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Energie & Management > Europaeische Union - EU-Parlament verabschiedet Lieferkettengesetz
Quelle: iStock / FrankyDeMeyer
Europaeische Union

EU-Parlament verabschiedet Lieferkettengesetz

Die Mehrheit der EU-Parlamentsabgeordneten hat sich für die Verpflichtung der Unternehmen zu strengerer Kontrolle ihrer Lieferketten ausgesprochen. Doch die Kritik verstummt nicht.
Das Europäische Parlament hat das umstrittene Lieferkettengesetz trotz Widerstand aus der CDU/CSU-Fraktion und der Liberalen (Renew) am Donnerstag verabschiedet. Die EU-Volksvertretung votierte mit 366 Stimmen bei 225 Gegenstimmen und 38 Enthaltungen auf ihrer Kurzplenartagung in Brüssel für eine strenge Sorgfaltspflicht für Unternehmen. Die Parlamentsposition entspricht fast dem Kompromiss, den der federführende Rechtsausschuss ausgehandelt hatte. So müssen Unternehmen in Zukunft dafür sorgen, dass es in ihren Lieferketten nicht zu Kinderarbeit, Sklaverei, Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung und Verlust der biologischen Vielfalt kommt.

Damit wäre das EU-Lieferkettengesetz strenger als das in Deutschland seit Jahresbeginn geltende entsprechende Pendant. Allerdings muss das EU-Parlament jetzt noch mit den Mitgliedstaaten über den endgültigen Gesetzestext beraten. Konkret sollen nach dem Willen des EU-Parlaments in Zukunft Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht mit Strafen von bis zu 5 Prozent des weltweiten Unternehmensumsatzes geahndet werden. Das Lieferkettengesetz greift aber erst ab 3 Jahren nach Verabschiedung der Richtlinie für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro, im vierten Jahr sinkt der Schwellenwert der Beschäftigten dann auf 400. Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Umsatz müssen erst 5 Jahre nach Inkrafttreten die Vorschriften befolgen.

Die EU-Kommission und die EU-Staaten fordern hingegen, dass das Gesetz nur für Unternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Umsatz von 150 Millionen Euro gelten soll. Laut Kommissionsvorschlag sollten nur in Hochrisikosektoren wie dem Textilsektor auch Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden vereinfachte Sorgfaltspflichtprüfungen vornehmen müssen. Kleine und mittlere Unternehmen sind zwar von der obligatorischen Anwendung ausgenommen. Wenn große Unternehmen in ihren Lieferketten aber auch kleinere Unternehmen als Zulieferer benennen, wären sie indirekt von den Folgen der Sorgfaltspflicht betroffen.

Darüber hinaus haben sich die EU-Abgeordneten für die Einbeziehung des Finanzsektors in den Anwendungsbereich ausgesprochen. Banken, Versicherungen und Investoren müssen künftig in ihren Geschäftsbeziehungen mit direkten Großkunden auf menschenrechtliche und umweltbezogene Regeln achten. Das Lieferkettengesetz bezieht sich nach der Parlamentsposition auf die gesamte Wertschöpfungskette, das heißt inklusive aller vor- und nachgelagerter Aktivitäten der Produktion.

Schwierige Verhandlung mit EU-Rat befürchtet

Während sich SPD, Grüne und Linke im Europäischen Parlament über das Votum im Plenum freuten, reagierten Europaabgeordnete der CDU/CSU und der Liberalen enttäuscht auf die Abstimmung am Donnerstag. "Trotz des immensen Drucks von Industrielobby und gegen den Widerstand vieler Konservativer hat das Parlament den Kommissionsvorschlag in vielen Bereichen nachschärfen können", sagte die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini. Das EU-Lieferkettengesetz werde Umwelt- und Sozialdumping in den Lieferketten einen Riegel vorschieben. Doch Cavazzini erwartet schwierige Verhandlungen mit dem EU-Rat, "dessen Position viel weniger ambitioniert ist."
 

Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken begrüßte ebenfalls das Parlamentsvotum. "Wir wollen nicht länger mit zweierlei Maß messen. Umweltschutz und Menschenrechte hören nicht an den EU-Außengrenzen auf, sondern gelten weltweit", sagte Wölken. "Noch auf den letzten Metern wollten die rechtsextremen und nationalkonservativen Fraktionen sowie die CDU/CSU wichtige Aspekte des EU-Lieferkettengesetzes verwässern", führte er aus. Helmut Scholz von der Linken sagte: "Das EU-Parlament geht damit weit über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus. Die Ampel-Koalition muss nun Farbe bekennen und sich in Brüssel klar für eine wirksame Lieferketten-Richtlinie einsetzen."

Die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler kritisierte den Parlamentsbeschluss hingegen als "zu weitgehend". Niebler befürchtet, dass mehr Unternehmen betroffen sein werden als im deutschen Lieferkettengesetz. Sie monierte auch, dass große Teile der Wertschöpfungsketten wie Verkauf, Vertrieb, Transport, Lagerung und Entsorgung in den Anwendungsbereich der Richtlinie kommen. "Leider trägt das Lieferkettengesetz in seiner jetzigen Form nicht zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bei", sagte Niebler. Die FDP-Abgeordnete Svenja Hahn erklärte, die Parlamentsposition sei nicht gut gemacht, "deswegen konnte die FDP den Vorschlag nicht unterstützen. "Unternehmen können nicht die Aufgaben vom Außenministerium übernehmen, das europäische Lieferkettengesetz muss vor allem praxisnah umsetzbar sein, um Menschenrechte und Umwelt effektiv zu schützen", sagte Hahn. Viele kleine Unternehmen würden vor unverhältnismäßigen bürokratischen Hürden stehen.

