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Energie & Management > Europaeische Union - EU-Staaten schnüren größtes Klimapaket
Quelle: Shutterstock / jorisvo
Europaeische Union

EU-Staaten schnüren größtes Klimapaket

Die Mitgliedsstaaten der EU wollen auch für Verkehr und den Gebäudesektor einen eigenen Emissionshandel aufbauen. Darauf haben sich die Umweltminister in Luxemburg verständigt.
Der Rat der Umweltminister legte nach 16-stündigen Verhandlungen in der Nacht zum 29. Juni seine Position auch im Hinblick auf die Reform des ETS1, die Senkung der CO2-Emissionen in allen anderen Sektoren („Lastenteilung“), den Klimasozialfonds, die Landnutzung und die Emissionsgrenzwerte für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge fest. Der Ministerrat sei jetzt bereit, mit dem Parlament zu verhandeln, sagte die Vorsitzende, Agnes Pannier-Runacher. Damit setze sich die EU erneut an die Spitze der internationalen Klimapolitik: „Die Energiewende erfordert einen fairen Beitrag aller Sektoren und aller Mitgliedsstaaten.“

Die deutschen Verhandlungsführer, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke, hatten sich bis zuletzt dafür eingesetzt, dass auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nach 2035 zugelassen werden können, wenn sie mit emissionsfreien, synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Damit konnten sich Deutschland und andere Länder nicht durchsetzen. Die Automobilhersteller müssen die Abgase ihrer Fahrzeuge bis 2035 um 100 % reduzieren, was einem Verbot von Verbrennungsmotoren entspricht. Bereits zugelassene Fahrzeuge können weiter betrieben werden. Die EU-Kommission soll 2026 prüfen, ob Fahrzeuge „außerhalb der Quoten“ mit Verbrenner zugelassen werden, wenn sie keine Treibhausgase ausstoßen.

Separater Emissionshandel für Verkehr und Gebäude

Die Minister verständigten sich auf den Vorschlag der EU-Kommission, einen separaten Emissionshandel (ETS2) für den Verkehr und den Gebäudesektor einzuführen. Das soll allerdings erst 2027 erfolgen, ein Jahr später als die Kommission es wollte. Im Unterschied zum Europäischen Parlament sollen auch die privaten Haushalte in das ETS2 einbezogen werden. Die Obergrenze für die Emissionen(„cap“) soll im ersten Jahr um 5,15 % gesenkt werden, ab 2028 um 5,43 % pro Jahr. 30 % der ETS2-Zertifikate werden vor Beginn des Handels versteigert („frontloading“). Damit würden 75 % der gesamten CO2-Emissionen in der EU vom Emissionshandel: ETS1+ETS2 erfasst.

Auch im Hinblick auf das ETS1 folgten die Umweltminister weitgehend den Vorschlägen der Kommission. Bis 2030 sollen die Emissionen in diesem Bereich um 61 % (im Vergleich zu 2005) zurückgehen, 117 Mio. Zertifikate werden einmalig aus dem Markt genommen und die Zahl der Zertifikate, die auf den Markt kommen, wird um 4,2 %(LRF) pro Jahr gesenkt. Die Marktstabilitätsreserve (MSR) wird über das Jahr 2023 hinaus verlängert. Allerdings soll sie auf 400 Mio. Zertifikate gedeckelt und der Überschuss gelöscht werden. Bei plötzlichen Preissteigerungen soll die Kommission schneller eingreifen als bisher.

Die Grenzausgleichsabgabe (CBAM) soll, wie von der Kommission vorgeschlagen, schrittweise von 2026 bis 2035 eingeführt werden. In den ersten Jahren sollen die Schritte allerdings kleiner sein als 10 %. Die Kommission wird aufgefordert, die Wirkungen des CBAM genau zu beobachten und zusätzliche Maßnahmen vorzuschlagen, falls dies notwendig wird.

Investitionen in emissionsarme Technologien können aus einem Modernisierungs- und einem Innovationsfonds gefördert werden, die aus den Einnahmen aus dem Emissionshandel finanziert werden. Dazu gehören unter bestimmten Bedingungen für eine Übergangsperiode auch Projekte zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur.

