Plattform gehandelt werde. Mit 23 Milliarden Kubikmetern im ersten Halbjahr 2023 würde über Aggregate EU weniger als 1 Prozent der Menge abgewickelt, die im gleichen Zeitraum über den niederländischen Virtuellen Handelspunkt TTF gehandelt wurde. Dort waren es zeitgleich 2.500 Milliarden Kubikmeter gewesen. „Erfahrene Käufer und Verkäufer bevorzugen die existierenden und etablierten Verfahren und Eneergiebörsen“, heißt es in dem Schreiben.

Die Verbände erinnern daran, dass die Plattform als befristete Maßnahme gedacht war, um die Versorgungskrise zu bewältigen. Der Gashandel bleibe zwar angespannt, von einer akuten Krise könne aber nicht mehr die Rede sein: „Deswegen gibt es keine Rechtfertigung mehr für eine Verlängerung der Plattform als Krisenmaßnahme.“

Die Gasbranche und die Energiehändler verweisen auf den Bericht der europäischen Regulierungsbehörde ACER vom Juni dieses Jahres, nach dem die Preise auf dem Gasmarkt deutlich gefallen seien und sich die Versorgungslage für den bevorstehenden Winter weitgehend normalisiert habe. Es sei daher an der Zeit, zu den Regeln des Energiebinnenmarktes zurückzukehren, der einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Krise geleistet habe: „Preissignale haben dazu beigetragen, das LNG-Angebot von 95 Milliarden Kubikmetern 2021 auf 160 Milliarden Kubikmeter 2022 zu erhöhen und nahezu das gesamte russische
 
Pipelinegas zu ersetzen. Und Investitionen in die Transportkapazität haben dafür gesorgt, dass Preisspitzen aufgrund von Engpässen abgebaut wurden.“

So verteidigt die Kommission den gemeinsamen Einkauf

Tatsächlich werde der gemeinsame Einkauf durch die Plattform nicht erleichtert. Die Teilnehmer klagten über eine komplexe Rechtslage und komplizierte Verfahren. Die EU-Kommission verwies auf Anfrage von E&M darauf, dass die Plattform stärker genutzt werde, als man erwartet habe. Einwände kämen vor allem von den etablierten Händlern, die an der Aufrechterhaltung des Status quo besonders interessiert seien.

Für neue Teilnehmer am Gashandel stelle die Plattform eine zusätzliche Option dar. Die Kommission hatte die dritte Aggregierungsrunde in der Vorwoche eingeleitet. Interessierte Unternehmen konnten ihr Interesse, sich am gemeinsamen Einkauf zu beteiligen, bis zum 27. September anmelden. Für die so gebündelte Nachfrage werden dann Anbieter auf dem internationalen Gasmarkt gesucht. Die Lieferungen von Gas aus der dritten Runde sollen zwischen Dezember 2023 und März 2024 erfolgen.

Der gemeinsame Gaseinkauf ist zwar bis Ende des Jahres befristet, in Brüssel wird jedoch über eine Verlängerung nachgedacht. Eine mehr oder weniger dauerhafte Plattform könnte in das Gaspaket eingefügt werden, das gegenwärtig im Europäischen Parlament und von den Energieministern beraten wird, sagte Kommissionssprecher Tim McPhie in Brüssel.

Eine Empfehlung der Kommission über die Fortsetzung des gemeinsamen Gaseinkaufs wird Anfang Oktober erwartet. Das Energieinstitut der Universität Oxford (OIES) hatte vor kurzem auf die Risiken einer Verlängerung des gemeinsamen Einkaufs unter Führung der Kommission hingewiesen. Es sei zwar zu früh, um zu sagen, ob Aggregate EU ein Erfolgsmodell sei und ob die teilnehmenden Unternehmen günstiger einkauften als außerhalb der Plattform. Es bestehe jedoch das Risiko, dass die Plattform den Wettbewerb innerhalb der EU verzerre. Bislang sei das nicht der Fall, die Gefahr steige jedoch mit der Dauer der Einrichtung.

Mittwoch, 27.09.2023, 17:13 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Gasnetz - Europäischer Gaseinkauf vor dem Aus?
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Gasnetz
Europäischer Gaseinkauf vor dem Aus?
Führende Verbände der internationalen Gaswirtschaft und des Energiehandels haben die EU aufgefordert, den gemeinsamen Gaseinkauf auslaufen zu lassen.
In einem Brief an die Europäische Kommission und die Botschafter der Mitgliedsstaaten raten vier Verbände davon ab, den abgestimmten Einkauf von Gas über die von der Kommission betriebene Plattform Aggregate EU zu einer Dauereinrichtung zu machen. In jedem Fall müsse die Beteiligung am gemeinsamen Gaseinkauf freiwillig bleiben, schreiben darin die Vereinigung der europäischen Öl- und Gasproduzenten (IOGP Europe), die Europäische Vereinigung der Energiehändler (Efet), die Vereinigung der Europäischen Energiebörsen (Europex) und die Internationale Gasunion (IGU).

