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Energie & Management > Europaeische Union - EU investiert nicht genug, um von Russland wegzukommen
Quelle: Shutterstock / Savvapanf Photo
Europaeische Union

EU investiert nicht genug, um von Russland wegzukommen

Die EU will bis 2027 unabhängig von russischen Energieeinfuhren werden. Der dazu beschlossene Aktionsplan ist nach Ansicht des Europäischen Rechnungshofes aber unterfinanziert.
Die EU-Kommission hatte Anfang März ihr Programm „REPowerEU“ vorgelegt (wir berichteten), um auf den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine zu reagieren. Er wurde wenige Tage später von den Staats- und Regierungschefs im Grundsatz abgesegnet. Ziel ist es, den Import von fossiler Energie - Kohle, Öl, Erdgas - aus Russland bis 2027 komplett einzustellen.

Die Strategie beruht auf drei Säulen: Dem Ersatz russischer Kohle-, Öl- und Gaslieferungen durch andere Lieferanten sowie dem Einkauf von grünem Wasserstoff im Rahmen langfristiger Verträge. Beim Einkauf insbesondere von Gas und Wasserstoff sollen die EU-Staaten enger zusammenarbeiten. Mit Energiesparmaßnahmen soll der Gasverbrauch zweitens um 13 bcm (Milliarden Kubikmeter) reduziert werden. Schließlich soll der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden: mehr Wind- und Solarprojekte sollen den Import von 50 bcm Erdgas bis 2027 entbehrlich machen. Weitere 17 bcm könnten nach Ansicht der Kommission durch einen größeren Einsatz von Biogas ersetzt werden.

Diese guten Vorsätze sind nach Ansicht des Europäischen Rechnungshofes (ERH) auf Sand gebaut, weil sie „in der Praxis schwer umzusetzen sein dürften“. In einem in Luxemburg veröffentlichen Gutachten des ERH heißt es: „Der Erfolg von Repower EU wird namentlich von einander ergänzenden Maßnahmen auf allen Ebenen und der Sicherstellung der Finanzierung in Höhe von rund 200 Mrd. Euro abhängen.“

Das Programm identifiziere zwar die wichtigsten Herausforderungen, die nach der Invasion Russlands in die Ukraine auf die EU zukämen, bei der Gestaltung der Maßnahmen gebe es jedoch „Unstimmigkeiten“. So seien die Ziele des Programms zwar auf die EU als Ganzes ausgerichtet, die Maßnahmen würden jedoch von den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen. Damit bestehe das Risiko, „dass Projekte von strategischer Bedeutung für die EU als Ganzes nicht durch Repower EU finanziert werden“.

Rechnungshof kritisiert, dass die Mittel aus Corona-Fonds stammen

Die Schätzung des Finanzierungsbedarfs von 210 Mrd. Euro durch die Kommission stehe außerdem in einem klaren Missverhältnis zu den 20 Mrd. Euro, die im Rahmen des EU-Haushaltes zusätzlich bereitgestellt würden. Die übrigen Finanzierungsquellen befänden sich außerhalb der Kontrolle der Kommission und hingen von der Bereitschaft der EU-Länder ab, Darlehen aus anderen Bereichen wie der Kohäsions- oder Agrarpolitik auf die neuen Prioritäten zu übertragen. Der ERH warnt deswegen, „dass der tatsächlich verfügbare Gesamtbetrag möglicherweise nicht ausreicht, um den geschätzten Investitionsbedarf zu decken“.

Kritisch sieht der Rechnungshof auch, dass die EU-Mittel überwiegend aus dem Corona-Fonds (RRF) stammen. Der RRF, der den Mitgliedsstaaten vor allem kurzfristig unter die Arme greifen soll, sei nicht geeignet langfristige Investitionen zu finanzieren, mit denen die EU unabhängig von Russland werde. Seine Prioritäten spiegelten „weder die aktuellen Herausforderungen und Ziele von Repower EU noch den spezifischen Bedarf der EU-Länder“ wieder.

