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Energie & Management > Europaeische Union - EU-Staaten verständigen sich auf Einsparungen beim Gas
Quelle: Shutterstock / jorisvo
Europaeische Union

EU-Staaten verständigen sich auf Einsparungen beim Gas

Die Energieminister der EU haben sich trotz widerstreitender Interessen vergleichsweise schnell darauf geeinigt, in den kommenden acht Monaten 15 % weniger Gas zu verbrauchen.
Die Mitgliedsstaaten hätten damit eine "erstaunliche Geschlossenheit" bewiesen, sagte Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck am Rande des Energieministerrates in Brüssel: "Dafür müssen die Mitgliedsstaaten immer einen halben Meter weiter gehen, als es ihren nationalen Interessen entspricht." Man habe sich auf Einsparungen verständigt, die den potenziellen Ausfall der russischen Lieferungen kompensierten.

Die meisten Minister unterstützten die Vorschläge der EU-Kommission vom letzten Mittwoch im Grundsatz. "Wir brauchen ein starkes Signal an Putin, der Europa spalten will", sagte die österreichische Energieministerin Leonore Gewessler. Es gehe darum, "solidarisch Gas zu sparen". Gleichzeitig kritisierte sie, dass die Kommission keine neuen Vorschläge zum gemeinsamen Gas-Einkauf der Mitgliedsstaaten vorgelegt habe. "Hier müssen wir weiterkommen." Die Kommission hat sich in den letzten Monaten bemüht, eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten bei der Beschaffung von Gas auf dem Weltmarkt zu organisieren, ist dabei bislang aber nicht besonders erfolgreich gewesen.

Die Energieminister verständigten sich nach intensiven Verhandlungen im Vorfeld des Sonderrates weitgehend auf die Vorschläge der Kommission. Allerdings soll es Ausnahmen geben, die den besonderen Umständen einzelner Mitgliedsstaaten Rechnung tragen. Diese würden das Einsparziel von 15 % jedoch nicht infrage stellen, betonte der Ratsvorsitzende, der tschechische Energieminister Jozef Sikela, nach dem Ministerrat.

Der Rat bestätigte insbesondere den von der Kommission vorgeschlagenen zweistufigen Ansatz. Danach sollen die Mitgliedsstaaten zunächst selber entscheiden, wie sie die Einsparungen von 15 % erreichen. Bezugsbasis ist der Gasverbrauch vom 1. August bis zum 31. März im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Nur wenn sich diese Maßnahmen als nicht ausreichend erweisen und eine akute Gasmangellage droht, kann die Kommission, auf Antrag von fünf Mitgliedsstaaten, den Notfall erklären. Sie würde dem Rat dann eine Beschlussvorlage zuleiten, der darüber entscheiden würde, den Mitgliedsstaaten verbindliche Einsparziele vorzugeben.

Letztere wurden vor der Ratstagung von mehreren Mitgliedsstaaten abgelehnt. So sagte die polnische Energieministerin, Anna Moskwa, ihr Land habe sich im Hinblick auf seine Infrastruktur und seine Gasbevorratung vollständig unabhängig von Russland gemacht und lehne deswegen jede Sparvorgabe aus Brüssel ab. Die Energie-Versorgungssicherheit sei ebenso wie die Energie-Solidarität alleine Sache der Mitgliedsstaaten. Gleichwohl habe Polen umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um den Gasverbrauch des Landes zu reduzieren.

Ausnahmen für die Inselstaaten

Für den Fall, dass der Rat die Sparvorgaben verbindlich macht, sollen Ausnahmen insbesondere für die Inselstaaten: Irland, Zypern, Malta gelten, die nicht mit dem kontinentalen Gasnetz verbunden sind. Alle anderen Staaten können Ausnahmen im Hinblick auf besondere Umstände beantragen, zum Beispiel eine geringfügige Anbindung durch Interkonnektoren wie zwischen Frankreich und der iberischen Halbinsel. Zur Begründung heißt es, dass die anderen Staaten dadurch nicht signifikant entlastet würden. Umgekehrt können solche Staaten Entlastungen beantragen, die andere Staaten mitversorgen, indem sie Gas zu ihnen durchleiten oder wenn ihre Gasspeicher besonders gut gefüllt sind.