Ãœberlegungen, einen vergleichbaren Mechanismus für Wasserstoff oder Kohlenwasserstoff-Derivate zu etablieren, halten die vier Verbünde für verfrüht. Zur Begründung verweisen sie auf das geringe Volumen, das bislang über die Plattform gehandelt werde. Mit 23 Milliarden Kubikmetern im ersten Halbjahr 2023 würde über Aggregate EU weniger als 1 Prozent der Menge abgewickelt, die im gleichen Zeitraum über den niederländischen Virtuellen Handelspunkt TTF gehandelt wurde. Dort waren es zeitgleich 2.500 Milliarden Kubikmeter gewesen. „Erfahrene Käufer und Verkäufer bevorzugen die existierenden und etablierten Verfahren und Eneergiebörsen“, heißt es in dem Schreiben.

Die Verbände erinnern daran, dass die Plattform als befristete Maßnahme gedacht war, um die Versorgungskrise zu bewältigen. Der Gashandel bleibe zwar angespannt, von einer akuten Krise könne aber nicht mehr die Rede sein: „Deswegen gibt es keine Rechtfertigung mehr für eine Verlängerung der Plattform als Krisenmaßnahme.“

Die Gasbranche und die Energiehändler verweisen auf den Bericht der europäischen Regulierungsbehörde ACER vom Juni dieses Jahres, nach dem die Preise auf dem Gasmarkt deutlich gefallen seien und sich die Versorgungslage für den bevorstehenden Winter weitgehend normalisiert habe. Es sei daher an der Zeit, zu den Regeln des Energiebinnenmarktes zurückzukehren, der einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Krise geleistet habe: „Preissignale haben dazu beigetragen, das LNG-Angebot von 95 Milliarden Kubikmetern 2021 auf 160 Milliarden Kubikmeter 2022 zu erhöhen und nahezu das gesamte russische
 
Pipelinegas zu ersetzen. Und Investitionen in die Transportkapazität haben dafür gesorgt, dass Preisspitzen aufgrund von Engpässen abgebaut wurden.“

So verteidigt die Kommission den gemeinsamen Einkauf

Tatsächlich werde der gemeinsame Einkauf durch die Plattform nicht erleichtert. Die Teilnehmer klagten über eine komplexe Rechtslage und komplizierte Verfahren. Die EU-Kommission verwies auf Anfrage von E&M darauf, dass die Plattform stärker genutzt werde, als man erwartet habe. Einwände kämen vor allem von den etablierten Händlern, die an der Aufrechterhaltung des Status quo besonders interessiert seien.

Für neue Teilnehmer am Gashandel stelle die Plattform eine zusätzliche Option dar. Die Kommission hatte die dritte Aggregierungsrunde in der Vorwoche eingeleitet. Interessierte Unternehmen konnten ihr Interesse, sich am gemeinsamen Einkauf zu beteiligen, bis zum 27. September anmelden. Für die so gebündelte Nachfrage werden dann Anbieter auf dem internationalen Gasmarkt gesucht. Die Lieferungen von Gas aus der dritten Runde sollen zwischen Dezember 2023 und März 2024 erfolgen.

Der gemeinsame Gaseinkauf ist zwar bis Ende des Jahres befristet, in Brüssel wird jedoch über eine Verlängerung nachgedacht. Eine mehr oder weniger dauerhafte Plattform könnte in das Gaspaket eingefügt werden, das gegenwärtig im Europäischen Parlament und von den Energieministern beraten wird, sagte Kommissionssprecher Tim McPhie in Brüssel.

Eine Empfehlung der Kommission über die Fortsetzung des gemeinsamen Gaseinkaufs wird Anfang Oktober erwartet. Das Energieinstitut der Universität Oxford (OIES) hatte vor kurzem auf die Risiken einer Verlängerung des gemeinsamen Einkaufs unter Führung der Kommission hingewiesen. Es sei zwar zu früh, um zu sagen, ob Aggregate EU ein Erfolgsmodell sei und ob die teilnehmenden Unternehmen günstiger einkauften als außerhalb der Plattform. Es bestehe jedoch das Risiko, dass die Plattform den Wettbewerb innerhalb der EU verzerre. Bislang sei das nicht der Fall, die Gefahr steige jedoch mit der Dauer der Einrichtung.

Mittwoch, 27.09.2023, 17:13 Uhr
Tom Weingärtner

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