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Energie & Management > Stromnetz - EU-Stromerzeugung so CO2-arm wie noch nie
Quelle: Fotolia / Gina Sanders
Stromnetz

EU-Stromerzeugung so CO2-arm wie noch nie

Die europäische Stromwirtschaft ist 2022 auf dem Weg zur Klimaneutralität vorangekommen - aber nicht genug, um die Klimaziele der EU bis 2030 zu erreichen, so Eurelectric.
Der Dachverband der EU-Elektrizitätsbranche, Eurlelectric, zog am 21. September in Brüssel eine gemischte Bilanz. Nach den "beispiellosen Preissprüngen und politischen Interventionen" von 2022 gebe es positive Trends, sagte der Generalsekretär von Eurelectric, Kristian Ruby bei der Vorstellung des „Powerbarometers 23“.

Der Ausbau von Netz und Speicherkapazität halten nicht mit der steigenden Stromnachfrage Schritt. 40 Prozent der Netzinfrastruktur in der EU seien älter als 40 Jahre und entsprächen deswegen nicht mehr den Erfordernissen einer schwankenden Erzeugung aus Wind und Sonne.

Die Digitalisierung der europäischen Verteilnetze ist in den letzten Jahren vorangekommen. Ende letzten Jahres hatten 56 Prozent der Haushalte in der EU einen Smart Meter, der Netzbetreiber beim Engpassmanagement unterstützt.

​Deutschland Schlusslicht bei Smart Metern

Allerdings gibt es dabei ein ausgeprägtes Südwest-Nordost-Gefälle: Während in Spanien, den skandinavischen Ländern, Estland, Lettland und Italien fast jeder Verbraucher mit einem Smart Meter ausgerüstet ist, sind es in Österreich nur 65 Prozent, in Polen 22 Prozent und im Südosten der Union weniger als 10 Prozent. Schlusslicht ist Deutschland mit weniger als 1 Prozent.

Die Investitionen in den Netzausbau stiegen zwar von 2021 bis 2022 um 8 Prozent, nötig wäre aber das Zehnfache gewesen, heißt es im Powerbarometer. Die Autoren gehen davon aus, dass für jeden Euro, der in die Erzeugung investiert wird, 0,67 Euro in das Netz fließen müssten. Zurzeit seien es nur 0,30 Euro.

Bei 208 g CO2/kWh angelangt

Zu den positiven Trends rechnet Ruby den Rückgang des Gasverbrauchs um 19 Prozent und einen massiven Wechsel der Verbraucher zu elektrischen Heizsystemen. Die Strompreise im Großhandel hätten sich seit 2022 und lägen inzwischen wieder bei etwa 100 Euro/MWh. Im vorigen Jahr sei der EU-Durchschnitt auf 227 Euro/MWh gestiegen. Das ist mit Abstand der bisher höchste Jahreswert überhaupt. Im Einzelhandel sei Strom im Durchschnitt der EU etwa ein Drittel billiger als auf dem Höhepunkt der Krise vor einem Jahr.

Die EU-Stromproduktion wurde vorübergehend emissionsintensiver: Sie lag 2022 (Januar bis August) bei 245 g/kWh, erreichte mit 208 ​g/kWh im gleichen Zeitraum des laufenden Jahres jedoch ein neues Tief. Damit ist die Branche zum Trend von vor der Krise zurückgekehrt. Das würde aber nicht reichen, um die selbst gesteckten Klimaziele (2030: 71 ​g/kWh, 2040: Klimaneutralität) zu erreichen.

Die Elektrifizierung des Verkehrs mache, so Ruby weiter, deutliche Fortschritte, mit einem Anteil an den neu zugelassenen Pkw von 21 Prozent und an den Bussen von 14 Prozent. Die Ladeinfrastruktur hinke jedoch genauso hinterher wie die Investitionen in die Stromnetze: "Wir benötigen mehr Leitungen, mehr Digitalisierung und eine größere Klimaresilienz (...). Dies erfordert eine Änderung des regulatorischen Ansatzes. Netzbetreibern sollte erlaubt werden, vorausschauende Investitionen zu tätigen, damit wir uns auf eine verstärkte Elektrifizierung vorbereiten können." Heimische, saubere und erneuerbare Elektrifizierung bleibe die Antwort auf die Herausforderung der Dekarbonisierung. Dazu sei jedoch eine bessere Infrastruktur nötig.