Es müsse vermieden werden, dass durch Sparmaßnahmen die Stromerzeugung gefährdet wird. Damit zielt der Rat vor allem auf die Lage im Baltikum, das nach wie vor mit dem russischen Elektrizitätsnetz verbunden und synchronisiert ist. Ausnahmen sind auch möglich, wenn die Lebensmittelindustrie eines Landes oder andere, kritische Industriezweige stark vom Gaseinsatz abhängig sind. Oder wenn der Gasverbrauch eines Landes 2021 um mehr als 8 % im Vergleich zu den fünf Jahren davor gestiegen ist.

Die Minister reduzierten den Handlungsspielraum der Kommission bei der Ausrufung des Notfalls. Dafür sind jetzt 5 statt 3 Mitgliedstaaten notwendig. Außerdem wurde die Gültigkeitsdauer der Verordnung auf ein Jahr begrenzt. Die Kommission hatte zwei Jahre vorgeschlagen. Jetzt soll die Situation im Frühjahr nächsten Jahres neu bewertet werden.

Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage sollen nach Möglichkeit nicht in erster Linie die privaten Haushalte und lebenswichtige Einrichtungen wie Krankenhäuser oder die Polizei betreffen. Vorrang haben dagegen alle Maßnahmen, mit denen der Einsatz von Gas zur Stromerzeugung ("fuel-switch") reduziert werden kann. Einsparverpflichtungen in der gewerblichen Wirtschaft könnten zudem zum Gegenstand von Auktionen gemacht werden.

Insgesamt habe der Rat einen "großen Schritt" gemacht, um sicher durch den nächsten Winter zu kommen, sagte der Ratsvorsitzende. Dies sei nicht nur ein starkes Signal an den russischen Präsidenten Putin, sondern auch an die Bürger der EU.

Dienstag, 26.07.2022, 16:58 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - EU-Staaten verständigen sich auf Einsparungen beim Gas
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EU-Staaten verständigen sich auf Einsparungen beim Gas
Die Energieminister der EU haben sich trotz widerstreitender Interessen vergleichsweise schnell darauf geeinigt, in den kommenden acht Monaten 15 % weniger Gas zu verbrauchen.
Die Mitgliedsstaaten hätten damit eine "erstaunliche Geschlossenheit" bewiesen, sagte Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck am Rande des Energieministerrates in Brüssel: "Dafür müssen die Mitgliedsstaaten immer einen halben Meter weiter gehen, als es ihren nationalen Interessen entspricht." Man habe sich auf Einsparungen verständigt, die den potenziellen Ausfall der russischen Lieferungen kompensierten.

Die meisten Minister unterstützten die Vorschläge der EU-Kommission vom letzten Mittwoch im Grundsatz. "Wir brauchen ein starkes Signal an Putin, der Europa spalten will", sagte die österreichische Energieministerin Leonore Gewessler. Es gehe darum, "solidarisch Gas zu sparen". Gleichzeitig kritisierte sie, dass die Kommission keine neuen Vorschläge zum gemeinsamen Gas-Einkauf der Mitgliedsstaaten vorgelegt habe. "Hier müssen wir weiterkommen." Die Kommission hat sich in den letzten Monaten bemüht, eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten bei der Beschaffung von Gas auf dem Weltmarkt zu organisieren, ist dabei bislang aber nicht besonders erfolgreich gewesen.

Die Energieminister verständigten sich nach intensiven Verhandlungen im Vorfeld des Sonderrates weitgehend auf die Vorschläge der Kommission. Allerdings soll es Ausnahmen geben, die den besonderen Umständen einzelner Mitgliedsstaaten Rechnung tragen. Diese würden das Einsparziel von 15 % jedoch nicht infrage stellen, betonte der Ratsvorsitzende, der tschechische Energieminister Jozef Sikela, nach dem Ministerrat.

