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Energie & Management > Europaeische Union - Europäische Elektrizitätsbranche will keine Experimente
Quelle: iStock / FrankyDeMeyer
Europaeische Union

Europäische Elektrizitätsbranche will keine Experimente

Die europäische Elektrizitätswirtschaft warnt die EU-Kommission vor Experimenten auf dem Energiebinnenmarkt.
Man sei froh darüber, dass die Kommission dem politischen Druck widerstanden und auf eine grundlegende Reform der Strommärkte verzichtet habe, sagte Leonhard Birnbaum, der amtierende Präsident des Dachverbandes der Elektrizitätsbranche Eurelectric, in Brüssel: „Insofern ist das Glas halb voll.“

Wichtige Fragen habe die Kommission gleichwohl nicht beantwortet. Das betreffe insbesondere die Engpässe in der Infrastruktur: „Die Ziele bei den erneuerbaren Energien können wir auch ein Jahr später erreichen, aber Engpässe im Leitungsnetz würden alles blockieren.“ Langfristige Lieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) in Verbindung mit Differenzverträgen (Contracts for Difference, CfD) könnten einen Beitrag zu mehr Investitionssicherheit leisten, sagte Birnbaum weiter, wenn dadurch der Terminhandel nicht beeinträchtigt werde. Es sei jedoch keine Lösung, nur noch CfDs zur Förderung bestimmter Technologien zuzulassen. Damit würden die Terminmärkte sofort trocken gelegt. CfDs sollten auch nur für neue Anlagen zum Einsatz kommen.

Skeptisch sei man bei Eurelectric unter anderem auch über den Vorschlag, virtuelle Handelsplätze („virtual hubs“) einzurichten. Es sei keineswegs sicher, dass dadurch die Liquidität im Stromhandel erhöht werde. Der deutsche Markt werde in jedem Fall weniger liquide − und ob die Nachbarländer davon profitierten, sei eine offene Frage. Die Folge wäre ein schlechteres Preissignal für alle.

Ende der Notmaßnahmen angemahnt

Der oberste Lobbyist der Stromwirtschaft mahnte die Abschaffung der Notmaßnahmen an, die im letzten Jahr zur Überwindung der Energiekrise ergriffen worden waren. Maßnahmen, an denen die Union festhalten wolle, müssten EU-weit harmonisiert werden. Um der Spekulation zu begegnen, empfielt er höhere Anforderungen an die Marktteilnehmer.

Besorgt sei die Branche auch darüber, dass Anbieter zu Sicherungs-geschäften („hedging“) oder zur Lastkappung („peak shaving“) verpflichtet werden sollten. Mit diesen Instrumenten gebe es praktisch keine Erfahrung. In Zweifelsfällen sollte auf den Einsatz neuer Instrumente verzichtet werden. Birnbaum warf der Kommission vor, die Auswirkungen ihrer Vorschläge nicht ausreichend geprüft zu haben. Das werde am Ende zulasten der Verbraucher gehen.

Eurelectric selbst legte in Brüssel eine eigene Analyse der europäischen Elektrizitätsmärkte und Empfehlungen für ihre Reform vor. Danach werden PPAs ebenso wie Subventionen weiter eine entscheidende Rolle spielen, um das mit den erneuerbaren Energien verbundenen Risiko für Investoren zu reduzieren. In vielen EU-Staaten würden PPA jedoch durch rechtliche und/oder regulatorische Hürden sowie geringe Transparenz behindert. Mehr als die Hälfte der PPAs in der EU entfielen deswegen auf Spanien und die skandinavischen Länder, wo die Rahmenbedingungen besonders günstig seien. Mehr als 60 Prozent der privaten, langfristigen Lieferverträge würden außerdem mit der Schwerindustrie und IT-Firmen abgeschlossen.

Ein weiteres Problem besteht nach Ansicht von Eurelectric darin, dass der steigende Marktanteil von subventioniertem Strom aus Wind und Sonne zu Wettbewerbsverzerrungen führt, die mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Die Energiekrise habe gezeigt, dass Eingriffe in den Markt unter bestimmten Bedingungen weitere Eingriffe nach sich zögen.