Donnerstag, 1.06.2023, 15:18 Uhr
Ali Ulucay
Energie & Management > Europaeische Union - EU-Parlament verabschiedet Lieferkettengesetz
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EU-Parlament verabschiedet Lieferkettengesetz
Die Mehrheit der EU-Parlamentsabgeordneten hat sich für die Verpflichtung der Unternehmen zu strengerer Kontrolle ihrer Lieferketten ausgesprochen. Doch die Kritik verstummt nicht.
Das Europäische Parlament hat das umstrittene Lieferkettengesetz trotz Widerstand aus der CDU/CSU-Fraktion und der Liberalen (Renew) am Donnerstag verabschiedet. Die EU-Volksvertretung votierte mit 366 Stimmen bei 225 Gegenstimmen und 38 Enthaltungen auf ihrer Kurzplenartagung in Brüssel für eine strenge Sorgfaltspflicht für Unternehmen. Die Parlamentsposition entspricht fast dem Kompromiss, den der federführende Rechtsausschuss ausgehandelt hatte. So müssen Unternehmen in Zukunft dafür sorgen, dass es in ihren Lieferketten nicht zu Kinderarbeit, Sklaverei, Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung und Verlust der biologischen Vielfalt kommt.

Damit wäre das EU-Lieferkettengesetz strenger als das in Deutschland seit Jahresbeginn geltende entsprechende Pendant. Allerdings muss das EU-Parlament jetzt noch mit den Mitgliedstaaten über den endgültigen Gesetzestext beraten. Konkret sollen nach dem Willen des EU-Parlaments in Zukunft Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht mit Strafen von bis zu 5 Prozent des weltweiten Unternehmensumsatzes geahndet werden. Das Lieferkettengesetz greift aber erst ab 3 Jahren nach Verabschiedung der Richtlinie für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro, im vierten Jahr sinkt der Schwellenwert der Beschäftigten dann auf 400. Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Umsatz müssen erst 5 Jahre nach Inkrafttreten die Vorschriften befolgen.

Die EU-Kommission und die EU-Staaten fordern hingegen, dass das Gesetz nur für Unternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Umsatz von 150 Millionen Euro gelten soll. Laut Kommissionsvorschlag sollten nur in Hochrisikosektoren wie dem Textilsektor auch Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden vereinfachte Sorgfaltspflichtprüfungen vornehmen müssen. Kleine und mittlere Unternehmen sind zwar von der obligatorischen Anwendung ausgenommen. Wenn große Unternehmen in ihren Lieferketten aber auch kleinere Unternehmen als Zulieferer benennen, wären sie indirekt von den Folgen der Sorgfaltspflicht betroffen.

Darüber hinaus haben sich die EU-Abgeordneten für die Einbeziehung des Finanzsektors in den Anwendungsbereich ausgesprochen. Banken, Versicherungen und Investoren müssen künftig in ihren Geschäftsbeziehungen mit direkten Großkunden auf menschenrechtliche und umweltbezogene Regeln achten. Das Lieferkettengesetz bezieht sich nach der Parlamentsposition auf die gesamte Wertschöpfungskette, das heißt inklusive aller vor- und nachgelagerter Aktivitäten der Produktion.

Schwierige Verhandlung mit EU-Rat befürchtet

Während sich SPD, Grüne und Linke im Europäischen Parlament über das Votum im Plenum freuten, reagierten Europaabgeordnete der CDU/CSU und der Liberalen enttäuscht auf die Abstimmung am Donnerstag. "Trotz des immensen Drucks von Industrielobby und gegen den Widerstand vieler Konservativer hat das Parlament den Kommissionsvorschlag in vielen Bereichen nachschärfen können", sagte die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini. Das EU-Lieferkettengesetz werde Umwelt- und Sozialdumping in den Lieferketten einen Riegel vorschieben. Doch Cavazzini erwartet schwierige Verhandlungen mit dem EU-Rat, "dessen Position viel weniger ambitioniert ist."
 

Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken begrüßte ebenfalls das Parlamentsvotum. "Wir wollen nicht länger mit zweierlei Maß messen. Umweltschutz und Menschenrechte hören nicht an den EU-Außengrenzen auf, sondern gelten weltweit", sagte Wölken. "Noch auf den letzten Metern wollten die rechtsextremen und nationalkonservativen Fraktionen sowie die CDU/CSU wichtige Aspekte des EU-Lieferkettengesetzes verwässern", führte er aus. Helmut Scholz von der Linken sagte: "Das EU-Parlament geht damit weit über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus. Die Ampel-Koalition muss nun Farbe bekennen und sich in Brüssel klar für eine wirksame Lieferketten-Richtlinie einsetzen."

Die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler kritisierte den Parlamentsbeschluss hingegen als "zu weitgehend". Niebler befürchtet, dass mehr Unternehmen betroffen sein werden als im deutschen Lieferkettengesetz. Sie monierte auch, dass große Teile der Wertschöpfungsketten wie Verkauf, Vertrieb, Transport, Lagerung und Entsorgung in den Anwendungsbereich der Richtlinie kommen. "Leider trägt das Lieferkettengesetz in seiner jetzigen Form nicht zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bei", sagte Niebler. Die FDP-Abgeordnete Svenja Hahn erklärte, die Parlamentsposition sei nicht gut gemacht, "deswegen konnte die FDP den Vorschlag nicht unterstützen. "Unternehmen können nicht die Aufgaben vom Außenministerium übernehmen, das europäische Lieferkettengesetz muss vor allem praxisnah umsetzbar sein, um Menschenrechte und Umwelt effektiv zu schützen", sagte Hahn. Viele kleine Unternehmen würden vor unverhältnismäßigen bürokratischen Hürden stehen.

Donnerstag, 1.06.2023, 15:18 Uhr
Ali Ulucay

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