Ein Klimasozialfonds (KSF) soll sozial schwache Verbraucher unterstützen. Allerdings soll er deutlich geringer ausfallen als die Kommission und das Parlament verlangen. Diese wollten 25 % der Einnahmen aus dem ETS2 in den Fonds lenken, etwa 72 Mrd. Euro. Die Umweltminister haben den Umfang des KSF auf 59 Mrd. Euro gedeckelt. Davon sollen 75 % von den Mitgliedsstaaten verwendet werden, nur 25 % stehen für einen Lastenausgleich zwischen den Mitgliedsstaaten zur Verfügung. Maximal 35 % dessen, was den Mitgliedsstaaten zur Verfügung steht, darf für direkte Einkommenshilfen verwendet werden. Der Aufbau des KSF erfolgt nach den Beschlüssen der Umweltminister parallel zur Einführung des ETS2 ab 2027, das Europäaische Parlament hatte sich dafür ausgesprochen, den Fonds schon zwei Jahre früher einzurichten.

Schließlich verständigten sich die Umweltminister darauf, dass alle anderen Sektoren wie die Landwirtschaft oder Kleingewerbe ihre Emissionen bis 2030 um 40 % (in Vergleich zu 2005) reduzieren müssen. Die Mitgliedsstaaten müssen dafür lineare Reduktionspläne vorlegen. Die Land- und Forstwirtschaft soll durch eine entsprechende Bodennutzung 310 Mio. Tonnen CO2 aus der Atmosphäre binden, was auf das Klimaziel der EU angerechnet wird.

Reaktionen fallen unterschiedlich aus

Die kommunalen Unternehmen begrüßten die Absicht der Umweltminister, den Verkehr und Wohnungssektor in den Emissionshandel einzubeziehen. Diese Sektoren hätten das größte Reduktionspotential, sagte VKU-Geschäftsführer Ingbert Liebing.

Die Umweltverbände kritisieren die Beschlüsse des Ministerrates dagegen als unzureichend. Die Ratsposition halte zahlreiche Hintertüren für die Unternehmen bereit und werde die Treibhausgase der EU nicht genug reduzieren, um dem Pariser Abkommen gerecht zu werden, teilte das Klimanetzwerk CAN mit: „Es gibt weiter zu viele, kostenlose Zertifikate für die großen Verschmutzer, Investitionen in die Gasinfrastruktur werden weiter aus Mitteln der EU unterstützt und die Lastenteilung hält zu viele Schlupflöcher für die Mitgliedsstaaten bereit.“

Mittwoch, 29.06.2022, 12:43 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - EU-Staaten schnüren größtes Klimapaket
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Europaeische Union
EU-Staaten schnüren größtes Klimapaket
Die Mitgliedsstaaten der EU wollen auch für Verkehr und den Gebäudesektor einen eigenen Emissionshandel aufbauen. Darauf haben sich die Umweltminister in Luxemburg verständigt.
Der Rat der Umweltminister legte nach 16-stündigen Verhandlungen in der Nacht zum 29. Juni seine Position auch im Hinblick auf die Reform des ETS1, die Senkung der CO2-Emissionen in allen anderen Sektoren („Lastenteilung“), den Klimasozialfonds, die Landnutzung und die Emissionsgrenzwerte für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge fest. Der Ministerrat sei jetzt bereit, mit dem Parlament zu verhandeln, sagte die Vorsitzende, Agnes Pannier-Runacher. Damit setze sich die EU erneut an die Spitze der internationalen Klimapolitik: „Die Energiewende erfordert einen fairen Beitrag aller Sektoren und aller Mitgliedsstaaten.“

Die deutschen Verhandlungsführer, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke, hatten sich bis zuletzt dafür eingesetzt, dass auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nach 2035 zugelassen werden können, wenn sie mit emissionsfreien, synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Damit konnten sich Deutschland und andere Länder nicht durchsetzen. Die Automobilhersteller müssen die Abgase ihrer Fahrzeuge bis 2035 um 100 % reduzieren, was einem Verbot von Verbrennungsmotoren entspricht. Bereits zugelassene Fahrzeuge können weiter betrieben werden. Die EU-Kommission soll 2026 prüfen, ob Fahrzeuge „außerhalb der Quoten“ mit Verbrenner zugelassen werden, wenn sie keine Treibhausgase ausstoßen.

Separater Emissionshandel für Verkehr und Gebäude

Die Minister verständigten sich auf den Vorschlag der EU-Kommission, einen separaten Emissionshandel (ETS2) für den Verkehr und den Gebäudesektor einzuführen. Das soll allerdings erst 2027 erfolgen, ein Jahr später als die Kommission es wollte. Im Unterschied zum Europäischen Parlament sollen auch die privaten Haushalte in das ETS2 einbezogen werden. Die Obergrenze für die Emissionen(„cap“) soll im ersten Jahr um 5,15 % gesenkt werden, ab 2028 um 5,43 % pro Jahr. 30 % der ETS2-Zertifikate werden vor Beginn des Handels versteigert („frontloading“). Damit würden 75 % der gesamten CO2-Emissionen in der EU vom Emissionshandel: ETS1+ETS2 erfasst.

