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Energie & Management > Ukraine-Krise - Ersatz russischer Brennstofflieferungen würde Milliarden kosten
Quelle: JiSign, Fotolia
Ukraine-Krise

Ersatz russischer Brennstofflieferungen würde Milliarden kosten

Russland liefert bisher 30-40 % des Erdgases und 50 % der Kohle, die in Europa verbraucht werden. Aurora Energy Research hat wegen des Krieges in der Ukraine Alternativen untersucht.
Die große Abhängigkeit Europas von Energielieferungen aus Russland bedroht aktuell die Versorgungssicherheit wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine. Die EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson, kommentierte, dass die EU zwar darauf vorbereitet sei, dass Russland die Gaslieferungen stoppt, die Bewältigung einer vollständigen Unterbrechung jedoch eine „Herausforderung“ wäre.

Aurora Energy Research hat daher eine Reihe von Szenarien analysiert, welche alternativen Energiequellen es gibt. Betrachtet wurde auch der Extremfall eines völligen Ausfalls der Gaslieferungen aus Russland im nächsten Winter.

25 Umweltverbände in Europa hatten bereits gefordert, Gasimporte aus Russland zu stoppen, um gegen den Krieg zu protestieren, darunter der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte dies abgelehnt, weil des „den sozialen Frieden gefährde“.

Die Abhängigkeit von russischem Erdgas bis zur nächsten Heizperiode zu reduzieren, stellt laut Aurora eine erhebliche wirtschaftliche, gesellschaftliche und technische Herausforderung dar. Russland liefert derzeit 30 bis 40 % des Erdgases für Europa und für Deutschland sogar 50 %. Die Hälfte der europaweit verbrauchten Kohle kommt ebenfalls aus Russland.

Einzelne Ausfälle kompensierbar

Laut Aurora stellen die jetzt verfügte Aussetzung der Pipeline Nord Stream 2 (NS2) und eine mögliche Unterbrechung der Gastransporte durch die Ukraine nur begrenzte Risiken für die Sicherheit der Gasversorgung in Europa dar. Der Markt könne mit einem Anstieg der Importe von Flüssigerdgas (LNG) und Pipeline-Flüsse aus anderen Regionen reagieren. Im Extremfall, falls die russischen Gasimporte aufgrund einer Entscheidung entweder Russlands oder der europäischen Regierungen eingestellt werden, würde dies allerdings im nächsten Winter eine Lücke von 109 Mrd. Kubikmeter Gas reißen.

​So viel würde das Füllen der EU-Speicher kosten

Daher rät Aurora, die europäischen Speicher zu füllen, auch wenn dies Kosten in der Größenordnung von 60 bis 100 Mrd. Euro verursache und wahrscheinlich ein staatliches Eingreifen erfordere. Richard Howard, Forschungsdirektor bei Aurora Energy Research, kommentierte: „Diese Maßnahmen beinhalten erhebliche Kosten- und Lieferrisiken.“ Selbst bei Ausschöpfen aller Anstrengungen, um das Angebot aus anderen Quellen zu erhöhen, bleibe eine Versorgungslücke von bis zu 33 Mrd. Kubikmetern, die durch Reduzierungen des Gasverbrauchs gedeckt werden müssten, folgert das Institut.
 
Mögliche Alternativquellen zu russischen Gaslieferungen lassen dennoch eine Versorgungslücke von 14 % des Bedarfs entstehen
Zum Vergrößern auf die Grafik klicken
Quelle: Aurora Energy Research
 
Energieverbrauch reduzieren

Diese Reduktion könne auf verschiedenen Wegen erreicht werden:
  • So könnte mehr Kohle verstromt werden, was allerdings den Klimaschutzbemühungen zuwiderläuft.
  • Außerdem könnten bis zu 25.000 MW Atom- und Kohlekraftwerke in ganz Europa, die vor der Stilllegung standen, weiterbetrieben werden.
  • Bedarfsreduzierung oder Brennstoffumstellung in der Industrie und Effizienzeinsparungen oder Verhaltensänderungen in den Haushalten sind weitere Maßnahmen.
Alles zusammen könnte laut Aurora die Gasnachfrage um bis zu 14 % senken, um die komplette Versorgungslücke zu schließen.

