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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe -
Bild: fizkes / Shutterstock.com
Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe

"Es gibt nach wie vor einen Start-up-Hype"

Junge Unternehmen geben der etablierten Energiewirtschaft Impulse, besonders für die Digitalisierung. Man sollte sich aber nicht vom Begriff Start-up blenden lassen, sagt Sven Pietsch.
E&M: Herr Pietsch, welchen Stellenwert haben Start-ups heute in der Energiewirtschaft?
Pietsch: Start-ups sind in der Branche heute etwas völlig Normales. Sie sind potenzielle Technologielieferanten und werden auch als solche wahrgenommen − wie jedes andere Unternehmen auch. Das sieht man an den Kooperationsformen: Meistens beruht die Zusammenarbeit auf einem klassischen Einkaufsprozess.
E&M: Aber es wird bei allen möglichen Gelegenheiten noch das Bild bemüht, ein Start-up bestehe aus einer Handvoll junger Leute mit einer ausgefallenen Idee für ein digitales Geschäftsmodell und einem unkonventionellen Kooperationsstil.
Pietsch: Das Bild ist natürlich in erster Linie ein Klischee, aber klar, es sind oft junge Leute, die noch keine großen finanziellen Verpflichtungen haben und sich daher einfach mal ausprobieren. Aber gerade im Bereich der Digitalisierung gibt es mittlerweile auch viele Lösungen von Firmen, die man wohl eher als Mittelstand bezeichnen würde. Neue Ideen können also auch aus einem innovativen Team in einem etablierten Unternehmen kommen. Es ist ja nicht irgendetwas nur deshalb innovativ, weil es von einem Start-up kommt. Man sollte sich deshalb nicht von diesem Begriff blenden lassen und in der Diskussion um neue Geschäftsmodelle der zugrunde liegenden Innovation auf den Grund gehen.
 
„Es ist ja nicht irgendetwas nur deshalb innovativ, weil es von einem Start-up kommt“
 
E&M: Muss man vielleicht auch den Begriff ‚Start-up‘ neu definieren oder sollte man ganz auf ihn verzichten, um nicht falsche Vorstellungen zu wecken und mehr sachorientiert zu diskutieren?
Pietsch: Es gibt nach wie vor einen Start-up-Hype. Die Politik spricht von Start-ups und der Start-up-Förderung. Im Prinzip geht es ja um ganz normale Unternehmensgründungen. Diese gab es immer schon. Ich sitze in der Jury, die das Gründerstipendium für das Wirtschaftsministerium in NRW vergibt. Dafür bewerben sich immer wieder auch Menschen und Unternehmen, die ganz und gar nicht dem Klischee entsprechen: 50-Jährige mit 25 Jahren Berufserfahrung, die sich selbstständig gemacht haben. Start-ups automatisch mit dem Etikett ‚innovativ‘ zu versehen, ist genauso wenig sinnvoll, wie etablierte Unternehmen pauschal als ‚träge‘ zu bezeichnen. Man sollte aber auch darüber nachdenken, dass die derzeit wertvollsten Unternehmen auf dieser Welt allesamt aus ‚Start-up-Gründungen‘ um die Jahrtausendwende entstanden sind.
 