Der Rat bestätigte insbesondere den von der Kommission vorgeschlagenen zweistufigen Ansatz. Danach sollen die Mitgliedsstaaten zunächst selber entscheiden, wie sie die Einsparungen von 15 % erreichen. Bezugsbasis ist der Gasverbrauch vom 1. August bis zum 31. März im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Nur wenn sich diese Maßnahmen als nicht ausreichend erweisen und eine akute Gasmangellage droht, kann die Kommission, auf Antrag von fünf Mitgliedsstaaten, den Notfall erklären. Sie würde dem Rat dann eine Beschlussvorlage zuleiten, der darüber entscheiden würde, den Mitgliedsstaaten verbindliche Einsparziele vorzugeben.

Letztere wurden vor der Ratstagung von mehreren Mitgliedsstaaten abgelehnt. So sagte die polnische Energieministerin, Anna Moskwa, ihr Land habe sich im Hinblick auf seine Infrastruktur und seine Gasbevorratung vollständig unabhängig von Russland gemacht und lehne deswegen jede Sparvorgabe aus Brüssel ab. Die Energie-Versorgungssicherheit sei ebenso wie die Energie-Solidarität alleine Sache der Mitgliedsstaaten. Gleichwohl habe Polen umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um den Gasverbrauch des Landes zu reduzieren.

Ausnahmen für die Inselstaaten

Für den Fall, dass der Rat die Sparvorgaben verbindlich macht, sollen Ausnahmen insbesondere für die Inselstaaten: Irland, Zypern, Malta gelten, die nicht mit dem kontinentalen Gasnetz verbunden sind. Alle anderen Staaten können Ausnahmen im Hinblick auf besondere Umstände beantragen, zum Beispiel eine geringfügige Anbindung durch Interkonnektoren wie zwischen Frankreich und der iberischen Halbinsel. Zur Begründung heißt es, dass die anderen Staaten dadurch nicht signifikant entlastet würden. Umgekehrt können solche Staaten Entlastungen beantragen, die andere Staaten mitversorgen, indem sie Gas zu ihnen durchleiten oder wenn ihre Gasspeicher besonders gut gefüllt sind.

Es müsse vermieden werden, dass durch Sparmaßnahmen die Stromerzeugung gefährdet wird. Damit zielt der Rat vor allem auf die Lage im Baltikum, das nach wie vor mit dem russischen Elektrizitätsnetz verbunden und synchronisiert ist. Ausnahmen sind auch möglich, wenn die Lebensmittelindustrie eines Landes oder andere, kritische Industriezweige stark vom Gaseinsatz abhängig sind. Oder wenn der Gasverbrauch eines Landes 2021 um mehr als 8 % im Vergleich zu den fünf Jahren davor gestiegen ist.

Die Minister reduzierten den Handlungsspielraum der Kommission bei der Ausrufung des Notfalls. Dafür sind jetzt 5 statt 3 Mitgliedstaaten notwendig. Außerdem wurde die Gültigkeitsdauer der Verordnung auf ein Jahr begrenzt. Die Kommission hatte zwei Jahre vorgeschlagen. Jetzt soll die Situation im Frühjahr nächsten Jahres neu bewertet werden.

Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage sollen nach Möglichkeit nicht in erster Linie die privaten Haushalte und lebenswichtige Einrichtungen wie Krankenhäuser oder die Polizei betreffen. Vorrang haben dagegen alle Maßnahmen, mit denen der Einsatz von Gas zur Stromerzeugung ("fuel-switch") reduziert werden kann. Einsparverpflichtungen in der gewerblichen Wirtschaft könnten zudem zum Gegenstand von Auktionen gemacht werden.

Insgesamt habe der Rat einen "großen Schritt" gemacht, um sicher durch den nächsten Winter zu kommen, sagte der Ratsvorsitzende. Dies sei nicht nur ein starkes Signal an den russischen Präsidenten Putin, sondern auch an die Bürger der EU.

Dienstag, 26.07.2022, 16:58 Uhr
Tom Weingärtner

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