Ruby beklagte die Interventionen der Politik in die Energiemärkte seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges. Während die Gewinne im Öl- und Gasgeschäft um 268 Prozent (gegenüber dem Durchschnitt 2017 bis 2021) gestiegen seien, hätten die der Stromversorger nicht zuletzt wegen politischer Eingriffe nur um 25 Prozent zugelegt.

In der Folge seien die Investitionen in neue Windkraftanlagen gegenüber dem Vorjahr um 59 Prozent​ eingebrochen, die Kapazität der unterzeichneten PPA sei 2022 um 75 Prozent geringer ausgefallen als 2021.

Höhere Strompreise behindern Elektrifizierung

Die Strompreise liegen laut Eurelectric immer noch deutlich über dem Niveau von 2019, dem letzten „normalen Jahr“. Das behindere die Elektrifizierung, die in den letzten Jahren kaum vorangekommen sei und 2022 knapp 23 Prozent erreichte. Um die Klimaziele der EU zu erreichen, müssen 2050 laut Eurelectric mehr als zwei Drittel des Energiebedarfs durch Strom gedeckt werden.

Die Zahl der öffentlichen Ladestellen für Elektroautos steige zwar, sagte Ruby, gegenwärtig um 35.000 pro Quartal, die anvisierten 3,5 Millionen bis 2030 werde man in diesem Tempo aber weit verfehlen. Hinzu komme, dass die Ladestationen ungleichmäßig in der EU verteilt seien. Ã„hnlich sehe es bei Wärmepumpen aus. Anfang des Jahres gab es in der EU 20 Millionen, 2030 sollen es 55 Millionen sein.

Um Strom für die große Zahl neuer Verbraucher bereitzustellen, müssten neue Kraftwerke erheblich schneller errichtet werden. Bis 2030 würden 605.000 MW erneuerbare Energien zusätzlich gebraucht. Auch hier reiche der bestehende Trend beim Ausbau von Windkraft- und PV-Anlagen nicht aus.
 
Allein bei Windrädern spricht Eurelectric vom einem Antragsstau von 80.000 MW. Hinzu kommen Engpässe bei wichtigen Rohstoffen. Bei Eurelectric hofft man, dass die „grüne Industriepolitik“ der EU hier Abhilfe schafft.

Montag, 25.09.2023, 14:47 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Stromnetz - EU-Stromerzeugung so CO2-arm wie noch nie
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Stromnetz
EU-Stromerzeugung so CO2-arm wie noch nie
Die europäische Stromwirtschaft ist 2022 auf dem Weg zur Klimaneutralität vorangekommen - aber nicht genug, um die Klimaziele der EU bis 2030 zu erreichen, so Eurelectric.
Der Dachverband der EU-Elektrizitätsbranche, Eurlelectric, zog am 21. September in Brüssel eine gemischte Bilanz. Nach den "beispiellosen Preissprüngen und politischen Interventionen" von 2022 gebe es positive Trends, sagte der Generalsekretär von Eurelectric, Kristian Ruby bei der Vorstellung des „Powerbarometers 23“.

Der Ausbau von Netz und Speicherkapazität halten nicht mit der steigenden Stromnachfrage Schritt. 40 Prozent der Netzinfrastruktur in der EU seien älter als 40 Jahre und entsprächen deswegen nicht mehr den Erfordernissen einer schwankenden Erzeugung aus Wind und Sonne.

Die Digitalisierung der europäischen Verteilnetze ist in den letzten Jahren vorangekommen. Ende letzten Jahres hatten 56 Prozent der Haushalte in der EU einen Smart Meter, der Netzbetreiber beim Engpassmanagement unterstützt.

​Deutschland Schlusslicht bei Smart Metern

Allerdings gibt es dabei ein ausgeprägtes Südwest-Nordost-Gefälle: Während in Spanien, den skandinavischen Ländern, Estland, Lettland und Italien fast jeder Verbraucher mit einem Smart Meter ausgerüstet ist, sind es in Österreich nur 65 Prozent, in Polen 22 Prozent und im Südosten der Union weniger als 10 Prozent. Schlusslicht ist Deutschland mit weniger als 1 Prozent.

Die Investitionen in den Netzausbau stiegen zwar von 2021 bis 2022 um 8 Prozent, nötig wäre aber das Zehnfache gewesen, heißt es im Powerbarometer. Die Autoren gehen davon aus, dass für jeden Euro, der in die Erzeugung investiert wird, 0,67 Euro in das Netz fließen müssten. Zurzeit seien es nur 0,30 Euro.