„Disruptive Geschäftsmodelle in Asset-lastigen Branchen sind eher selten“
 
E&M: Lässt sich gewichten, welche Art von Impulsen junge Unternehmen in die Energiewirtschaft bringen? Eher Unterstützung bei der Digitalisierung von Prozessen oder disruptive Geschäftsmodelle?
Pietsch: Wir sehen, dass wirklich disruptive Geschäftsmodelle in Asset-lastigen Branchen eher selten sind. Das trifft aus meiner Sicht auch für die Energiewirtschaft zu. Die Auswirkungen der Digitalisierung und Automatisierung sind oft inkrementeller Art. Ich glaube nicht, dass wir flächendeckend disruptive Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft schon haben. Dass ein Kunde seinen Stromvertrag in einem Kundenportal ändern, verlängern oder kündigen kann, ist noch nicht disruptiv. Das würde es erst, wenn sich Energieversorger mithilfe von künstlicher Intelligenz als Plattformbetreiber positionieren: wenn das EVU die Daten der Kunden erfasst, deren Interessen analysiert und beispielsweise durch passende Werbeanzeigen so viel Geld generiert, dass der Strom an sich kostenlos angeboten werden kann. Aber dieses Geschäftsmodell hat nichts mit den klassischen Assets der Branche zu tun.
E&M: Ist Big Data wirklich neu?
Pietsch: Es ist das, was Facebook oder Instagram jeden Tag mit uns machen. Im Stadtwerkeumfeld ist Big Data aber auf jeden Fall noch etwas Neues und Besonderes.
E&M: Welcher energiewirtschaftliche Schwerpunkt zieht besonders viele junge Unternehmen an?
Pietsch: In diesem und im vergangenen Jahr waren das zum Beispiel Netzthemen wie Redispatch 2.0. Viele Start-ups beschäftigen sich zunehmend auch mit Wasserstoff. Das Thema ist sehr en vogue, selbst wenn die ganz Großen wie VW hier noch im Dunkeln tappen. Das ist aus meiner Sicht aber ein absolutes Zukunftsthema − wenn nicht in der Mobilität, dann in jedem Fall in der Energieversorgung. E&M
 
 
Sven Pietsch ist Geschäftsführer und CEO des Innovationsnetzwerks Innoloft. Die Ausgründung aus der RWTH Aachen hat ein B2B-Tech-Ecosystem aufgebaut und eine Plattform geschaffen, die Start-ups, etablierte Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Investoren an einen Tisch bringt
Bild: Innoloft


 
Eine Auswahl von Start-ups mit energiewirtschaftlichem
Schwerpunkt aus dem Innoloft-Netzwerk Teil 1 (www.innoloft.com);
zur größeren Ansicht, bitte auf die Tabelle klicken
Quelle: Innoloft


 
Eine Auswahl von Start-ups mit energiewirtschaftlichem
Schwerpunkt aus dem Innoloft-Netzwerk - Teil 2 (www.innoloft.com);
zur größeren Ansicht, bitte auf die Tabelle klicken
Quelle: Innoloft


 

Mittwoch, 7.07.2021, 09:45 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe -
Bild: fizkes / Shutterstock.com
Aus Der Aktuellen Zeitungausgabe
"Es gibt nach wie vor einen Start-up-Hype"
Junge Unternehmen geben der etablierten Energiewirtschaft Impulse, besonders für die Digitalisierung. Man sollte sich aber nicht vom Begriff Start-up blenden lassen, sagt Sven Pietsch.
E&M: Herr Pietsch, welchen Stellenwert haben Start-ups heute in der Energiewirtschaft?
Pietsch: Start-ups sind in der Branche heute etwas völlig Normales. Sie sind potenzielle Technologielieferanten und werden auch als solche wahrgenommen − wie jedes andere Unternehmen auch. Das sieht man an den Kooperationsformen: Meistens beruht die Zusammenarbeit auf einem klassischen Einkaufsprozess.
E&M: Aber es wird bei allen möglichen Gelegenheiten noch das Bild bemüht, ein Start-up bestehe aus einer Handvoll junger Leute mit einer ausgefallenen Idee für ein digitales Geschäftsmodell und einem unkonventionellen Kooperationsstil.
Pietsch: Das Bild ist natürlich in erster Linie ein Klischee, aber klar, es sind oft junge Leute, die noch keine großen finanziellen Verpflichtungen haben und sich daher einfach mal ausprobieren. Aber gerade im Bereich der Digitalisierung gibt es mittlerweile auch viele Lösungen von Firmen, die man wohl eher als Mittelstand bezeichnen würde. Neue Ideen können also auch aus einem innovativen Team in einem etablierten Unternehmen kommen. Es ist ja nicht irgendetwas nur deshalb innovativ, weil es von einem Start-up kommt. Man sollte sich deshalb nicht von diesem Begriff blenden lassen und in der Diskussion um neue Geschäftsmodelle der zugrunde liegenden Innovation auf den Grund gehen.
 