Marktbasierter Rahmen für Investitionen notwendig

Der Versuch, einen Teil der krisenbedingt hohen Gewinne abzuschöpfen, habe die Risiken für die Investoren erhöht. Die Anreize für Investoren seien gegenwärtig nicht groß genug, um die Ziele des Programms REPowerEU bis 2030 zu erreichen: 510.000 MW Wind- und 592.000 MW Solarenergie. 2020 betrug die installierte Windleistung 175.000 MW und die der PV-Anlagen 100.000 MW.

Um die Elektrizitätswirtschaft fit zu machen für die erneuerbaren Energien empfiehlt ihr Dachverband vor allem einen marktbasierten Rahmen für Investitionen. Das sei die wichtigste Voraussetzung für Investitionen in emissionsarme Technologien, in flexible Ressourcen wie Speicher oder die Nachfragesteuerung und in den Ausbau der Netze. Investoren müssten wählen können, wie sie ihre Projekte finanzieren wollten. Unverzichtbare Elemente für den Elektrizitätsmarkt der Zukunft sind nach Ansicht von Eurelectric:
  • Kapazitätsmechanismen, um die Versorgungssicherheit jederzeit zu gewährleisten,
  • private und langfristeige Lieferverträge wie PPAs, aber auch
  • öffentliche Förderverträge zur Finanzierung der erneuerbaren Energien. Beides müsse so konzipiert sein, dass die Risiken beider Parteien durch Transparenz und Standardisierung reduziert würden.
  • Schließlich müssten Sicherungsgeschäfte durch gut funktionierende Terminmärkte erleichtert werden.
  • Auch die Verbraucher müssten von einem neuen Strommarktdesign profitieren. Sie müssten besser informiert werden, um sich vor Preisauschlägen zu schützen.
  • Gleichzeitig müssten sie in die Lage versetzt werden, eine aktivere Rolle im Markt zu spielen und ihre Nachfrage an das Angebot anzupassen.
  • Mehr Informationen würden darüber hinaus benötigt, um das System weiter zu entwickeln. Die Umstellung auf erneuerbare und emissionsarme Technologien bringe neue Möglichkeiten, die nur identifiziert und genutzt werden könnten, wenn die Funktionsweise des Systems transparent und verstehbar sei.
Die vollständige Analyse von Eurelectric ist im Internet abrufbar.

Donnerstag, 30.03.2023, 09:00 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - Europäische Elektrizitätsbranche will keine Experimente
Quelle: iStock / FrankyDeMeyer
Europaeische Union
Europäische Elektrizitätsbranche will keine Experimente
Die europäische Elektrizitätswirtschaft warnt die EU-Kommission vor Experimenten auf dem Energiebinnenmarkt.
Man sei froh darüber, dass die Kommission dem politischen Druck widerstanden und auf eine grundlegende Reform der Strommärkte verzichtet habe, sagte Leonhard Birnbaum, der amtierende Präsident des Dachverbandes der Elektrizitätsbranche Eurelectric, in Brüssel: „Insofern ist das Glas halb voll.“

Wichtige Fragen habe die Kommission gleichwohl nicht beantwortet. Das betreffe insbesondere die Engpässe in der Infrastruktur: „Die Ziele bei den erneuerbaren Energien können wir auch ein Jahr später erreichen, aber Engpässe im Leitungsnetz würden alles blockieren.“ Langfristige Lieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) in Verbindung mit Differenzverträgen (Contracts for Difference, CfD) könnten einen Beitrag zu mehr Investitionssicherheit leisten, sagte Birnbaum weiter, wenn dadurch der Terminhandel nicht beeinträchtigt werde. Es sei jedoch keine Lösung, nur noch CfDs zur Förderung bestimmter Technologien zuzulassen. Damit würden die Terminmärkte sofort trocken gelegt. CfDs sollten auch nur für neue Anlagen zum Einsatz kommen.

Skeptisch sei man bei Eurelectric unter anderem auch über den Vorschlag, virtuelle Handelsplätze („virtual hubs“) einzurichten. Es sei keineswegs sicher, dass dadurch die Liquidität im Stromhandel erhöht werde. Der deutsche Markt werde in jedem Fall weniger liquide − und ob die Nachbarländer davon profitierten, sei eine offene Frage. Die Folge wäre ein schlechteres Preissignal für alle.

Ende der Notmaßnahmen angemahnt

Der oberste Lobbyist der Stromwirtschaft mahnte die Abschaffung der Notmaßnahmen an, die im letzten Jahr zur Überwindung der Energiekrise ergriffen worden waren. Maßnahmen, an denen die Union festhalten wolle, müssten EU-weit harmonisiert werden. Um der Spekulation zu begegnen, empfielt er höhere Anforderungen an die Marktteilnehmer.