Bei 208 g CO2/kWh angelangt

Zu den positiven Trends rechnet Ruby den Rückgang des Gasverbrauchs um 19 Prozent und einen massiven Wechsel der Verbraucher zu elektrischen Heizsystemen. Die Strompreise im Großhandel hätten sich seit 2022 und lägen inzwischen wieder bei etwa 100 Euro/MWh. Im vorigen Jahr sei der EU-Durchschnitt auf 227 Euro/MWh gestiegen. Das ist mit Abstand der bisher höchste Jahreswert überhaupt. Im Einzelhandel sei Strom im Durchschnitt der EU etwa ein Drittel billiger als auf dem Höhepunkt der Krise vor einem Jahr.

Die EU-Stromproduktion wurde vorübergehend emissionsintensiver: Sie lag 2022 (Januar bis August) bei 245 g/kWh, erreichte mit 208 ​g/kWh im gleichen Zeitraum des laufenden Jahres jedoch ein neues Tief. Damit ist die Branche zum Trend von vor der Krise zurückgekehrt. Das würde aber nicht reichen, um die selbst gesteckten Klimaziele (2030: 71 ​g/kWh, 2040: Klimaneutralität) zu erreichen.

Die Elektrifizierung des Verkehrs mache, so Ruby weiter, deutliche Fortschritte, mit einem Anteil an den neu zugelassenen Pkw von 21 Prozent und an den Bussen von 14 Prozent. Die Ladeinfrastruktur hinke jedoch genauso hinterher wie die Investitionen in die Stromnetze: "Wir benötigen mehr Leitungen, mehr Digitalisierung und eine größere Klimaresilienz (...). Dies erfordert eine Änderung des regulatorischen Ansatzes. Netzbetreibern sollte erlaubt werden, vorausschauende Investitionen zu tätigen, damit wir uns auf eine verstärkte Elektrifizierung vorbereiten können." Heimische, saubere und erneuerbare Elektrifizierung bleibe die Antwort auf die Herausforderung der Dekarbonisierung. Dazu sei jedoch eine bessere Infrastruktur nötig.

Ruby beklagte die Interventionen der Politik in die Energiemärkte seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges. Während die Gewinne im Öl- und Gasgeschäft um 268 Prozent (gegenüber dem Durchschnitt 2017 bis 2021) gestiegen seien, hätten die der Stromversorger nicht zuletzt wegen politischer Eingriffe nur um 25 Prozent zugelegt.

In der Folge seien die Investitionen in neue Windkraftanlagen gegenüber dem Vorjahr um 59 Prozent​ eingebrochen, die Kapazität der unterzeichneten PPA sei 2022 um 75 Prozent geringer ausgefallen als 2021.

Höhere Strompreise behindern Elektrifizierung

Die Strompreise liegen laut Eurelectric immer noch deutlich über dem Niveau von 2019, dem letzten „normalen Jahr“. Das behindere die Elektrifizierung, die in den letzten Jahren kaum vorangekommen sei und 2022 knapp 23 Prozent erreichte. Um die Klimaziele der EU zu erreichen, müssen 2050 laut Eurelectric mehr als zwei Drittel des Energiebedarfs durch Strom gedeckt werden.

Die Zahl der öffentlichen Ladestellen für Elektroautos steige zwar, sagte Ruby, gegenwärtig um 35.000 pro Quartal, die anvisierten 3,5 Millionen bis 2030 werde man in diesem Tempo aber weit verfehlen. Hinzu komme, dass die Ladestationen ungleichmäßig in der EU verteilt seien. Ã„hnlich sehe es bei Wärmepumpen aus. Anfang des Jahres gab es in der EU 20 Millionen, 2030 sollen es 55 Millionen sein.

Um Strom für die große Zahl neuer Verbraucher bereitzustellen, müssten neue Kraftwerke erheblich schneller errichtet werden. Bis 2030 würden 605.000 MW erneuerbare Energien zusätzlich gebraucht. Auch hier reiche der bestehende Trend beim Ausbau von Windkraft- und PV-Anlagen nicht aus.
 
Allein bei Windrädern spricht Eurelectric vom einem Antragsstau von 80.000 MW. Hinzu kommen Engpässe bei wichtigen Rohstoffen. Bei Eurelectric hofft man, dass die „grüne Industriepolitik“ der EU hier Abhilfe schafft.

Montag, 25.09.2023, 14:47 Uhr
Tom Weingärtner

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