Auch im Hinblick auf das ETS1 folgten die Umweltminister weitgehend den Vorschlägen der Kommission. Bis 2030 sollen die Emissionen in diesem Bereich um 61 % (im Vergleich zu 2005) zurückgehen, 117 Mio. Zertifikate werden einmalig aus dem Markt genommen und die Zahl der Zertifikate, die auf den Markt kommen, wird um 4,2 %(LRF) pro Jahr gesenkt. Die Marktstabilitätsreserve (MSR) wird über das Jahr 2023 hinaus verlängert. Allerdings soll sie auf 400 Mio. Zertifikate gedeckelt und der Überschuss gelöscht werden. Bei plötzlichen Preissteigerungen soll die Kommission schneller eingreifen als bisher.

Die Grenzausgleichsabgabe (CBAM) soll, wie von der Kommission vorgeschlagen, schrittweise von 2026 bis 2035 eingeführt werden. In den ersten Jahren sollen die Schritte allerdings kleiner sein als 10 %. Die Kommission wird aufgefordert, die Wirkungen des CBAM genau zu beobachten und zusätzliche Maßnahmen vorzuschlagen, falls dies notwendig wird.

Investitionen in emissionsarme Technologien können aus einem Modernisierungs- und einem Innovationsfonds gefördert werden, die aus den Einnahmen aus dem Emissionshandel finanziert werden. Dazu gehören unter bestimmten Bedingungen für eine Übergangsperiode auch Projekte zum Ausbau der Erdgas-Infrastruktur.

Ein Klimasozialfonds (KSF) soll sozial schwache Verbraucher unterstützen. Allerdings soll er deutlich geringer ausfallen als die Kommission und das Parlament verlangen. Diese wollten 25 % der Einnahmen aus dem ETS2 in den Fonds lenken, etwa 72 Mrd. Euro. Die Umweltminister haben den Umfang des KSF auf 59 Mrd. Euro gedeckelt. Davon sollen 75 % von den Mitgliedsstaaten verwendet werden, nur 25 % stehen für einen Lastenausgleich zwischen den Mitgliedsstaaten zur Verfügung. Maximal 35 % dessen, was den Mitgliedsstaaten zur Verfügung steht, darf für direkte Einkommenshilfen verwendet werden. Der Aufbau des KSF erfolgt nach den Beschlüssen der Umweltminister parallel zur Einführung des ETS2 ab 2027, das Europäaische Parlament hatte sich dafür ausgesprochen, den Fonds schon zwei Jahre früher einzurichten.

Schließlich verständigten sich die Umweltminister darauf, dass alle anderen Sektoren wie die Landwirtschaft oder Kleingewerbe ihre Emissionen bis 2030 um 40 % (in Vergleich zu 2005) reduzieren müssen. Die Mitgliedsstaaten müssen dafür lineare Reduktionspläne vorlegen. Die Land- und Forstwirtschaft soll durch eine entsprechende Bodennutzung 310 Mio. Tonnen CO2 aus der Atmosphäre binden, was auf das Klimaziel der EU angerechnet wird.

Reaktionen fallen unterschiedlich aus

Die kommunalen Unternehmen begrüßten die Absicht der Umweltminister, den Verkehr und Wohnungssektor in den Emissionshandel einzubeziehen. Diese Sektoren hätten das größte Reduktionspotential, sagte VKU-Geschäftsführer Ingbert Liebing.

Die Umweltverbände kritisieren die Beschlüsse des Ministerrates dagegen als unzureichend. Die Ratsposition halte zahlreiche Hintertüren für die Unternehmen bereit und werde die Treibhausgase der EU nicht genug reduzieren, um dem Pariser Abkommen gerecht zu werden, teilte das Klimanetzwerk CAN mit: „Es gibt weiter zu viele, kostenlose Zertifikate für die großen Verschmutzer, Investitionen in die Gasinfrastruktur werden weiter aus Mitteln der EU unterstützt und die Lastenteilung hält zu viele Schlupflöcher für die Mitgliedsstaaten bereit.“

Mittwoch, 29.06.2022, 12:43 Uhr
Tom Weingärtner

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