Im Rahmen des Repower-EU-Programms will die Kommission den Grundsatz aussetzen, dass geförderte Projekte grundsätzlich „nachhaltig“ sein müssen: „do no significant harm“. Das stehe aber im Widerspruch zum RRF, der besonderen Wert auf den Umwelt- und Klimaschutz lege. Es sei außerdem „wenig wahrscheinlich“, dass grenzüberschreitende Projekte ermittelt und gefördert würden. Obwohl gerade sie eine wichtige Rolle dabei spielten, die Ziele von Repower EU zu erreichen. Ohne vergleichende Analysen könne auch nicht beurteilt werden, welche Projekte den größten Beitrag zur Energieversorgungssicherheit und -unabhängigkeit leisteten.

Das Anhängen von Repower EU an den Coronafonds trage der unterschiedlichen Abhängigkeit der Mitgliedsstaaten von Russland nicht Rechnung, denn die RRF-Mittel würden nach der Größe der Bevölkerung, dem Sozialprodukt pro Kopf und der Arbeitslosenquote vergeben. Die meisten Investitionen müssten jedoch die Länder vornehmen, die am meisten abhängig von Russland seien. Deutschland etwa, das am meisten abhängig von russischer Energie ist, erhält nur acht Prozent der RRF-Mittel. Auf Italien, das nur halb soviel Energie aus Russland bezieht, entfallen dagegen zwanzig Prozent.

Die zuständige Rechnungsprüferin, Ivana Maletic, räumt zwar ein, dass die EU schnell auf die neue Situation reagieren musste, Repower EU sei aber vielleicht nicht die richtige Antwort. Denn damit könnten die „strategischen Projekte der EU, die sich unmittelbar und tiefgreifend auf die Energiesicherheit und -unabhängigkeit auswirken würden, nicht schnell ermittelt und umgesetzt werden“.

Mittwoch, 27.07.2022, 13:43 Uhr
Tom Weingärtner
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Quelle: Shutterstock / Savvapanf Photo
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Die EU will bis 2027 unabhängig von russischen Energieeinfuhren werden. Der dazu beschlossene Aktionsplan ist nach Ansicht des Europäischen Rechnungshofes aber unterfinanziert.
Die EU-Kommission hatte Anfang März ihr Programm „REPowerEU“ vorgelegt (wir berichteten), um auf den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine zu reagieren. Er wurde wenige Tage später von den Staats- und Regierungschefs im Grundsatz abgesegnet. Ziel ist es, den Import von fossiler Energie - Kohle, Öl, Erdgas - aus Russland bis 2027 komplett einzustellen.

Die Strategie beruht auf drei Säulen: Dem Ersatz russischer Kohle-, Öl- und Gaslieferungen durch andere Lieferanten sowie dem Einkauf von grünem Wasserstoff im Rahmen langfristiger Verträge. Beim Einkauf insbesondere von Gas und Wasserstoff sollen die EU-Staaten enger zusammenarbeiten. Mit Energiesparmaßnahmen soll der Gasverbrauch zweitens um 13 bcm (Milliarden Kubikmeter) reduziert werden. Schließlich soll der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden: mehr Wind- und Solarprojekte sollen den Import von 50 bcm Erdgas bis 2027 entbehrlich machen. Weitere 17 bcm könnten nach Ansicht der Kommission durch einen größeren Einsatz von Biogas ersetzt werden.