Besorgt sei die Branche auch darüber, dass Anbieter zu Sicherungs-geschäften („hedging“) oder zur Lastkappung („peak shaving“) verpflichtet werden sollten. Mit diesen Instrumenten gebe es praktisch keine Erfahrung. In Zweifelsfällen sollte auf den Einsatz neuer Instrumente verzichtet werden. Birnbaum warf der Kommission vor, die Auswirkungen ihrer Vorschläge nicht ausreichend geprüft zu haben. Das werde am Ende zulasten der Verbraucher gehen.

Eurelectric selbst legte in Brüssel eine eigene Analyse der europäischen Elektrizitätsmärkte und Empfehlungen für ihre Reform vor. Danach werden PPAs ebenso wie Subventionen weiter eine entscheidende Rolle spielen, um das mit den erneuerbaren Energien verbundenen Risiko für Investoren zu reduzieren. In vielen EU-Staaten würden PPA jedoch durch rechtliche und/oder regulatorische Hürden sowie geringe Transparenz behindert. Mehr als die Hälfte der PPAs in der EU entfielen deswegen auf Spanien und die skandinavischen Länder, wo die Rahmenbedingungen besonders günstig seien. Mehr als 60 Prozent der privaten, langfristigen Lieferverträge würden außerdem mit der Schwerindustrie und IT-Firmen abgeschlossen.

Ein weiteres Problem besteht nach Ansicht von Eurelectric darin, dass der steigende Marktanteil von subventioniertem Strom aus Wind und Sonne zu Wettbewerbsverzerrungen führt, die mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Die Energiekrise habe gezeigt, dass Eingriffe in den Markt unter bestimmten Bedingungen weitere Eingriffe nach sich zögen.

Marktbasierter Rahmen für Investitionen notwendig

Der Versuch, einen Teil der krisenbedingt hohen Gewinne abzuschöpfen, habe die Risiken für die Investoren erhöht. Die Anreize für Investoren seien gegenwärtig nicht groß genug, um die Ziele des Programms REPowerEU bis 2030 zu erreichen: 510.000 MW Wind- und 592.000 MW Solarenergie. 2020 betrug die installierte Windleistung 175.000 MW und die der PV-Anlagen 100.000 MW.

Um die Elektrizitätswirtschaft fit zu machen für die erneuerbaren Energien empfiehlt ihr Dachverband vor allem einen marktbasierten Rahmen für Investitionen. Das sei die wichtigste Voraussetzung für Investitionen in emissionsarme Technologien, in flexible Ressourcen wie Speicher oder die Nachfragesteuerung und in den Ausbau der Netze. Investoren müssten wählen können, wie sie ihre Projekte finanzieren wollten. Unverzichtbare Elemente für den Elektrizitätsmarkt der Zukunft sind nach Ansicht von Eurelectric:
  • Kapazitätsmechanismen, um die Versorgungssicherheit jederzeit zu gewährleisten,
  • private und langfristeige Lieferverträge wie PPAs, aber auch
  • öffentliche Förderverträge zur Finanzierung der erneuerbaren Energien. Beides müsse so konzipiert sein, dass die Risiken beider Parteien durch Transparenz und Standardisierung reduziert würden.
  • Schließlich müssten Sicherungsgeschäfte durch gut funktionierende Terminmärkte erleichtert werden.
  • Auch die Verbraucher müssten von einem neuen Strommarktdesign profitieren. Sie müssten besser informiert werden, um sich vor Preisauschlägen zu schützen.
  • Gleichzeitig müssten sie in die Lage versetzt werden, eine aktivere Rolle im Markt zu spielen und ihre Nachfrage an das Angebot anzupassen.
  • Mehr Informationen würden darüber hinaus benötigt, um das System weiter zu entwickeln. Die Umstellung auf erneuerbare und emissionsarme Technologien bringe neue Möglichkeiten, die nur identifiziert und genutzt werden könnten, wenn die Funktionsweise des Systems transparent und verstehbar sei.
Die vollständige Analyse von Eurelectric ist im Internet abrufbar.

Donnerstag, 30.03.2023, 09:00 Uhr
Tom Weingärtner

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