Wie viel bei Dauerstopp von Nord Stream 2 fehlt

In einem Szenario, in dem sich die Inbetriebnahme von NS2 bis 2025 verzögert, zeigt die Analyse von Aurora, dass Europa stärker auf LNG angewiesen wäre, als zuvor erwartet. In einem zweiten Szenario wird die Aussetzung von NS2 mit einer Unterbrechung der Flüsse durch die Ukraine kombiniert. In diesem Fall müsste Europa erhöhte LNG-Importe, die bis 2024 ein Maximum von 128 Mrd. Kubikmetern erreichen würden und Pipeline-Lieferungen von 50 Mrd. Kubikmetern aus Nordafrika beziehen.

Dies würde laut Aurora die Gaspreise erheblich steigen lassen. In Deutschland seien sie in den vergangenen Wochen bereits um 82 % gestiegen.Die Strompreise sind seit Kriegsbeginn in ähnlicher Größenordnung gestiegen, nämlich um 78 %, und sie nähern sich historischen Höchstständen. Am 3. Februar waren Fronttermin-Produkte zeitweilig bei 400 Euro pro MWh angelangt. 

Auch ein überdurchschnittlich kälterer oder wärmerer Winter würde das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage beeinträchtigen, so Aurora. Historisch sind Abweichungen von 10 Mrd. Kubikmeter im Gasverbrauch temperaturabhängig.

Manuel Koehler, Managing Director EMEA bei Aurora Energy Research, sagte: „Die damit verbundenen Kosten und das Ausmaß der erforderlichen regulatorischen Eingriffe werden wahrscheinlich eine Größenordnung unter dem Niveau liegen, das die EU und ihre Mitgliedstaaten zur Bewältigung der Covid-19-Krise mobilisieren konnten“.

Freitag, 4.03.2022, 12:41 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Ukraine-Krise - Ersatz russischer Brennstofflieferungen würde Milliarden kosten
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Ukraine-Krise
Ersatz russischer Brennstofflieferungen würde Milliarden kosten
Russland liefert bisher 30-40 % des Erdgases und 50 % der Kohle, die in Europa verbraucht werden. Aurora Energy Research hat wegen des Krieges in der Ukraine Alternativen untersucht.
Die große Abhängigkeit Europas von Energielieferungen aus Russland bedroht aktuell die Versorgungssicherheit wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine. Die EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson, kommentierte, dass die EU zwar darauf vorbereitet sei, dass Russland die Gaslieferungen stoppt, die Bewältigung einer vollständigen Unterbrechung jedoch eine „Herausforderung“ wäre.

Aurora Energy Research hat daher eine Reihe von Szenarien analysiert, welche alternativen Energiequellen es gibt. Betrachtet wurde auch der Extremfall eines völligen Ausfalls der Gaslieferungen aus Russland im nächsten Winter.

25 Umweltverbände in Europa hatten bereits gefordert, Gasimporte aus Russland zu stoppen, um gegen den Krieg zu protestieren, darunter der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte dies abgelehnt, weil des „den sozialen Frieden gefährde“.

Die Abhängigkeit von russischem Erdgas bis zur nächsten Heizperiode zu reduzieren, stellt laut Aurora eine erhebliche wirtschaftliche, gesellschaftliche und technische Herausforderung dar. Russland liefert derzeit 30 bis 40 % des Erdgases für Europa und für Deutschland sogar 50 %. Die Hälfte der europaweit verbrauchten Kohle kommt ebenfalls aus Russland.