Diese guten Vorsätze sind nach Ansicht des Europäischen Rechnungshofes (ERH) auf Sand gebaut, weil sie „in der Praxis schwer umzusetzen sein dürften“. In einem in Luxemburg veröffentlichen Gutachten des ERH heißt es: „Der Erfolg von Repower EU wird namentlich von einander ergänzenden Maßnahmen auf allen Ebenen und der Sicherstellung der Finanzierung in Höhe von rund 200 Mrd. Euro abhängen.“

Das Programm identifiziere zwar die wichtigsten Herausforderungen, die nach der Invasion Russlands in die Ukraine auf die EU zukämen, bei der Gestaltung der Maßnahmen gebe es jedoch „Unstimmigkeiten“. So seien die Ziele des Programms zwar auf die EU als Ganzes ausgerichtet, die Maßnahmen würden jedoch von den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen. Damit bestehe das Risiko, „dass Projekte von strategischer Bedeutung für die EU als Ganzes nicht durch Repower EU finanziert werden“.

Rechnungshof kritisiert, dass die Mittel aus Corona-Fonds stammen

Die Schätzung des Finanzierungsbedarfs von 210 Mrd. Euro durch die Kommission stehe außerdem in einem klaren Missverhältnis zu den 20 Mrd. Euro, die im Rahmen des EU-Haushaltes zusätzlich bereitgestellt würden. Die übrigen Finanzierungsquellen befänden sich außerhalb der Kontrolle der Kommission und hingen von der Bereitschaft der EU-Länder ab, Darlehen aus anderen Bereichen wie der Kohäsions- oder Agrarpolitik auf die neuen Prioritäten zu übertragen. Der ERH warnt deswegen, „dass der tatsächlich verfügbare Gesamtbetrag möglicherweise nicht ausreicht, um den geschätzten Investitionsbedarf zu decken“.

Kritisch sieht der Rechnungshof auch, dass die EU-Mittel überwiegend aus dem Corona-Fonds (RRF) stammen. Der RRF, der den Mitgliedsstaaten vor allem kurzfristig unter die Arme greifen soll, sei nicht geeignet langfristige Investitionen zu finanzieren, mit denen die EU unabhängig von Russland werde. Seine Prioritäten spiegelten „weder die aktuellen Herausforderungen und Ziele von Repower EU noch den spezifischen Bedarf der EU-Länder“ wieder.

Im Rahmen des Repower-EU-Programms will die Kommission den Grundsatz aussetzen, dass geförderte Projekte grundsätzlich „nachhaltig“ sein müssen: „do no significant harm“. Das stehe aber im Widerspruch zum RRF, der besonderen Wert auf den Umwelt- und Klimaschutz lege. Es sei außerdem „wenig wahrscheinlich“, dass grenzüberschreitende Projekte ermittelt und gefördert würden. Obwohl gerade sie eine wichtige Rolle dabei spielten, die Ziele von Repower EU zu erreichen. Ohne vergleichende Analysen könne auch nicht beurteilt werden, welche Projekte den größten Beitrag zur Energieversorgungssicherheit und -unabhängigkeit leisteten.

Das Anhängen von Repower EU an den Coronafonds trage der unterschiedlichen Abhängigkeit der Mitgliedsstaaten von Russland nicht Rechnung, denn die RRF-Mittel würden nach der Größe der Bevölkerung, dem Sozialprodukt pro Kopf und der Arbeitslosenquote vergeben. Die meisten Investitionen müssten jedoch die Länder vornehmen, die am meisten abhängig von Russland seien. Deutschland etwa, das am meisten abhängig von russischer Energie ist, erhält nur acht Prozent der RRF-Mittel. Auf Italien, das nur halb soviel Energie aus Russland bezieht, entfallen dagegen zwanzig Prozent.

Die zuständige Rechnungsprüferin, Ivana Maletic, räumt zwar ein, dass die EU schnell auf die neue Situation reagieren musste, Repower EU sei aber vielleicht nicht die richtige Antwort. Denn damit könnten die „strategischen Projekte der EU, die sich unmittelbar und tiefgreifend auf die Energiesicherheit und -unabhängigkeit auswirken würden, nicht schnell ermittelt und umgesetzt werden“.

Mittwoch, 27.07.2022, 13:43 Uhr
Tom Weingärtner

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