Hendrik Wüst beim Sommerempfang des LEE NRW in Düsseldorf. Quelle: Volker Stephan
Erneuerbare Energien sind ein Gewinner-Thema. Sie in NRW massiv ausbauen zu wollen, brachte Ministerpräsident Hendrik Wüst viel Beifall beim Sommerempfang des Lobbyverbands LEE NRW ein.
Es gab Jahre in Nordrhein-Westfalen, in denen fast ausschließlich die politische Farbe Grün Leuchtkraft im Erneuerbaren-Zusammenhang besaß. Bei den Empfängen und Tagungen des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW) genossen die Grünen beinahe Welpenschutz, zu Zeiten der CDU-FDP-Koalition in Düsseldorf (2017-2022) dagegen war das Verhältnis zu den Regierenden schwer belastet. Manchmal schickten die windkraftkritischen Liberalen bloß einen Staatssekretär zu Besuch.
Nun scheint die ökobewegte, aber häufig strukturkonservative Unternehmerschaft ihren Frieden mit der CDU an Rhein und Ruhr zu schließen. Nimmt man den Sommerempfang des LEE NRW vom 24. August in der Handwerkskammer Düsseldorf als Maßstab, durfte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sich als Macher und Freund der Branche fühlen. Seine Gastrede geriet launig, war energisch und vom Aufruf zu weiteren Anstrengungen auf allen Ebenen geprägt. Der Applaus geriet üppig.
Kein Wunder, denn die Zahlen sprechen für Schwarz-Grün. Am Ende der ersten August-Woche zählte der LEE NRW 202 erteilte Genehmigungen für neue Windkraftanlagen im Bundesland, das ist der Spitzenwert in Deutschland. Überdies hätten 172 von ihnen Zuschläge in Ausschreibungen erhalten, womit das Endergebnis von 2022 bereits eingestellt sei. Platz zwei ist es im Solarbereich, der nach Aussage des LEE-Vorsitzenden Hans-Josef Vogel auf den Zubau von 2.000
MW installierter Leistung im Gesamtjahr und damit eine Verdopplung gegenüber 2022 zulaufe. „Die Landesregierung belässt es nicht bei Ankündigungen, sie tut auch was“, rief Vogel seinem Parteifreund Wüst zu.
Der Ministerpräsident wusste die von überbordenden Genehmigungsverfahren geplagten Firmeninhaber für sich einzunehmen, als er sagte: „Wir müssen als Staat weniger regeln wollen.“ Risiken durch immer mehr Gutachten abfangen zu wollen, sei der falsche Weg. Die Energiewende erhalte dann die nötige Akzeptanz, wenn sie angesichts der Klimakrise und der wirtschaftlichen Probleme schnell erfolge. Ganz staatsmännisch mahnte er, es gehe schlicht um die „Akzeptanz der Demokratie“. Dazu müssten politisch Verantwortliche beitragen, indem sie große Infrastrukturprojekte wie Pipelines „in akzeptablen Zeiträumen“ umsetzten und dies nicht eine Generation dauere.
Rund um die 1.000-m-Regel ein "Geben und Nehmen"Parteigrenzen interessierten Wüst an diesem Abend wenig, schien es. Auch die Bundesregierung „verdient jedes Lob“ für beschleunigte Prozesse, beim Erneuerbaren-Ausbau oder dem Aufbau von LNG-Terminals zur sicheren Gasversorgung. In Fragen der Hilfen für energieintensive Unternehmen sei er zudem „ganz bei Robert Habeck“. Der grüne Wirtschaftsminister möchte Kanzler Olaf Scholz (SPD) einen Industriestrompreis auf Zeit abringen. „Subventionierte Strompreise dürften wir eigentlich ganz zuletzt wollen“, sagte Wüst. Das Mittel sei ihm letztlich gleich, es könne sich auch um eine abgesenkte Stromsteuer handeln, Ziel müsse jedenfalls sein, „die Deindustrialisierung nicht weiterlaufen zu lassen“. Letztlich warb er im Zusammenhang mit einer sicheren Energieversorgung auch für eine notwendige „Brücke“, für grundlastfähige Gaskraftwerke, die den für 2030 geplanten Ausstieg aus der Braunkohle in NRW abfedern sollen.
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Zu Gast bei Freunden: Ministerpräsident Hendrik Wüst (2.v.r.) beim Sommerempfang des LEE NRW mit (v.l.) HWK-Präsident Andreas Ehlert, LEE-Geschäftsführer Christian Mildenberger und LEE-Vorsitzendem Hans-Josef Vogel, links sitzend dessen Vorgänger Reiner Priggen. Quelle: Volker Stephan |
Fossiles Gas für den Übergang ist nicht der Renner unter Klimabewegten. Aber Wüst wollte nicht nur süße Drops verteilen. Dass er das neue Bürgerenergiegesetz für die „nächsten Monate“ ankündigte, wird nicht allen LEE-Mitgliedsunternehmen schmecken. Denn NRW wird darin erwartbar eine verpflichtende Beteiligung von Kommunen und Bürgern an den Erträgen aus der Ökostromproduktion festschreiben, der Bund belässt es in seiner Vorgabe beim Prinzip der Freiwilligkeit. Für Hendrik Wüst ist auch dieses Gesetz der Beweis, die Energiewende „anders zu steuern, intelligenter und besser“.
Apropos grüne Leuchtkraft. Als der Chef wieder abgerauscht war, machten aus seinem Kabinett auch Wirtschafts- und Energieministerin Mona Neubaur und Oliver Krischer, Leiter des Umweltressorts, dem LEE NRW ihre Aufwartung. Nicht zuletzt sie bemühen sich in Reihen des grünen Juniorpartners, die treibende Kraft beim Ausbau von Wind- und Solarenergie zu sein. Es dauerte immerhin ein Jahr und bis zur dritten Lesung der Gesetzesänderung am 25. August, ehe die Grünen Hendrik Wüst die von der CDU mit eingeführte 1.000-m-Abstandsregel für Windkraftanlagen zur Wohnbebauung ausgeredet hatten.
Wüst wäre nicht der ernstzunehmende Rivale für Friedrich Merz um die Kanzlerkandidatur, würde er diesem Umstand nicht auch ein wenig für sich umdeuten. Das „Bohren dicker Bretter“ im Koalitionsalltag sei eben ein „Geben und Nehmen“. Was der CDU die 1.000 Meter, sei für die Grünen das Zugeständnis gewesen, Windkraftanlagen auch dort zuzulassen, „wo es früher schwer für sie war“. Wüst meinte Turbinen in Wäldern oder nahe an sensiblen Zonen des Landschafts- und Artenschutzes. Damit brachte er den Grünen leidvoll in Erinnerung, dass sie mit ihrem Erneuerbaren-Ausbaukurs in NRW zunehmend die Hardliner-Fraktion innerhalb des Nabu gegen sich aufbringen. Jene Naturschützer also, die vermeintlich ihr Kreuz bei der Öko-Partei zu setzen pflegten.
Freitag, 25.08.2023, 11:24 Uhr
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