Einzelne Ausfälle kompensierbar

Laut Aurora stellen die jetzt verfügte Aussetzung der Pipeline Nord Stream 2 (NS2) und eine mögliche Unterbrechung der Gastransporte durch die Ukraine nur begrenzte Risiken für die Sicherheit der Gasversorgung in Europa dar. Der Markt könne mit einem Anstieg der Importe von Flüssigerdgas (LNG) und Pipeline-Flüsse aus anderen Regionen reagieren. Im Extremfall, falls die russischen Gasimporte aufgrund einer Entscheidung entweder Russlands oder der europäischen Regierungen eingestellt werden, würde dies allerdings im nächsten Winter eine Lücke von 109 Mrd. Kubikmeter Gas reißen.

​So viel würde das Füllen der EU-Speicher kosten

Daher rät Aurora, die europäischen Speicher zu füllen, auch wenn dies Kosten in der Größenordnung von 60 bis 100 Mrd. Euro verursache und wahrscheinlich ein staatliches Eingreifen erfordere. Richard Howard, Forschungsdirektor bei Aurora Energy Research, kommentierte: „Diese Maßnahmen beinhalten erhebliche Kosten- und Lieferrisiken.“ Selbst bei Ausschöpfen aller Anstrengungen, um das Angebot aus anderen Quellen zu erhöhen, bleibe eine Versorgungslücke von bis zu 33 Mrd. Kubikmetern, die durch Reduzierungen des Gasverbrauchs gedeckt werden müssten, folgert das Institut.
 
Mögliche Alternativquellen zu russischen Gaslieferungen lassen dennoch eine Versorgungslücke von 14 % des Bedarfs entstehen
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Quelle: Aurora Energy Research
 
Energieverbrauch reduzieren

Diese Reduktion könne auf verschiedenen Wegen erreicht werden:
  • So könnte mehr Kohle verstromt werden, was allerdings den Klimaschutzbemühungen zuwiderläuft.
  • Außerdem könnten bis zu 25.000 MW Atom- und Kohlekraftwerke in ganz Europa, die vor der Stilllegung standen, weiterbetrieben werden.
  • Bedarfsreduzierung oder Brennstoffumstellung in der Industrie und Effizienzeinsparungen oder Verhaltensänderungen in den Haushalten sind weitere Maßnahmen.
Alles zusammen könnte laut Aurora die Gasnachfrage um bis zu 14 % senken, um die komplette Versorgungslücke zu schließen.

Wie viel bei Dauerstopp von Nord Stream 2 fehlt

In einem Szenario, in dem sich die Inbetriebnahme von NS2 bis 2025 verzögert, zeigt die Analyse von Aurora, dass Europa stärker auf LNG angewiesen wäre, als zuvor erwartet. In einem zweiten Szenario wird die Aussetzung von NS2 mit einer Unterbrechung der Flüsse durch die Ukraine kombiniert. In diesem Fall müsste Europa erhöhte LNG-Importe, die bis 2024 ein Maximum von 128 Mrd. Kubikmetern erreichen würden und Pipeline-Lieferungen von 50 Mrd. Kubikmetern aus Nordafrika beziehen.

Dies würde laut Aurora die Gaspreise erheblich steigen lassen. In Deutschland seien sie in den vergangenen Wochen bereits um 82 % gestiegen.Die Strompreise sind seit Kriegsbeginn in ähnlicher Größenordnung gestiegen, nämlich um 78 %, und sie nähern sich historischen Höchstständen. Am 3. Februar waren Fronttermin-Produkte zeitweilig bei 400 Euro pro MWh angelangt. 

Auch ein überdurchschnittlich kälterer oder wärmerer Winter würde das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage beeinträchtigen, so Aurora. Historisch sind Abweichungen von 10 Mrd. Kubikmeter im Gasverbrauch temperaturabhängig.

Manuel Koehler, Managing Director EMEA bei Aurora Energy Research, sagte: „Die damit verbundenen Kosten und das Ausmaß der erforderlichen regulatorischen Eingriffe werden wahrscheinlich eine Größenordnung unter dem Niveau liegen, das die EU und ihre Mitgliedstaaten zur Bewältigung der Covid-19-Krise mobilisieren konnten“.

Freitag, 4.03.2022, 12:41 Uhr
Susanne Harmsen

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