„Es ist ja nicht irgendetwas nur deshalb innovativ, weil es von einem Start-up kommt“
 
E&M: Muss man vielleicht auch den Begriff ‚Start-up‘ neu definieren oder sollte man ganz auf ihn verzichten, um nicht falsche Vorstellungen zu wecken und mehr sachorientiert zu diskutieren?
Pietsch: Es gibt nach wie vor einen Start-up-Hype. Die Politik spricht von Start-ups und der Start-up-Förderung. Im Prinzip geht es ja um ganz normale Unternehmensgründungen. Diese gab es immer schon. Ich sitze in der Jury, die das Gründerstipendium für das Wirtschaftsministerium in NRW vergibt. Dafür bewerben sich immer wieder auch Menschen und Unternehmen, die ganz und gar nicht dem Klischee entsprechen: 50-Jährige mit 25 Jahren Berufserfahrung, die sich selbstständig gemacht haben. Start-ups automatisch mit dem Etikett ‚innovativ‘ zu versehen, ist genauso wenig sinnvoll, wie etablierte Unternehmen pauschal als ‚träge‘ zu bezeichnen. Man sollte aber auch darüber nachdenken, dass die derzeit wertvollsten Unternehmen auf dieser Welt allesamt aus ‚Start-up-Gründungen‘ um die Jahrtausendwende entstanden sind.
 
„Disruptive Geschäftsmodelle in Asset-lastigen Branchen sind eher selten“
 
E&M: Lässt sich gewichten, welche Art von Impulsen junge Unternehmen in die Energiewirtschaft bringen? Eher Unterstützung bei der Digitalisierung von Prozessen oder disruptive Geschäftsmodelle?
Pietsch: Wir sehen, dass wirklich disruptive Geschäftsmodelle in Asset-lastigen Branchen eher selten sind. Das trifft aus meiner Sicht auch für die Energiewirtschaft zu. Die Auswirkungen der Digitalisierung und Automatisierung sind oft inkrementeller Art. Ich glaube nicht, dass wir flächendeckend disruptive Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft schon haben. Dass ein Kunde seinen Stromvertrag in einem Kundenportal ändern, verlängern oder kündigen kann, ist noch nicht disruptiv. Das würde es erst, wenn sich Energieversorger mithilfe von künstlicher Intelligenz als Plattformbetreiber positionieren: wenn das EVU die Daten der Kunden erfasst, deren Interessen analysiert und beispielsweise durch passende Werbeanzeigen so viel Geld generiert, dass der Strom an sich kostenlos angeboten werden kann. Aber dieses Geschäftsmodell hat nichts mit den klassischen Assets der Branche zu tun.
E&M: Ist Big Data wirklich neu?
Pietsch: Es ist das, was Facebook oder Instagram jeden Tag mit uns machen. Im Stadtwerkeumfeld ist Big Data aber auf jeden Fall noch etwas Neues und Besonderes.
E&M: Welcher energiewirtschaftliche Schwerpunkt zieht besonders viele junge Unternehmen an?
Pietsch: In diesem und im vergangenen Jahr waren das zum Beispiel Netzthemen wie Redispatch 2.0. Viele Start-ups beschäftigen sich zunehmend auch mit Wasserstoff. Das Thema ist sehr en vogue, selbst wenn die ganz Großen wie VW hier noch im Dunkeln tappen. Das ist aus meiner Sicht aber ein absolutes Zukunftsthema − wenn nicht in der Mobilität, dann in jedem Fall in der Energieversorgung. E&M
 
 
Sven Pietsch ist Geschäftsführer und CEO des Innovationsnetzwerks Innoloft. Die Ausgründung aus der RWTH Aachen hat ein B2B-Tech-Ecosystem aufgebaut und eine Plattform geschaffen, die Start-ups, etablierte Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Investoren an einen Tisch bringt
Bild: Innoloft


 
Eine Auswahl von Start-ups mit energiewirtschaftlichem
Schwerpunkt aus dem Innoloft-Netzwerk Teil 1 (www.innoloft.com);
zur größeren Ansicht, bitte auf die Tabelle klicken
Quelle: Innoloft


 
Eine Auswahl von Start-ups mit energiewirtschaftlichem
Schwerpunkt aus dem Innoloft-Netzwerk - Teil 2 (www.innoloft.com);
zur größeren Ansicht, bitte auf die Tabelle klicken
Quelle: Innoloft


 

Mittwoch, 7.07.2021, 09:45 Uhr
Fritz Wilhelm

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